Frank Williams ist einer der letzten echten Racer. Wenn man es einem Mitglied des F1-Tross abnimmt, dass er Racing liebt - dann Sir Frank. Andi Gröbl sprach in Indianapolis mit dem Williams-Teamboss, die Wiener Tageszeitung Die Presse stellte motorsport-magazin.com das Interview exklusiv in voller Länge zur Verfügung - und Sie dürfen es jetzt genießen...

Sir Frank, Sie haben Alexander Wurz vor einigen Tagen wörtlich ein "außergewöhnliches und überaus bemerkenswertes Teammitglied" genannt. Inwiefern?
Frank Williams: Er denkt immer zuerst ans Team. Sein Beitrag zum gemeinsamen Erfolg ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Er sorgt nie für Wellen, er ist ein unglaublich positiver Einfluss auf alle Mitarbeiter. Er ist sehr stark im Kopf, und charmant obendrein. Außerdem ist er schnell. Sowohl beim Testen, als auch im Rennen. Und ich weiß nicht wie oft wir ihn angerufen haben: "Alex, wir haben ein Problem. Kannst Du uns helfen? Dieser oder jener Fahrer ist gerade für den Test oder einen PR-Termin ausgefallen." Egal, wie kurzfristig wir ihn kontaktiert haben. Er war immer für uns da.

Er hat in Kanada das erste Williams-Podium nach 742 Tagen erzielt, noch dazu das erste überhaupt in der post-BMW-Ära. Waren das besondere Emotionen für Sie?
Frank Williams: Ich versuche, mich nicht von Emotionen fangen zu lassen. Aber es hat mir große Freude bereitet, das ist richtig. Unser Auto wird immer besser. Und für den Ruf von Alex war es ein wichtiges Ergebnis.

Sie loben die gute Zusammenarbeit mit Nico Rosberg. Ist das für Sie eine Überraschung nach so vielen Jahren in der Formel 1? Sie hatten ja auch mal gleichzeitig Piquet und Mansell im Team. Da lief es wohl ein wenig anders?
Frank Williams: Alle diese Burschen sind extrem ehrgeizige, motivierte Individuen. Daher freut mich, dass meine Piloten so harmonieren. Nelson Piquet konnte auch unglaublich charmant und witzig sein, aber nur außerhalb des Autos. Wenn es ums Gewinnen ging, dann war er ein eigensinniger, sturer Bastard.

Frank Williams will wieder mehr echtes Racing sehen., Foto: Sutton
Frank Williams will wieder mehr echtes Racing sehen., Foto: Sutton

Manche Menschen sprechen Alex Wurz genau diese Art von Killerinstinkt ab...
Frank Williams: Ich bin nicht weise genug, um zu beurteilen, ob das tatsächlich der Fall ist.

Trotzdem ist nicht wegzuleugnen, dass er in diesem Jahr in sieben Rennen das Qualifying-Duell gegen seinen Teamkollegen sieben Mal verloren hat.
Frank Williams: Das liegt nicht daran, dass er ein schlechter Fahrer ist. Sondern daran, dass Nico einfach sehr, sehr gut ist. Er hat sich im zweiten Jahr fantastisch entwickelt. Man sieht mit bloßem Auge, dass er ein aufgehender Stern ist. Wie hoch der Himmel für ihn hängt, kann man erst sagen, wenn er in einem Siegerauto sitzt. Ich hoffe, es wird dann ein Williams sein.

Sie haben ihre Fahrer über die Jahre ja immer genau ausgewählt. Mit einem besonderen Auge für Champions.
Frank Williams: Nicht nur ich, auch Patrick Head, mein Mitbesitzer. Er ist kein Herumlaberer, kein Schönredner, er ist einer der Dinge anspricht, auch wenn es wehtut. Und damit sind wir immer gut gefahren. Man muss sehr aufpassen, wenn man Fahrer engagiert. Nicht immer kriegst du auch das, was du siehst. Oder glaubst zu sehen...

Was haben Sie denn in Alex gesehen?
Frank Williams: Zuverlässigkeit. Totale Hingabe zu seinem Beruf. Und er war verfügbar, denn ich hatte aus vertraglichen Gründen nur eine limitierte Auswahl an potenziellen Fahrern. Dazu kommt natürlich der Ruf, den er sich bei McLaren über die Jahre als Testfahrer erarbeitet hat.

Es gab vor einigen Tagen ein Gerücht. Angeblich will Williams Alexander Wurz bereits in Kürze gegen Heikki Kovalainen von Renault austauschen. Der wiederum soll Platz für Nelson Piquet jr. machen. Und Flavio Briatore soll dafür auch noch über 3 Millionen Dollar bezahlen.
Frank Williams: Dieses Gerücht ärgert mich besonders. Es entsprang der Tatsache, dass mich Flavio Briatore freundlicherweise mit seinem Privatflieger mitgenommen hat. Wie so oft zählen Menschen dann eins und eins zusammen und eine Verschwörungstheorie ist geboren. Das ganze wird dann zum Schneeball und ich muss erklären, ob ich Wurz rausschmeiße.

