Sebastian Vettels Karriere in der Formel 1 gleicht einem Traum, in den vergangenen drei Jahren war der Red-Bull-Pilot das Maß der Dinge. Da kann es schnell einmal passieren, dass einem der Erfolg zu Kopfe steigt. Bei Vettel ist das offenbar nicht der Fall, nur allzu gern proklamiert er nach jedem Rennsieg, dass das Team nun die Füße auf dem Boden behalten müsse. "Erfolge sehe ich nüchtern", sagte Vettel kurz vor dem Start der neuen Saison. "Dafür klatsche ich nicht hart auf dem Boden auf, wenn es mies läuft." Das Leitmotiv des amtierenden Champions: "Ich bin nie so gut, wie die Leute manchmal sagen, aber auch nie so schlecht. Ich erlaube es mir nicht zu denken, boah, bist du toll. Ich brauche diese Balance."

Dabei hat Vettel stets im Hinterkopf, dass die Formel 1 ein schnelllebiges Geschäft ist. In den vergangenen Jahren war er mit dem starken Red-Bull-Boliden und dem größtenteils stabilen Reglement gut aufgestellt. Doch 2014 könnte sich die Hackordnung in der F1 ändern, wenn die neuen Motoren Einzug in die Königsklasse halten. Ein Grund, warum Vettel auf die Taktik der vielen kleinen Schritte vertraut und den Mund niemals zu voll nimmt. "Vielleicht habe ich es bislang ja wirklich ein bisschen einfach gehabt", räumte er gegenüber dem Spiegel ein. "Aber ich versuche mir klarzumachen, dass es so nicht weitergehen muss. Die Formel 1 verändert sich ständig, die Technik entwickelt sich weiter, viele Faktoren beeinflussen deine Chancen. Wer sich an Erfolg gewöhnt, für den ist er schnell vorbei."

Damit Vettel auch 2013 wieder voll angreifen kann, zog er sich nach dem Saisonende und dem Titelgewinn sehr aus dem Rampenlicht zurück und eine ganze Zeit lang war es äußerst ruhig um den Heppenheimer, der nur wenig von seinem Privatleben preisgibt. "Ich habe gelernt, dass ich Abstand benötige, um mental zu regenerieren und Energie zu tanken", erklärte Vettel. "Uns Formel-1-Piloten unterscheidet gar nicht so sehr das Talent voneinander. Niemand hat seinen Platz in einem Preisausschreiben gewonnen, Rennfahren können wir alle." Vielmehr komme es auf eine bestimmte Qualität an, die später über Erfolg oder Niederlage entscheidet. Vettel: "Das letzte Quäntchen wird im Kopf entschieden. Damit ich in entscheidenden Momenten geistig voll da bin, brauche ich meine Auszeiten. Und da zählt die Qualität mehr als die Quantität."

Mit aufgeladenem Akku plant Vettel das Projekt Titelverteidigung - gelingt dieser Coup, wäre sein Name noch prominenter auf dem Wanderpokal vertreten, der in jedem Jahr an den Weltmeister geht. Vettels Pokal stand lange auf seinem Küchentisch auf seinem großen Bauernhof in der Schweiz, doch inzwischen hatte der 25-Jährige die Zeit, einen neuen Platz für das Prunkstück zu finden. "Ich habe endlich eine ordentliche Vitrine anfertigen lassen", sagte Vettel mit einem Lächeln. Der Pokal sei für ihn wie ein Bild, das man sich vor einiger Zeit an die Wand gehängt hat. "Man betrachtet es nicht mehr ständig, obwohl es ein tolles Bild bleibt", erklärte er. "Manchmal halte ich kurz inne, bücke mich und gehe die eingravierten Namen durch. Alle Weltmeister seit 1950, von Giuseppe Farina über Ayrton Senna bis hin zu mir. Das ist ein Moment des Stolzes, den ich ganz für mich allein habe."