"Nimm den Helm ab!" Die ersten Worte, die dem frisch gebackenen Dreifach-Champion nach seinem Titelgewinn zu Ohren kamen, waren so ganz und gar nicht feierlich. Kaum war Sebastian Vettel aus seinem stark in Mitleidenschaft gezogenen Auto ausgestiegen, umarmte ihn Michael Schumacher mit eben diesem Rat: "Für die Zuschauer und einen selbst sind die Emotionen sehr wichtig, es ist schade, wenn man den Titel feiert und jeder sieht nur den Helm. Das habe ich auch erst später verstanden."

Es war der letzte Akt eines Generationswechsels. Selbst Schumacher gab zu, dass er nun entspannt in den Ruhestand gehen und Vettel das Feld überlassen könne. Und dieses möchte Vettel so schnell nicht räumen: nach den neuesten Spekulationen um einen Wechsel zu Ferrari bestätigte Red Bull am Dienstag die Vertragsverlängerung mit dem Deutschen bis Ende 2015. Also noch mindestens drei Saisons mit Vettel - aber was kann Vettel noch erreichen?

Szenario 1: Vettel erreicht Legendenstatus

Der Red-Bull-Star könnte in Zukunft einen noch größeren Bekanntheitsgrad erreichen, als ihn Michael Schumacher, seines Zeichens noch immer ein Inbegriff für die Formel 1 in aller Welt, in den vergangenen Jahren genoss. Die neue Generation an Kartfahrern wird Vettel nacheifern, so wie er einst Schumacher zum Vorbild hatte. Vettel selbst stehen für die Zukunft alle Wege offen, sogar jene, um sein Idol zu übertreffen.

Mit seiner frischen, unbekümmerten und witzigen Art spricht Sebastian Vettel sogar ein noch größeres Publikum an als Schumacher. Bei TV-Auftritten wie bei "Wetten dass...?" verzauberte Vettel ein Millionenpublikum als Entertainer. Aber Vettel kann auch ernst und nachdenklich sein. Trotz seines jungen Alters ist er in den vergangenen Jahren zu einer charismatischen Persönlichkeit gereift, hat dabei aber nicht den Boden unter den Füßen verloren und weiß sehr wohl die Glamourwelt des Formel-1-Paddocks von der realen zu unterscheiden - und weist etwa in Indien auch genau daraufhin.

Nicht viele Rennfahrer schweifen nach einem Sieg auf der Pressekonferenz vom üblichen PR-Blabla zu einer Wertediskussion über das Land und die westliche Auffassung ab. Mit seinem Interesse für die Welt außerhalb der Formel 1 erinnert Vettel sogar ein wenig an Ayrton Senna, der sich vor allem in seiner Heimat Brasilien sozial stark engagierte und noch heute als Legende verehrt wird. Vettel könnte am Ende seiner Karriere einen ähnlichen Status erreichen.

Szenario 2: Vettel bricht alle Rekorde

Sebastian Vettel kann Michael Schumacher übertrumpfen, Foto: Mercedes-Benz
Sebastian Vettel kann Michael Schumacher übertrumpfen, Foto: Mercedes-Benz

Schneller als Senna, Stewart und Lauda. Auf der Rennstrecke traf Sebastian Vettel nie auf sie, seinen dritten Titel gewann er jedoch weit vor ihnen. Der jüngste dreifache Champion ist auch der jüngste GP-Sieger und auf bestem Wege, weitere Rekorde zu brechen, die zum Großteil von Michael Schumacher gehalten werden. "Er ist mit 25 Jahren drei Mal Weltmeister und Schumacher war damals bei weitem noch nicht so weit", traut Alexander Wurz dem Deutschen sogar mehr als sieben WM-Titel zu.

