Während die Lehrbücher der Volkswirtschaft von kurzfristigen Kitchin-Zyklen, mittelfristigen Juglar-Zyklen und langfristigen Kondratieff-Zyklen sprechen, um auf diese Weise das Auftreten von konjunkturellen Schwankungen zu erklären, predigen die Verantwortlichen in der Welt der Königsklasse des Motorsports spätestens seit dem Jahr 2001, dass auch der erfolgreiche Siegeszyklus der Scuderia Ferrari irgendwann ein Ende finden würde. Nur wann es so weit sein sollte, ließen die Ferrari-Jäger in den letzten Jahren offen, weshalb die Angst stieg, dass es sich schlimmstenfalls um einen 30-50 jährigen Kondratieff-Zyklus handeln könnte.

"Die Formel 1 durchlebt Zyklen. Eine Periode war Williams dominant, danach waren wir es, jetzt ist es Ferrari, vielleicht ist es bald BMW-Williams," berief sich beispielsweise Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug auf das Zyklus-Modell. "Wir haben das in den letzten Jahren gesehen. Erst mit Williams, dann mit McLaren und nun bei Ferrari. Diese Dinge kommen und gehen in Zyklen und es ist schwierig das zu ändern," stimmte Renault-Pilot Fernando Alonso in den Kanon mit ein.

"Wie in jedem Sport gibt es auch in der Formel 1 Zyklen. Wenn man sich die Geschichte ansieht gibt es immer Perioden der Überlegenheit, welche für einige Jahre anhalten, so wie McLaren Mitte der 80er und Williams in den frühen 90ern. Ferrari erlebt dies eben jetzt," schloss sich derweil auch David Coulthard der gängigen Theorie an. Und Teamchef Frank Williams stützt sich bei seiner Hoffnung auf bessere Zeiten ebenfalls auf die Tatsache, dass es in der Formel 1 immer wieder Zyklen "zwischen fünf und acht Jahren" gebe, während welcher verschiedene Rennställe dominieren: "Die Ferrari-Erfolge dauern nicht ewig," hoffte er.

Bis vor zwei Wochen waren all diese Zyklusberufungen eher Durchhalteparolen und Zweckoptimismus als realistische Aussagen. Aber dann kam Melbourne. Und nur vierzehn Tage später kam Sepang.

Der Fall (von) Ferrari/Bridgestone

Und mit Sepang kam nicht nur bei den Temperaturen das heißeste Rennen des Jahres. Auch einige der Schlagzeilen wären noch vor wenigen Monaten für unmöglich gehalten worden.

Der erste Stich ins rote Herz durchdringt nur leicht das Karbonkleid: Renault liegt über eine Minute vor dem besten Ferrari. Der zweite Stich erreicht schon die Außenhaut des Getriebes: Red Bull überholt Ferrari. Der dritte Stich schmerzt die Scuderia dann tief im V10-Herz: Toyota überrundet Ferrari!

Und nicht nur der mit Problemen an Reifen und Heck belastete Rubens Barrichello wurde überrundet, auch Michael Schumacher stand kurz vor einer Überrundung durch Fernando Alonso, jenen Spanier, der dem Deutschen die letzte große Schmach zufügte als er ihn bei seinem ersten Grand Prix Sieg in Ungarn 2003 überrundete und Ferrari in die letzte Reifenkrise stürzte.

Im Gegensatz zu damals dürfte diesmal allerdings keine Tyregate-Affäre zur Ehren- und vor allem Titelrettung von Maranello und Tokio zur Hilfe eilen. Und obwohl die Ferrari-Crew von Michael Schumacher über Ross Brawn bis hin zu Jean Todt wie ein F2005 vor seinem Premiumreifenpartner steht und diesem nicht den schwarzen Peter zuschiebt, fällt doch verdächtig oft der Satz, dass man sowohl das Auto als auch die Pneus verbessern müsse.

