Das Kopf-an-Kopf-Rennen geht in die nächste Runde. Obwohl inzwischen acht Rennen absolviert wurden, ist noch keine eindeutige Hackordnung unter den Teams erkennbar. Auch vor dem Großen Preis von England fällt es schwer, die Favoritenrolle an ein bestimmtes Team zu vergeben. Bei einem Blick auf die zuletzt gezeigten Leistungen spricht einiges für das Weltmeister-Team von Red Bull; Ferrari und McLaren können die erfolgreiche Vergangenheit auf dem Traditionskurs in Silverstone für sich geltend machen.

Zunächst sah in Valencia alles nach einer Demonstration des Weltmeisters aus. Nach der souveränen Pole Position fuhr Sebastian Vettel in der ersten Rennhälfte des Europa Grand Prix rund 20 Sekunden Vorsprung heraus. Doch eine Safetycar-Phase und ein Defekt an der Lichtmaschine bereiteten der Galavorstellung des Weltmeisters ein jähes Ende. Was mit dem RB8 möglich ist, zeigte Mark Webber, der von Startplatz 19 noch auf P4 nach vorne fuhr.

Sollte der Bolide des Teams aus Milton Keynes in Silverstone ähnlich gut laufen, geht der Sieg auch beim neunten WM-Lauf nur über Red Bull. "Das war sehr beeindruckend, was Sebastian in Valencia gezeigt hat", bestätigte Mercedes-Teamchef Ross Brawn. "Alle Teams werden genau schauen, was sie in Silverstone machen." Die jüngste Vergangenheit sollte dem Rennstall von Dietrich Mateschitz Mut machen. Immerhin gewannen Vettel (2009) und Webber (2010) zwei der letzten drei Rennen auf dem Silverstone Circuit.

Ferraris Trumpfkarte im Titelkampf: Fernando Alonso, Foto: Sutton
Ferraris Trumpfkarte im Titelkampf: Fernando Alonso, Foto: Sutton

Nach seiner triumphalen Aufholjagd in Valencia werden viele Augen aber auch auf WM-Leader Fernando Alonso gerichtet sein. Der Ferrari-Star, der im Vorjahr in Silverstone seinen einzigen Saisonsieg feierte, ist in dieser Saison bisher die größte Trumpfkarte seines Rennstalls. Auch der F2012 zeigte sich seit dem großen Update vor dem Europa-Auftakt stark verbessert. Und in Silverstone rüstet die Scuderia mit dem in Valencia getesteten neuen Frontflügel und einigen Modifikationen am Auspuff weiter auf.

Die schnellen Kurven auf dem Silverstone Circuit sowie das zu erwartende regnerische Wetter sollten dem Traditionsteam aus Maranello, dass in den letzten zehn Rennen in England fünf Siege verbuchte, ebenfalls entgegenkommen. Vielleicht auch deshalb sah der zuletzt stark verbesserte Felipe Massa dem neunten Saisonlauf optimistisch entgegen. "Wir glauben, dass unser Auto in den Highspeed-Kurven nicht zu schlecht ist", betonte der er. "Wir sollten einen guten F2012 auffinden, wenn wir am Freitag mit dem Training beginnen."

Auch McLaren kommt die Charakteristik des Kurses entgegen. Seit 1999 triumphierte das Team aus Woking fünfmal in England. Vor dem Heimspiel in Silverstone gibt es beim Team von Martin Whitmarsh dennoch einige Sorgenfalten. Ob Vizeweltmeister Jenson Button sein Leistungstief mit Platz acht in Valencia überwunden hat, bleibt abzuwarten.

Hinzu kommt die nicht enden wollende Pannenserie in der Boxengasse, die Lewis Hamilton beim letzten Rennen zumindest einen Platz auf dem Podest kostete. Zumindest die Fehler bei den Boxenstopps sollten sich nach Meinung von Sportdirektor Sam Michael nicht fortsetzen. "Wir haben die Ursache gefunden und das Design modifiziert", sagte der Australier.

Findet Jenson Button bei seinem Heimrennen zu alter Stärke zurück?, Foto: Sutton
Findet Jenson Button bei seinem Heimrennen zu alter Stärke zurück?, Foto: Sutton

Ursachenforschung wurde zuletzt auch bei Mercedes betrieben. Ziel war es, der fast schon unheimlichen Ausfallserie von Michael Schumacher ein Ende zu bereiten. Und siehe da, beim Europa Grand Prix sicherte sich der Rekordweltmeister seinen ersten Podiumsplatz seit seinem Formel-1-Comeback 2010. Nico Rosbergs sechster Rang auf dem Valencia Street Circuit rundete das gute Ergebnis der Silberpfeil-Piloten ab. Fraglich ist allerdings, ob sich das Resultat in Silverstone wiederholen lässt.

Schnelle Kurven liegen dem Mercedes F1 W03 eigentlich nicht. Schumacher lässt sich seinen Optimismus von den nicht ganz optimalen Vorzeichen allerdings nicht nehmen. "Es gab in dieser Saison schon einige Rennen, die sich anders entwickelt haben als erwartet", meinte der 43-Jährige. "Wir werden versuchen, den Schwung aus Valencia mitzunehmen und in Silverstone eine gute Show abzuliefern."

Für eine gute Show waren in dieser Saison auch bei fast jedem Rennen die Lotus-Piloten gut. Einziger Wermutstropfen für das Team von Eric Boullier ist allerdings, dass Kimi Räikkönen und Romain Grosjean trotz einiger starker Vorstellungen noch keinen Sieg einfahren konnten. Damit ist Lotus das einzige Top-Team ohne Sieg im Jahr 2012. Geht es nach den Fahrern soll sich dieser Umstand eher früher als später ändern.

"Wir sind nicht glücklich, bis wir gewonnen haben, und so lange ist der zweite Platz eben nur der zweite Platz", murrte Räikkönen nach Rang zwei beim Großen Preis von Europa. Die Experten trauen dem Team in schwarz-gold den Coup auf jeden Fall zu. "Der Lotus fährt Long Runs, das ist sagenhaft", bemerkte Christian Danner bereits in Valencia.