Wurz brachte Williams zurück aufs Podium., Foto: Sutton
Wurz brachte Williams zurück aufs Podium., Foto: Sutton

Um es ganz deutlich zu machen: Hat Alexander Wurz sein Cockpit bis zum Ende der Saison sicher?
Frank Williams: Ich kann keine einzige Konstellation sehen, in der wir ihn heuer austauschen würden. Ganz bestimmt nicht. Alex ist safe! Wenn allerdings ein zweiter Hamilton bei uns anklopft, dann denke ich zumindest mal drüber nach. [lacht] Aber das würde mit Verlaub jeder andere Teamchef auch machen. Und die Chancen einen wie Hamilton nochmals zu finden sind verschwindend gering.

Williams gilt als das letzte große Team mit echtem "Racing Spirit". Rennsport statt Kommerz scheint hier immer noch das Motto. Gewinnt man damit aber heute noch Weltmeisterschaften? Oder regiert in der Formel 1 nur noch das Marketing?
Frank Williams: Alle Teams wollen gewinnen. Alle haben einen gewissen Drang, den Gegner zu besiegen. Nur haben manche halt vollere Bankkonten als andere. Wir sind anders, weil wir kein Produkt verkaufen müssen, sei es ein Auto oder ein Getränk. Wir sind ausschließlich hier, um Rennen zu gewinnen. Aber deswegen haben wir keinen Heiligenschein im Vergleich mit den anderen.

In den USA heißt es "win on Sunday, sell on Monday". Ist es ein Vorteil, dass sie am Montag keinen Verkaufsleiter im Büro haben, der Ihnen vorrechnet, wie viele verkaufte Autos durch ein verpatztes Rennen wieder durch die Lappen gegangen sind?
Frank Williams: In gewisser Weise ja, aber es wäre sicher auch reizvoll, Teil eines Hersteller-Teams zu sein. Ich müsste dann nicht jeden Tag drüber nachdenken, wie wir die nächsten Rechnungen bezahlen. Für ein privates Team ist es noch schwieriger, zu bestehen. Jeder Dollar wird mehrfach umgedreht.

Im Moment lieben im Fahrerlager alle Williams für den Racing Spirit, und die Art, wie man sich nach der Trennung von BMW gefangen hat. Wäre es Ihnen manchmal lieber, Sie wären etwas weniger beliebt? Denn die ganz erfolgreichen sind in der Formel 1 manchmal ja verhasst.
Frank Williams: Klar. Es lieben uns ja vor allem jene 10 bis 12 Fahrer, die üblicherweise im Qualifying vor uns stehen. Wir hatten gute Zeiten, wo wir alles gewonnen haben, richtig. Aber dafür hat uns eigentlich auch niemand richtig gehasst. Obwohl wir vielleicht wirklich zu viel gewonnen haben. Das Problem war nur: Wir haben alle unsere Fehler in der Öffentlichkeit gemacht. Wir haben nie was verheimlicht. Und da hast du dann natürlich rasch mal schlechte Presse.

Frank Williams würde Nico Rosberg gerne siegen sehen - in einem seiner Autos., Foto: Sutton
Frank Williams würde Nico Rosberg gerne siegen sehen - in einem seiner Autos., Foto: Sutton

Sehen Sie auf dem Fahrermarkt einen Generationenwechsel?
Frank Williams: Das ist unvermeidlich. Aber das passiert alle paar Jahre mal. Im Moment übernehmen die ganz jungen das Kommando. Vettel ist sehr jung, Hamilton ist ja auch noch ein Baby. Und Nico steht ganz am Anfang. Da kommen so unglaublich gute junge Fahrer herein. So ist eben der Lauf der Dinge. Für ein paar erfahrene Piloten läuft die Zeit hingegen ab.

Über die Zukunft der Formel 1 wurde von der FIA auch vieles an Ideen präsentiert: Standard-Elektronik, alles soll billiger und einfacher werden. Und außerdem ökologisch.
Frank Williams: Egal, was davon kommt, am wichtigsten ist: Es muss wieder echter Rennsport werden. Und das heißt für mich: Viele Überholmanöver und Rennen, bei denen du nicht schon vorher weißt, wie es ausgehen wird. Dann muss die Formel 1 eine starke weltweite Marke werden. Nur das garantiert ein sicheres finanzielles Umfeld. Bernie Ecclestone ist da gefragt. Und es darf nicht mehr sein, dass die Regeln bis an die Schmerzgrenze gebogen werden, oder gar gebrochen werden und keiner kann was dagegen unternehmen. Die Regeln müssen in Zukunft eindeutiger, klarer und unmissverständlicher sein. Sonst gewinnt der mit den besten Anwälten.

Sie sitzen seit über 20 Jahren im Rollstuhl. Trotzdem sitzen sie bei fast allen Rennen, während wesentlich jüngere und fittere Kollegen gerne mal ein Übersee-Rennen auslassen. Was treibt sie täglich an?
Frank Williams: Ich liebe Racing. Nicht mehr und nicht weniger. Ich träume immer noch vom Erfolg. Aber auch ich lasse die ganz langen Flüge aus gesundheitlichen manchmal aus. Nach Australien oder Malaysia fliege ich dann wieder, wenn Williams wieder ein echtes Siegerteam geworden ist. Und für meine Nachfolge haben Patrick Head und ich auch längst gesorgt. Alles ist organisiert und läuft gut.