Bis jetzt ist es nur eine Anklage - ob es tatsächlich zu einem Verfahren gegen Bernie Ecclestone kommt, ob die Vorwürfe dafür stichhaltig genug sind, muss das Landgericht München entscheiden. Bis es dazu kommt, kann es freilich eine ganze Weile dauern. Juristische Prozesse, vor allem internationale, in denen auch noch alle Schriftsätze übersetzt werden müssen, in denen aber auch auf allen Seiten Top-Anwälte im Spiel sind, sind nun einmal langwierig.

Für die Formel 1 könnte die ganze Affäre, die bis jetzt gerne zumindest nach außen hin eher ignoriert wurde, allmählich böse Konsequenzen haben. Schon jetzt, in der Phase, in der noch nicht sicher ist, ob es überhaupt zu dem Verfahren kommt, dürfte klar sein: Die Hauptkonzentration von Ecclestone kann derzeit garantiert nicht mehr den eigentlich dringend anstehenden Fragen und Problemen der Formel 1 gelten, wenn es darum geht, den eigenen Kopf aus einer sich enger ziehenden Schlinge zu ziehen.

Formel 1 im rechtsfreien Raum

Die Tatsache, dass sich die Formel 1 ohne aktuelles geltendes Concorde Agreement derzeit eigentlich im rechtsfreien Raum bewegt, die Probleme vieler Teams, die Turbomotoren für 2014 zu bezahlen, versteckte Ausstiegsdrohungen von Renault, wie sie in Barcelona die Runde machten, der immer wieder verschobene Börsengang der Formel 1, der doch angeblich neues Geld für die teilweise hoch verschuldeten Teams bringen sollte - all das gerät mit Sicherheit erst einmal ins Hintertreffen. Und all diese Probleme sind für die Formel 1 in ihrem Kern nun mal wesentlich existenzbedrohender als die überall mit so riesiger Lautstärke geführte Reifendiskussion, in der Ecclestone jetzt ja noch so tun kann, als habe er mit einem einzigen öffentlichen Interview da "Ordnung geschaffen".

Immer im Fokus: Bernie Ecclestone, Foto: Sutton
Immer im Fokus: Bernie Ecclestone, Foto: Sutton

Sollte es dann wirklich zu einem Verfahren kommen, würden die Konsequenzen mit Sicherheit noch gravierender: Denn dann müssten sowohl der Rechtehalter CVC als auch gerade die in der Formel 1 vertretenen Konzerne möglichst schnell auf Distanz zu Ecclestone gehen, sprich, ihn mehr oder weniger fallen lassen, um selbst Schaden von sich abzuwenden. Dass sie sich so verhalten wie der Aufsichtsrat des FC Bayern im Fall Uli Hoeneß, ist nicht zu erwarten - und der musste ja dann auch zumindest außerhalb der reinen Fußball-Szene sehr viel Kritik für seine "extreme Toleranz" einstecken. Die Gerüchte, dass man sich bei CVC für diesen Fall schon auf eine Interimslösung geeinigt habe, kommen ja nicht von ungefähr.

Wie geht es weiter?

Nur: Was passiert dann? Bei aller sicherlich oft auch sehr berechtigten Kritik an Ecclestone: Zu glauben, dass mehr dabei herauskommt, wenn Finanzinvestoren auf eigene Faust die Geschicke der Formel 1 leiten wollen, ist zumindest sehr optimistisch gedacht. Sicher, die Hersteller und großen Sponsoren wären damit erst einmal ein Problem los. Aber ob dann ein für alle faires Concorde-Abkommen besser und schneller auf die Beine gestellt werden kann? Und wer verhandelt dann mit den jeweiligen nationalen Veranstaltern konstruktiv über einen neuen Formel-1-Kalender? Wer kennt insgesamt "seine Pappenheimer", von Teams bis FIA bis Veranstalter bis TV-Rechteinhaber bis Sponsoren, die bis jetzt ja alle zusammen den Laden doch noch irgendwie am Laufen hielten, gut genug, um zu wissen, bis wohin er gehen kann, ohne den Zusammenbruch des ganzen Konstrukts zu riskieren.

Öffentlich meist gut drauf: F1-Boss Ecclestone, Foto: Sutton
Öffentlich meist gut drauf: F1-Boss Ecclestone, Foto: Sutton

Das Fehlen eines potenziellen Nachfolgers aus Formel-1-Kreisen, eines echten Insiders, den Bernie sich ja nie herangezogen hat, könnte sich jetzt schnell übel bemerkbar machen. Wobei natürlich auch gesagt werden muss: Wirkliches Interesse daran, einmal Ecclestones Nachfolger zu werden, hat bis zum heutigen Tag auch nie jemand gezeigt, der vielleicht die Kompetenzen dafür hätte. Da liegt mit Sicherheit ein großes Versäumnis aller Beteiligten: Denn dass sich das Problem eines Tages stellen würde - allein aus Altersgründen - war ja abzusehen, sich damit wirklich auseinandersetzen wollte sich aber nie jemand, man hatte immer das Gefühl, da würde versucht, das Thema einfach mal so lange wie möglich wegzuschieben...

Ohne Rücksicht auf die Formel 1

Wobei noch ein Punkt interessant werden dürfte: Würden es diejenigen, die bis jetzt zwar mit vielen Aspekten des Ecclestone-Managements mehr als unzufrieden sind - etwa die kleinen Teams mit der internen Geldverteilung - bei der immer die Großen übermäßig protestieren, im Falle von Ecclestones Machtverlust wagen, juristische Schritte gegen diese Konstrukte zu unternehmen, die ja nach Ansicht von Fachanwälten durchaus Erfolg versprechend wären? Dass da einiges im Argen liegt, zeigte sich ja schon in China, als die Tatsache, dass ziemlich genaue Details über diesen Geldverteilungsschlüssel an die Öffentlichkeit geraten waren, für große Aufregung beim Meeting der Teamchefs mit Ecclestone sorgten, letzterer offenbar verzweifelt versuchte, herauszufinden, wer denn da geplaudert habe.

Prinzipiell wäre es wohl kein Schaden, wenn in diesen Bereich endlich einmal mehr Transparenz und auch Fairness für die Kleinen käme. Die Frage ist nur, wie sich ein Investor wie CVC, dem nun mal mehr am eigenen - und möglichst schnellen - Gewinn als am Schicksal der Formel 1 insgesamt gelegen sein muss, verhält, sollte das ganze System auch juristisch massiv unter Beschuss kommen. Ob man dann nicht versucht, bei den ersten Anzeichen von "Verlusten" das ganze Thema Formel 1 so schnell wie möglich irgendwie loszuwerden, um dann ebenfalls die "eigene Haut" oder besser die eigenen Finanzen zu retten? Ohne Rücksicht auf die Zukunft der Formel 1...