"Hoffnungslos" sei die Lage laut dem Siebtplatzierten Michael Schumacher nach nur zwei WM-Läufen "noch nicht", doch werden die Rufe der Medien und Fans nach dem neuen Boliden immer lauter. Ob dieser tatsächlich so "schonender" mit den Reifen umgeht und um so viel schneller ist, wie es die Italiener gerne betonen bleibt noch abzuwarten. Denn auch vor dem Malaysia GP berief man sich auf die "tolle Konstanz der Bridgestone-Pneus auf Long Runs", welche Ferrari dann im Rennen gnadenlos im Stich ließ.

Trotzdem gilt auch nach der klaren Niederlage von Sepang, dass noch immer 17 Rennen, also genauso viele wie in der gesamten Weltmeistersaison 2003, zu absolvieren sind. Und damals meldete sich Ferrari nach der verheerenden Schlappe vom Hungaroring mit einer grandiosen Leistung beim Heimspiel in Monza zurück. Für Bahrain, wo die Roten im letzten Jahr Kreise um die Konkurrenz fuhren, erwartet Michael Schumacher dies zwar noch nicht, doch beim Heimspiel in "Imola werden wir wieder recht gut aussehen". Dies zumindest prophezeit Michael Schumacher. Vielleicht ist dies dann der Beginn eines neuen Zyklus...

Der Fisichella/Webber-Zwischenfall

Wie schon das Auftaktrennen in Melbourne bot auch der Malaysia GP einen diskussionswürdigen Zwischenfall, der die Rennstewards in Aktion rufen sollte.

Die Situation stellte sich wie folgt dar: In Runde 36 kassierte Mark Webber den aufgrund eines verlorenen Bargeboards und schlechtem Handlings langsamer werdenden Giancarlo Fisichella. Vor der letzten Kurve setzte der Italiener allerdings zum Konter an und versuchte er sich innen am Australier vorbeizubremsen. Dabei war der Römer jedoch zu schnell und konnte er auf der rutschigen, griplosen Innenbahn nicht rechtzeitig bremsen, weswegen er seitlich in den FW27 knallte und beide aus dem Rennen riss.

Während viele darin nur einen normalen Rennunfall sahen, so etwa auch Mario Theissen, der den Vorfall mit einem "That's racing" abtat, gab es von den beiden Beteiligten unterschiedliche Aussagen zu hören. In einer ersten Reaktion schoben sich beide gegenseitig die Schuld in die Schuhe.

"Ich sah ihn auf der Außenseite kommen und es gab keine Möglichkeit zu überholen. Es war nicht mein Fehler", erklärte Fisichella kurz nach dem Unfall. "Seine Reifen waren am Ende. Ich überholte ihn fair und er bremste sehr spät auf der Innenseite auf der schmutzigen Spur, wo kein Grip ist. Er bremste und welch Überraschung: Er verlor die Kontrolle und wir kollidierten.", erwiderte der enttäuschte Webber.

Später präzisierte Fisichella: "Webber hat mich in Kurve 14 überholt und ich konterte auf der Geraden danach. Ich war vorne und er war außen als er in die Kurve einbog. Da ich bremste rutschte das Heck des Autos und Mark hatte keinen Spielraum für Fehler. Deshalb kollidierten wir. Für mich war es ein Rennunfall."

Die Rennkommissare sahen dies jedoch anders und verwarnten den Renault-Piloten, welcher sich somit in den kommenden Rennen keine weiteren solchen strittigen Aktionen zu Schulde kommen lassen sollte. Auf eine Bestrafung verzichteten die Rennstewards allerdings.

Die Rennaction

In einem durchaus abwechslungsreichen Rennen war diese Kollision allerdings nicht die einzige spannende Aktion. So verlief der Start zwar eher gesittet, da erneut kein Pilot es riskieren wollte seine Reifen schon zu Beginn des Rennens zu ruinieren, doch kam der Grand Prix danach immer besser in Fahrt.

