Die Formel 1 absolviert an diesem Wochenende in Brasilien den sechsten und letzten Sprint in der Saison 2023. Das 2021 erstmals genutzte Format hat sich mittlerweile im Kalender der Königsklasse etabliert, scheinbar jedoch nur bei den Rechteinhabern von Liberty Media. Unter den Fahrern ist das neumodische Samstagsrennen nach wie vor nicht sonderlich beliebt. Änderungen bis hin zum Reverse Grid sind von Lewis Hamilton, Charles Leclerc und Co. dringend erwünscht, und es steht nicht nur der Sprint auf dem Prüfstand.

"Mein bestes Sprintrennen war das, wo ich als Letzter gestartet bin. Dementsprechend bin ich für ein Reverse Grid, aber wenn wir das hätten, würde wahrscheinlich nur jeder versuchen, sich als Letzter zu qualifizieren", so Hamilton, der sich ein Schmunzeln bei dieser Antwort nicht verkneifen kann. In der Saison 2021 startete er in Brasilien nach einem Wertungsausschluss aufgrund eines technischen Regelverstoßes als Letzter in den Sprint und wurde nach einer sehenswerten Aufholjagd noch Fünfter.

Siegreich war er im Sprintformat, welches in der Regel über eine Distanz von 100 Kilometern geht, jedoch noch nie. Sprint-Rekordsieger Max Verstappen, der sechs der bisher elf veranstalteten Samstagsrennen gewann, hatte allerdings auch wenig Gutes zu berichten und übte sich in Zynismus. "Ja, es war absolut fantastisch, ich habe dabei so viel Spaß und freue mich immer so sehr, wenn wir wieder einen Sprint haben. Ich bin total dafür", so der dreimalige Weltmeister, der sich jeden weiteren Kommentar verkniff.

Ricciardo will keine MotoGP-Verhältnisse

Nachdem die Rechteinhaber der Formel 1 den Sprint nach den ersten drei experimentellen Ausgaben 2021 zum Erfolg erklärten, wurden 2022 erneut drei Sprints absolviert und für 2023 auf sechs erhöht. Für die Fahrer ist das Maß damit bereits voll. "Wenn wir 23 oder 24 Rennen in der Saison haben, macht ein halbes Dutzend Sprints schon etwas her, aber ich würde nicht den Weg der MotoGP wählen und das jedes Wochenende haben wollen", sagt Daniel Ricciardo.

Spektakulär ging es im Sprint zumeist wegen Gridstrafen oder Wetterkapriolen zu, wie sie dieses Jahr am Red Bull Ring der Fall waren. In anderen Fällen empfanden die Fahrer das Format als der Spannung abträglich. "Der Samstag verrät schon viel zu viel, was am Sonntag passieren wird. Im Grunde schaust du dir im Fernsehen einfach schon den ersten Stint des Rennens an und das hilft der Show im eigentlichen Rennen, dem Grand Prix, überhaupt nicht", so Carlos Sainz.

Für ihn ist der Sprint entgegen der Verlautbarungen von Liberty Media nie über seine experimentelle Phase hinausgegangen. "An diesem Punkt probierst du am Samstag lieber mal etwas anderes. Reverse Grid, Single Lap Qualifying, irgendetwas," fordert der Spanier. "Für mich ist das immer noch ein Experiment und die F1 sollte offen sein, welches Format am besten ist, denn das was wir jetzt haben, fühlt sich mit Blick auf den Sonntag nicht ganz richtig an."

Sprint in vielerlei Hinsicht unbefriedigend

In Austin machte sich das Konzept in dieser Hinsicht zuletzt auf unterschiedliche Weise unbeliebt. Das kurze Rennen am Samstag hat mutmaßlich dazu beigetragen, dass am Sonntag nach dem Grand Prix die Unterbodenplatten bei Lewis Hamilton und Charles Leclerc zu stark verschlissen waren und nicht die im Reglement festgelegte Mindeststärke erreichten. Beide wurden daraufhin disqualifiziert und flogen vom Podium.

Pikant war dabei die Tatsache, dass die FIA nur vier der gewerteten Autos untersuchte und laut einigen Experten bei Überprüfung des gesamten Feldes noch deutlich mehr Wertungsausschlüsse die Folge gewesen wären. "Die Teams sollten mehr Flexibilität haben, Dinge zu ändern, wenn du weißt, dass dein Auto an der Grenze zur Illegalität ist", sagt Oscar Piastri, der sich in Katar in die Siegerliste des Sprints eintrug. "Es ist komisch, ein Rennsieger zu sein, aber du bist eigentlich kein Rennsieger", so der McLaren-Pilot weiter.

Während die Fahrer der Top-Teams zumindest noch Erfolgserlebnisse verbuchen dürfen, findet sich Valtteri Bottas mit Alfa Romeo in einer ganz anderen Lage wieder, die den Sprint wenig attraktiv macht. "Was geändert werden könnte, ist dass es nur für die Top-8 Punkte gibt und für unser Team ist das im Moment leider weit entfernt", so der Finne, der mit Mercedes im Jahr 2021 die Sprints in Monza und Interlagos gewann.

Fahrer wollen Trainingsfreitag loswerden

Die Wunschliste ist vielfältig. Hamilton wünscht sich zum Beispiel eine längere Distanz, Lance Stroll outet sich gar als großer Fan und könnte sogar noch mehr Sprints vertragen. "Es gibt dadurch in jeder Session etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Ich denke, es ist dadurch ein viel aufregenderes Wochenende", sagt der Kanadier. Bei einer Sache sind sich aber fast alle einig. Das Sprintformat hat den Trainingsfreitag obsolet werden lassen.

"Ich war nie ein großer Fan der drei Trainings. Ich habe lieber nur eins und dann sofort Action. Das ist die gute Seite am Sprintwochenende", erklärt Bottas und erhält dabei Unterstützung aus jeder Ecke. "Ich mag die Herausforderung, nur ein Training und dann das Qualifying zu haben. Das macht mir mehr Spaß und ist für die Ingenieure und die Fahrer eine größere Herausforderung", sagt Lando Norris.

"Ich mag es wirklich, am Freitag nicht diese drei Sessions zu haben. Das ist echt langatmig und kann manchmal ein bisschen langweilig werden, denn du durchläufst immer das gleiche Programm", pflichtet ihm Leclerc bei. Einzig der diese Saison von Performance-Schwankungen geplagte Sergio Perez sieht das nicht so: "Nur ein Training zu haben, macht es für die Teams sehr schwer, eine Abstimmung zu finden, das kann schnell schiefgehen."