Technik-Zeitreise. Wir schreiben das Jahr 1979 – die Formel 1-Teams bauen der Reihe nach ihre "Flügelautos". Dabei geht es jedoch nicht um Front- oder Heckflügel – im Gegenteil: Das optimale Flügelauto ist ein "Ganz-Flügelauto" und kommt völlig ohne Flügelwerk aus: Kein Frontwing, und auch kein Heckflügel. Ein Flügelauto ohne Flügel?

Jochen Mass wurde in Deutschland Sechster., Foto: Sutton
Jochen Mass wurde in Deutschland Sechster., Foto: Sutton

Die Lösung: 1978 waren Colin Chapman und sein Team mit dem Lotus 78 und seinem Nachfolger 79 die Wegbereiter dieser damals futuristischen Boliden. Das Konzept: Das gesamte Auto wird quasi zum Flügel – die Unterböden der Seitenkästen wurden in Form eines Flügelprofils gehalten respektive gab es zirka in der Mitte dieser Profile eine Verjüngung – die unter dem Profil anströmende Luft wurde durch diese Verjüngung beschleunigt, es entstand Unter- oder besser gesagt Anpressdruck. Damit die Luft nicht seitlich entweichen konnte, wurden die Seitenkästen mit auf dem Boden schleifenden Keramik-Schürzen abgedichtet. Heute sind die Unterböden flach, lediglich der Diffuser am Heck der Autos lebt auch heute noch von diesem Venturi-Effekt.

Gut – der Lotus 79 und seine zahlreichen "Klone" hatten jedoch vorerst sowohl einen Front- als auch einen Heckflügel. Doch die Konstrukteure wollten einen Schritt weiter gehen. Und so probierten Gordon Murray mit dem Brabham-Alfa BT48 und später Colin Chapman mit dem Lotus 80, einen Wagen zu bauen, der völlig ohne Flügelwerk auskommt. Vorteil: Weniger Luftwiderstand. In der Folge fuhren je nach Rennstrecke zwar fast alle Autos ohne Frontflügel – ohne den Heckflügel jedoch kam keiner aus...

Doch man ließ es nicht unversucht, probierte es immer wieder – einer dieser Versuche, ohne den Heckspoiler auszukommen, ist der Arrows-Ford Cosworth A2. Tony Southgate und Dave Wass hießen die Erbauer dieses wunderschönen Boliden. Stolz erklärten sie: "Dieses Total-Wing-Car ist ein großer Schritt vorwärts."

Patrese landete beim Holland GP im Reifenstapel., Foto: Sutton
Patrese landete beim Holland GP im Reifenstapel., Foto: Sutton

Der goldene Arrows A2. Die Schnauze erinnert an eine Flugzeugnase, das Cockpit weit nach vorne versetzt, die Vorderradaufhängung fast völlig verkleidet, geschwungene flache Seitenkästen und am Heck des Autos ein unverkleideter, offenstehender V8-Cosworth-Motor und kein Heckflügel, sondern eine flache kleine Luftendplatte. So zumindest hätte der Arrows A2 seinen Konkurrenten enteilen sollen – doch das Unternehmen misslang, das zeichnete sich schon nach den ersten Tests ab. Die Piloten Jochen Mass und Ricardo Patrese hatten ihre Mühe mit der schnittigen aber auch zickigen Rakete. Sogar auf den Geraden verhielt sich der Wagen instabil. Und so musste der Arrows A2 in den Rennen mit einem herkömmlichen Heckflügel antreten – letztlich war er einer der größten Flops im Formel 1-Rennwagenbau.

Colin Chapman scheiterte mit seinem Lotus 80 genauso wie später mit seinem Doppeldecker-Lotus, der mit zwei Chassis arbeitete. Bis zum Verbot der Flügelautos schaffte es keiner der Konstrukteure, diese Technik der Wingcars auf ihre Spitze zu treiben, also völlig ohne Flügelwerk auszukommen und stattdessen den gesamten Wagen beziehungsweise dessen Unterboden als Flügelprofil zu nützen. Das "Ganz-Flügelauto" – eine der größten Technikpleiten der Formel 1-Geschichte.