Sein erstes Wort als Baby war "Auto". Und die finnischen Rallyestars wie Juha Kankkunen oder Markku Alen waren die Idole seiner Kindheit. Bis er mit etwa 12 Jahren den Aufstieg von Mika Häkkinen bei McLaren mitverfolgen durfte. Von da an war der Weg vorgezeichnet: Der Asphalt der Kartbahn statt der endlosen Schotterstraßen im finnischen Hinterland. Was würde man über Heikki Kovalainen wohl in diesem Jahr alles hören und lesen, wenn die Formel 1 nicht von einem Naturereignis namens Lewis Hamilton überrollt worden wäre?

Lassen wir - Hamilton mal ausgeklammert - die nackten Zahlen sprechen: In den letzten 10 Rennen war Heikki neun Mal in den Punkten. Und dabei jedes Mal vor seinem Teamkollegen Fisichella platziert. Und der ist ja auch kein Anfänger. Er hat eine bessere durchschnittliche Startposition als Fisico, und liegt bei den gefahrenen Runden ganz vorne: Mit 932 absolvierten Umläufen in diesem Jahr ist er Zweiter der Rangliste hinter - richtig - Lewis Hamilton (937).

Eine Menge Holz für einen Rookie! Dagegen verblasst sogar Nico Rosbergs Debütjahr. Heikki hat in drei Rennen sogar geführt, Fisichella nur eine Runde im ganzen Jahr, und trotzdem wird keiner müde zu betonen, dass der Italiener eine seiner besten Saisonen mit dem durchschnittlichen Auto abliefert. Fakt ist: Heikki Kovalainen hat die Karriere von Giancarlo Fisichella zumindest abrupt gebremst, wenn nicht endgültig beendet. Und damit keine Irrtümer aufkommen: Ich mag Fisico sehr. Unser Verhältnis war und ist ausgezeichnet. Aber der Finne hat ihn heuer brutal abmontiert.

Heikki hat es geschafft: vom verkorksten Debüt zum ersten Podestplatz., Foto: RenaultF1
Heikki hat es geschafft: vom verkorksten Debüt zum ersten Podestplatz., Foto: RenaultF1

"Weißt Du, ich dachte mir Anfang 2007, ich könnte heuer bereits um Siege oder sogar um die WM kämpfen", hat er nach dem Frankreich-Grand Prix leicht frustriert verraten. Das spricht für seine gesunde Selbsteinschätzung. Und für seinen Hunger nach der wohl längsten Warteschleife, die ein Formel 1-Neueinsteiger absolvieren durfte. Denn schon 2003 (!) hat er mit dem Formel 1-Testen begonnen.

Dabei hätte er das ganze beinahe selbst vermasselt. Renault lud ihn im Winter 2001/2002 zu einer Sichtung nach Estoril ein. Heikki sollte in das neugegründete RDD-Programm aufgenommen werden. Er lehnte ab, weil er lieber mit einem Sponsor eine Saison Formel 3 machen wollte. Im Februar stand er ohne den Sponsor da und rief doch bei Renault zurück: "Könnt Ihr Euch noch an mich erinnern? Ich wäre doch interessiert. Und ehrlich: Wenn Ihr mich nicht nehmt, dann bin ich erledigt..." Es war der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit. Die Sichtung war zwar längst vorbei, aber Heikki wurde zu den fünf anderen Youngsters ins Entwicklungsprogramm gesteckt. Die Ironie: Er ist der einzige, der noch übrig ist.

Das einzige, das so überhaupt nicht ins Bild vom Super-Talent passt, ist der Saisonbeginn. Selten hat ein Teamchef seinen Rookie öffentlich so hingerichtet wie Flavio Briatore. Nach dem miserablen Melbourne-Rennen meinte er noch, da müsse heute Heikkis Bruder gefahren sein. Und das war noch das netteste. Was wirklich los war? Heikki schweigt bis heute eisern, wenn man ihn darauf anspricht. Es waren "andere Gründe", ist seine kurze Auskunft.

