In den letzten Wochen wurde viel über Stallorder gesprochen, was fällt Dir dazu noch ein?
Marc Surer: Das Ganze wurde aufgebauscht. Das Thema wäre sicher ein anderes gewesen, wenn die Reihenfolge umgekehrt gewesen wäre. Wenn der Webber das gemacht hätte, dann wäre er zertrampelt worden. Wenn es der erfolgreichere Fahrer macht, dann muss man das durchgehen lassen. Die Diskussion wird im Sande verlaufen, nach diesem Rennen redet keiner mehr davon.

Was ist generell deine Meinung zu Stallorder - soll man die Fahrer im zweiten Rennen einfach fahren lassen?
Marc Surer: Es ging darum, die Autos zu schonen. Das ist bei der ganzen Diskussion untergegangen. Wir haben pro Saison acht Motoren, d.h. ein Motor muss nahezu zweieinhalb Rennen, inklusive Training halten. Das ist viel Laufzeit und je höher man den Motor dreht, umso kürzer wird die Laufzeit. Zum anderen haben wir Getriebe, die fünf Rennen halten müssen. Das ist das Eine. Das Zweite ist, die Unsicherheit mit den Reifen, die immer noch da ist. Man könnte am Schluss abbauende Reifen haben und einen Platz verlieren. Vom Material her gibt es eine Menge Gründe und auch das Benzin hat ja eine Rolle gespielt. Wenn das Benzin in der letzten Runde ausgeht, ist es noch peinlicher. Von der technischen Seite gibt es 100 Gründe, eine Stallorder auszusprechen, aber im Sinne des Sports sollte man die Fahrer fahren lassen. Im Fall von Malaysia war aber der Zweite ganz klar der Schnellere.

Die F1 will sich verkaufen - bei Sponsoren, Zuschauern und Fans. Tut sie das, wenn es nur mehr ein 'Economy-Race' gibt?
Marc Surer: Das hängt mit dem Reglement zusammen. Einerseits wollte man Material sparen, andererseits wollte man Racing bis zur letzten Runde. Für mich ist es in erster Linie eine Fahrer-WM und erst in zweiter Linie eine Team-WM, allerdings darf man nicht vergessen, dass es bei der Team-WM um das Geld geht: Punkte bedeuten ganz klar Cash.

Sebastian hatte sich einen medium Reifensatz aufgehoben, um am Ende noch einmal angreifen zu können. Wenn du an seiner Stelle gewesen wärst, was hättest Du gemacht?
Marc Surer: Es hat im Training geregnet, somit konnte das keiner berechnen, was da los ist. Ich würde anzweifeln, dass Sebastian extra einen Reifen gespart hat, weil die Verhältnisse einfach so unklar waren. Ich glaube nicht, dass er sich da große Gedanken machen konnte. Er hat vielleicht harte genommen anstatt weiche, andere haben weiche anstatt der harten genommen. Man hat ja eigentlich gedacht, dass die weichen Reifen ohnehin nicht halten. Somit wäre es besser gewesen, die harten zu sparen. Aber wenn man es hinterher so verkauft, ist das nicht schlecht.

Aber Sebastian hat das ja schon am Samstag gesagt...
Marc Surer: Das habe ich nicht gehört. Dann kann ich dazu nichts sagen.

Was sagst Du zur Mercedes-Situation?
Marc Surer: Sie hatten die braven Rennfahrer, die sich an die Order gehalten haben. Die Frage ist, ob Nico das irgendwann zurückkriegt. Wenn es der Fall ist, dann ist alles in Ordnung. Aber das will ich erst einmal sehen.

Ist es im Endeffekt nicht so, dass die braven Fahrer die Dummen sind und nie Weltmeister werden?
Marc Surer: Ja okay, das ist eine Philosophie. Im Fall von Rosberg möchte ich sagen, dass er mindestens zwei, drei Mal Hamilton überholt hat und immer auf der ersten Geraden, worauf der Hamilton auf der Zweiten gekontert hat. Das ist die Basis des Windschattenfahrens. Warum hat er nicht auf der Zweiten versucht zu überholen? Dann hätte er vorne wegziehen können - zumindest, wenn er wirklich schneller gewesen ist. Er hatte es in der Hand, aber er hat seine Chance vertan. Dann wäre er vorne gewesen und Mercedes hätte ihn fahren lassen. Ich denke, letztlich war es ein eigener Strategiefehler von Nico.

Hat sich Mercedes mit der Teamorder in punkto Öffentlichkeitsbild einen Gefallen getan?
Marc Surer: Sie sind übervorsichtig, denn sie sind nicht gerade verwöhnt, was den Erfolg angeht. Wenn man dann zwei Autos in guten Positionen hat und Punkte machen kann, dann verstehe ich es schon, dass man nicht riskieren will, dass einer ohne Sprit liegen bleibt. Und Lewis ist einer, der es darauf ankommen lässt, dass ihm der Sprit ausgeht, als dass er nachgibt. Meiner Meinung nach hat das Team durchaus Recht gehabt.

Was letztlich bedeutet, dass das Team einen Fahrer ebenfalls nicht unter Kontrolle hat und der zweite Fahrer darunter leiden muss.
Marc Surer: So könnte man es auslegen.

Bad Boys always win?
Marc Surer: Ja. Mir fällt kein netter Weltmeister ein, außer Jenson Button. Aber in dem Jahr war es kein großer Fight.

Red Bull hat gesagt, dass es keine Teamorder mehr geben wird. Heißt das übersetzt, Mateschitz, Marko und Vettel haben gewonnen und Horner hat nichts mehr zu sagen?
Marc Surer: Es geht schon gegen Horner. Er hat aus technischen Gründen die Stallorder gegeben. Man wollte nichts riskieren, wenn man einen Doppelsieg einfahren kann. Das muss man von dieser Seite her unterstützen. Mateschitz hat schon vor drei Jahren gesagt, dass es bei Red Bull keine Teamorder gibt. Jetzt hat er nur betont, was er damals schon gesagt hat und ich respektiere, dass er dazu steht.

Und die Fans hat er auch auf seiner Seite?
Marc Surer: Sie haben den Doppelsieg herausgefahren und eigentlich nur Schelte bekommen. So muss man es ganz klar sagen. Im ersten Jahr hat Red Bull Schelte von englischer Seite bekommen, weil man keine Stallorder gegen Webber, also pro Vettel, ausgesprochen hat. Am Ende ist es gut ausgegangen, aber es hätte auch schiefgehen können. Damals hat Mateschitz Schelte bekommen, jetzt wird ihm auf die Schulter geklopft. Ich finde, er ist sportlich fair - das hat er schon vor drei Jahren bewiesen und jetzt wieder.