Selbst Schumacher sieht bei Vettel alle Voraussetzungen, zukünftig alle Bestmarken an sich zu reißen. "Er ist talentiert, schnell, clever, hat im Moment das richtige Team an seiner Seite", erklärt Schumacher, den es zumindest offiziell stolz machen würde, wenn sein Kumpel Vettel seine Rekorde überbieten würde. "Ich bin mir nicht sicher, ob sieben Titel genug sind, um Sebastian fernzuhalten", bestätigt Kai Ebel im Gespräch mit dem Motorsport-Magazin. "Er hat noch alle Zeit der Welt, ihn zu überholen." Tatsächlich fuhr Vettel im vergangenen Jahr erst seine fünfte volle Formel-1-Saison - mehr als die Hälfte davon beendete er als Weltmeister.

Szenario 3: Vettel wechselt das Team

Bis Ende 2015 ist die Sache geritzt: Vettel bleibt bei Red Bull. Klar, in der Formel 1 ist alles möglich, aber so lange Red Bull Vettel ein konkurrenzfähiges Auto zur Verfügung steht, wird er allen Verlockungen entsagen. Dennoch: Maranello ruft. Seit Monaten, eigentlich sogar schon Jahren, erklingen sirenenhaft Wechselgerüchte, die Vettel eine rote Zukunft bei Ferrari nachsagen. In den Geheimkellern in Maranello müssten sich die Vorverträge geradezu stapeln. In der Vergangenheit mag nichts an diesen Gerüchten dran gewesen sein, das bedeutet jedoch nicht, dass Vettel nach dem Gewinn weiterer Titel nicht doch irgendwann eine neue Aufgabe suchen und in Maranello fündig werden könnte. Immerhin ist er Ende 2015 mit dem Auslaufen seines Red-Bull-Vertrags erst 28 Jahre alt, also im besten Rennfahreralter.

Er selbst gab schon oft genug zu, dass der Mythos Ferrari auf jeden Formel-1-Fahrer eine gewisse Anziehungskraft ausübe - und sein Erzfeind Fernando Alonso wird auch nicht ewig bei den Roten fahren und die Alleinherrschaft für sich beanspruchen. Doch es gibt nicht nur Ferrari. Auch der Mythos der Silberpfeile kann in einem deutschen Fahrer Interesse wecken. Vettel pflegte schon immer ein gutes Verhältnis zu Mercedes und könnte die letzte Rettung sein, wenn auch Lewis Hamilton und Nico Rosberg das Team in naher Zukunft nicht zu den ersehnten Triumphen führen können. Nach all den Rekorden auch erster Silberpfeil-Weltmeister seit Juan Manuel Fangio zu werden, würde sicherlich gut in seinen Lebenslauf passen.

Szenario 4: Vettels Red Bull Lebenswerk

Sebastian Vettel auf dem Weg zur Legende?, Foto: Red Bull
Sebastian Vettel auf dem Weg zur Legende?, Foto: Red Bull

Ferrari? Wer braucht schon Ferrari? Vettel kann sich mit Red Bull sein eigenes Lebenswerk erschaffen. Schumacher suchte einst eine neue Herausforderung bei der Scuderia und baute sich mit seiner roten Siegesserie ein Denkmal in Maranello. Vettel kann dies bei Red Bull gelingen - für dieses Kunststück muss er das Team nicht wechseln. Red Bull Racing besitzt noch nicht die jahrzehntelange Formel-1-Historie und den Status legendärer Marken wie Ferrari oder McLaren, umso größer ist die Verlockung und auch die Herausforderung für Vettel, im Laufe seiner Karriere Red Bull zu einem eigenen Mythos à la Ferrari zu machen - oder wenigstens den Grundstein dafür zu legen.

Die Voraussetzungen dafür sind glänzend: Die Technikabteilung ist exzellent besetzt, die Mannschaft steht voll hinter Vettel und so lange genügend Dosen verkauft werden, braucht das Team den Rotstift nicht zu fürchten. Mit weiteren Erfolgen auf der Strecke und seinem Auftreten daneben könnte Vettel sein Lebenswerk unsterblich machen. Alexander Wurz glaubt schon jetzt, dass Vettel und Red Bull etwas ganz Besonderes vollbringen: "Wir können alle froh sein, Zeitzeugen von so großen Ereignissen zu sein."