Besonders das Trio Mark Webber, Nick Heidfeld und Ralf Schumacher sorgte mit einem kurvenlangen Dreikampf mit ständigen Kontern und Positionswechseln für sensationelle Überholmanöver und Racing-Action!

Aber auch die Zweikämpfe der beiden Red Bull Piloten mit Rubens Barrichello, die der Brasilianer in seinem strauchelnden F2004 M verlor, sorgten für viel Kurzweil auf den besser denn je gefüllten Tribünen.

Die Teamanalyse

Renault Wer hätte das gedacht? Nach zwei WM-Läufen bestätigt das Renault Team seine Wintertesteindrücke bis ins letzte Quäntchen und beweist damit, dass Testresultate manchmal doch aussagekräftig sein können. So überlegen in Melbourne Giancarlo Fisichella war, so deutlich dominierte in Sepang dessen Teampartner Fernando Alonso, der nach dem Rennen allerdings sichtlich erschöpft auf dem Podium hockerte. In dieser Form gibt es derzeit kein Team, welches die Mannschaft von Flavio Briatore schlagen könnte. Entsprechend fällt in Enstone und Viry-Châtillon auch schon des Öfteren das Wort "WM-Titel".

Toyota Auf die Weiß-Roten aus Köln-Marsdorf muss man nach dem zweiten Saisonrennen fast noch größere Lobeshymnen singen, als auf das Red Bull Racing Team nach dem Seasonopener in Melbourne. Mit dem besten Ergebnis der noch jungen Teamgeschichte, einer erstaunlichen Zuverlässigkeit aller Motoren - auch der Jordan-Kundentriebwerke - sowie dem sensationellen ersten Podestplatz des Teams durch den durch eine persönliche Tragödie gehandicapten Jarno Trulli zeigte Toyota, dass für sie mittlerweile tatsächlich "nichts unmöglich" ist. Teamchef Tomita hat allerdings schon erkannt: Jetzt heißt es dieses Ergebnis zu bestätigen und weitere Erfolge folgen zu lassen. Die Zielsetzung von Mike Gascoyne in Malaysia auf Sieg zu fahren, war jedenfalls nicht so utopisch wie sie noch am Samstag geklungen haben mag.

Red Bull Einen Schritt weiter als Toyota ist Red Bull. Zwar nicht in Sachen WM-Punkten oder Platzierungen, aber sehr wohl im Bereich der Leistungsbestätigung. Schließlich ließen David Coulthard und Christian Klien dem starken Auftaktrennen in Dowunder nun eine neuerliche doppelte Punkteankunft folgen. Mehr als zwei hintere Punkteränge waren für die Dunkelblauen aber nicht drin. Der Sieg über Ferrari dürfte ihnen ohnehin genügend Grund zur Freude gegeben haben.

Ferrari Ein vierter WM-Rang nach zwei Rennen ist eigentlich kein Beinbruch. Besonders da man mit Renault, Williams und McLaren vor Saisonbeginn drei starke Rivalen ausgemacht hatte, die als mindestens ebenbürtig angesehen wurden. Dass man aber plötzlich nach einem vom Wetter verwachsten und einem total desaströsen Rennwochenende plötzlich hinter Renault, Toyota und Red Bull auf dem vierten Platz liegen würde, hätte bei Ferrari vor einigen Wochen noch niemand gedacht. Bis zum Bahrain GP steht der roten Truppe jedenfalls noch viel Arbeit ins Haus, wenn man - egal mit welchem Auto - wieder weiter vorne mitmischen möchte. Malaysia war auf alle Fälle ein Warnschuss vor den roten Bug: Die Saison 2005 wird kein Selbstläufer wie 2002 oder 2004.

Williams Zwar kann man bei Williams nicht darüber begeistert sein, dass mit Toyota nun urplötzlich noch ein weiteres Team an den Weiß-Blauen vorbeigezogen zu sein scheint, doch verlief das Rennen bis auf Mark Webbers Ausfall relativ erfolgreich. Ohne den zweiten Fehler im zweiten aufeinander folgenden Qualifying hätte Nick vielleicht sogar nach dem zweiten Platz greifen können. So durfte sich der Mönchengladbacher immerhin über seinen zweiten Podestrang sowie die Tatsache, der fitteste Fahrer auf dem Siegerpodest zu sein, freuen. Für Williams dürfte dies der Startschuss für noch mehr in den kommenden Rennen gewesen sein.