Diese direkte Art von Flavio war mit Sicherheit der Wake-Up-Call im richtigen Moment. Und einer wie Kovalainen kann mit dieser Art gut umgehen. Nichts hasst er mehr als Wendehälse und Schönredner, die dann sofort hinter seinem Rücken schlecht reden. Er sagt Dinge frei heraus und verträgt es auch, auf diese Art kritisiert zu werden. "Ich brauche niemanden, der immer freundlich nickt und ja sagt. Wenn ich zum Beispiel Autogramme schreibe, dann tue ich es gerne. Und nicht, weil irgendein Konzern-Typ sagt, ich soll es für Image tun. Ich mag die Fans. Aber ich brauche niemanden, der mir sagt, was ich zu tun habe. Die Formel 1 ist ein hartes Business. Und da musst du mental sehr stark sein. Das heißt nicht, dass ich deswegen nicht freundlich sein kann. Ich bin sehr freundlich und offen zu allen. Auch ein Nice Guy kann eine WM gewinnen. Du musst kein Ekel sein, um zu gewinnen."

Der erste Pokal für Heikki - es werden noch mehr folgen..., Foto: Sutton
Der erste Pokal für Heikki - es werden noch mehr folgen..., Foto: Sutton

Und auch sonst hebt Heikki sich angenehm vom Jetset-Jungstar (der glücklicherweise im Aussterben sein dürfte) ab. In seiner Junggesellen-Bude in Oxford vertreibt er sich die Zeit mit Computerspielen. Aber nie mit Formel 1, eher mit Rallye-Games. Und er besitzt einen voll ausgestatteten Flugsimulator mit allen Joysticks und Hebeln, die man sich nur wünschen kann. Das ist das einzige, das er sich von seinem verdienten Geld bisher geleistet hat.

Heikki kommt aus ganz normalen Verhältnissen. Der Vater war als Gebäudereiniger mit seinem Bruder selbständig. Der Onkel hat das Geschäft übernommen. Jetzt fährt Papa Kovalainen gelegentlich selbst Busse oder Taxis. Die Mutter hat früher Geld beim finnischen Wetterdienst verdient. Aber jetzt arbeitet sie in der örtlichen Süßwarenfabrik. Heikki hätte ihnen gerne von seinem ersten Formel 1-Gehalt etwa besonderes gegönnt. Aber die Eltern waren dagegen. Sie hätten ohnehin alles zum Zufriedensein. Der Bub solle lieber etwas für später sparen.

Ein paar Mal im Jahr fährt Heikki heim nach Finnland in sein 3.000-Seelen-Dorf: "Dort kennen mich alle, aber keiner campiert in meinem Garten, um mich dauernd zu fotografieren. Ich gehe dann mit Freunden in den Wald, an einen Fluss und wir machen Feuer, auf dem wir Steaks grillen. Es kann schon sein, dass dann mal ein Rentier vorbeischaut und auch was davon haben will. Daheim ist es auch egal, ob du die letzte Mode trägst. Es ist ein angenehmer Kontrast zur Formel 1." Im Fahrerlager trägt Heikki tatsächlich immer die selben paar T-Shirts und Schuhe - "aber schon immer wieder gewaschen", wie er betont.

Und er besteht darauf, dass Kimi Räikkönen, den er in Fuji so meisterhaft abgewehrt hat ein falsches Bild in der Öffentlichkeit hat: "Kimi ist sehr lustig. Die Leute kennen nur den Rennfahrer Kimi. Aber der normale Kimi hat Humor und wir haben viel Spaß miteinander. Er kommt halt aus einer anderen Gegend Finnlands. Dort auf dem Land wo ich herkomme, da reden die Leute viel mehr. Egal ob sie dich kennen oder nicht. Sie sind sehr gesellig. Deswegen sind Kimi und ich auch ein wenig unterschiedlich."

Was die beiden neben der finnischen Sternstunde von Fuji - erstmals zwei Finnen gemeinsam auf einem Siegespodest - noch gemeinsam haben? Sicher so manches, wie die Vorliebe für Ville Valo, den Sänger von HIM. Vor allem aber die direkte und so angenehm unpolitische Art. Heikki erklärt, bei beiden gäbe es "no bullshit". Es muss wohl einen Grund geben, warum das auf Deutsch, Italienisch oder Spanisch in langen Worten übersetzen muss. Ich bin mir sicher, es muss einen tollen Ausdruck dafür auf Finnisch geben.