McLaren Eigentlich wollte McLaren Mercedes den enttäuschenden fünften Rang des Vorjahres in Richtung Tabellenspitze verlassen und nicht noch eine weitere Position einbüßen. Aber wie schon in Australien spielte das Glück den Silbernen nicht in die Karten. Ein Ventilschaden an Kimi Räikkönens Hinterreifen verhinderte eine gute Punkteplatzierung des Finnen und Juan Pablo Montoya landete nach einem unauffälligen Rennen auf dem undankbaren vierten Platz. Und obwohl man sich erneut darauf berief, dass die Pace da war, muss diese irgendwann auch einmal in Resultate umgesetzt werden.

Sauber Bei Sauber war die Pace beim Petronas-Heimspiel in Malaysia hingegen nur am Freitag, als Felipe Massa im zweiten Training Bestzeit fuhr, vorhanden. Ansonsten verlief das Wochenende eher enttäuschend, wobei Jacques Villeneuve erneut hinter seinem brasilianischen Teamkollegen hinterher hinkte. Den Spekulationen um einen vorzeitigen Austausch des Kanadiers dürfte dies nicht gerade entgegen wirken.

B·A·R Honda British American Racing wollte hingegen einem technisch bedingten Ausfall entgegen wirken und nutzte deshalb das in Melbourne noch vorhandene Regelloch aus, durch einen taktischen Doppelausfall in Malaysia ohne Bestrafung mit neuen Aggregaten an den Start gehen zu dürfen. Doch dieser Schuss ging im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten los: Schon nach zwei Runden war für Jenson Button, der nach dem zweiten Nuller in Folge richtig sauer war, und Sato-Ersatzmann Anthony Davidson Schluss. Motorschaden. Als ob es die Rache des Regelbuches gewesen wäre...

Jordan Die beiden Jordan-Rookies dürfen sich bei Toyota bedanken, dass sie trotz des Rundengeizes dank der zuverlässigen Kölner Triebwerke mit die meisten Runden drehen dürfen. Zu einer besseren Platzierung treiben sie die Toyota-Aggregate allerdings nicht an. Denn dafür fehlt ihnen das nötige Auto. Dennoch stellt eine doppelte Zielankunft, wie vom Team auch mehrfach betont wurde, eine sehr gute Leistung dar.

Minardi Bei Minardi schaffte es unterdessen nur ein Fahrer ins Ziel. Und das war jener Pilot, der das gesamte Rennwochenende über kein Land gegen seinen österreichischen Teampartner Patrick Friesacher gesehen hatte: Christijan Albers. Der Österreicher schied derweil schon nach zwei Runden auf dem Öl eines der B·A·R aus. Mehr als der vorletzte Platz wäre ohnehin nicht möglich gewesen.

Der WM-Ausblick

Wer hätte vor Saisonbeginn gedacht, dass Michael Schumacher mit nur zwei WM-Pünktchen im Gepäck zum dritten Rennen nach Bahrain reisen würde? Oder dass Renault, Toyota und Red Bull die Konstrukteurswertung anführen würden?

Die Formel 1 Saison 2005 hielt also bislang, trotz der zumindest teilweise anhaltenden Überholflaute, alles was die Experten sich von ihr versprochen hatten: Spannung und enge Abstände zwischen den überaus konkurrenzfähigen Rennställen.

Ob Ferrari schon bald wieder in den Kampf an der Spitze eingreifen kann, wird unter anderem von der Einführung des neuen F2005 und dessen Konkurrenzfähigkeit abhängen. Vielleicht schickt Maranello seine neue 'rote Göttin' ja schon in zwei Wochen in die Wüste...