Die Geschichtsschreibung wird zeigen, dass Mark Webber der Sieger dieses Monaco Grand Prix war und sich vor Nico Rosberg und Fernando Alonso durchsetzte. Rosberg hatte einen Strategie-Poker versucht, um sich die Führung zu schnappen. Er kam in Runde 27 als Erster an die Box, doch das ging nicht auf, da Webber darauf reagierte. Sebastian Vettel überraschte viele mit seiner Strategie und schaffte damit beinahe eine Überraschung.

Alonso konnte derweil zwei Plätze gewinnen, um so noch auf das Podest zu fahren und damit war er zufrieden. Im Nachhinein betrachtet hätte der Spanier aber sogar gewinnen können. Dafür hätte er aber etwas riskieren müssen und es gab keinen offensichtlichen Grund, so ein Risiko einzugehen. So läuft es eben im Rennsport und der fein ausbalancierten Welt der Rennstrategie.

Wer beim Start vorne ist, hat auch diese Saison gute Karten, Foto: Sutton
Wer beim Start vorne ist, hat auch diese Saison gute Karten, Foto: Sutton

Eine wichtige Beobachtung in diesem Rennen war, dass zum vierten Mal in sechs Rennen das Auto gewann, das auch nach der ersten Runde führte. Auch wenn viele Seiten die Saison 2012 als Lotterie bezeichnet haben, weil das Verhalten der Pirelli-Reifen von Strecke zu Strecke und Tag zu Tag variiert, so zeigt dieses Muster, dass es nach wie vor entscheidend ist, im Qualifying und beim Start die grundlegenden Dinge richtig zu machen, um so die Basis für einen Sieg zu schaffen. Das ist aus verschiedenen Gründen ein wichtiger Punkt: das zeigt die Bedeutung eines guten Qualifyings und Starts, doch es zeigt außerdem, wie viel besser die Pirelli-Reifen laufen, wenn man freie Fahrt hat und nicht in der Abluft eines anderen Autos unterwegs ist.

Auf einer Strecke wie Monaco, wo das Überholen schwierig ist, bleibt nur eine gute Rennstrategie, um Boden gutzumachen, wie anhand der Strategien von Ferrari und Red Bull am Sonntag zu sehen war. Wie im Vorjahr hielten die Reifen länger als erwartet und das Rennen lief letztendlich völlig anders als von den Strategen vorhergesagt. Sie hatten bei den Top-Sechs zwei Stopps erwartet, doch Vettels Leistung im ersten Stint zwang viele zum Umdenken.

Der Überblick

Die Strategiepläne vor dem Rennen sahen vor, dass die Führungsautos zwei Mal stoppen würden, rund um die Runden 26 und 52. Der Start sollte auf den Supersofts erfolgen und danach jeweils Stints mit den Softs folgen. Doch diese Annahmen basierten auf den wenigen Trainings-Runden mit den superweichen Reifen, weil das Wetter schlecht war. Im Rennen hielten sie dann viel länger als erwartet. Während der 78 Runden geschahen einige Dinge, die diesen Plan unterbanden und jeden auf eine Einstopp-Strategie umschwenken ließen.

Regen sollte kommen, kam aber nicht wirklich, Foto: Sutton
Regen sollte kommen, kam aber nicht wirklich, Foto: Sutton

Zunächst gab es die Vorhersage von Regen rund um Runde 28, dadurch waren die meisten Teams gezwungen, ihre Autos draußen zu lassen, da sie nicht noch einmal für Regenreifen stoppen wollten, nachdem sie ihren ersten Stopp erledigt hatten. Außerdem fuhr Vettel mit den Softs einen langen ersten Stint, der zeigte, dass die Gummis auch nach 40 Runden noch sehr schnell waren. Sobald jeder das sah, gab es keine Frage mehr, ob die Führenden einen zweiten Stopp machen würden, da dies Vettel den Sieg zugespielt hätte. Also fuhren sie im zweiten Stint sehr langsam, um ihre Reifen bis ins Ziel aufzusparen. Rosberg hatte am Ende 51 Runden mit seinem Satz Soft-Reifen gefahren.

Wie Alonso von fünf auf drei kam

Da er verstand, dass die Reifen freie Luft brauchten, um gut zu funktionieren, ließ sich Alonso im ersten Stint des Rennens am Sonntag weiter hinter Lewis Hamilton zurückfallen, um so seine Reifen zu schonen. Zudem wendete er eine spezielle Technik mit dem Supersoft an, der ihm ein längeres Reifenleben sicherte: der Supersoft mag keinen Wheelspin aus langsamen Kurven (Sliden in Längsrichtung) und er mag das vor allem in Kombination mit Sliden in Querrichtung nicht. Daher stellte Alonso die Räder gerade, bevor er auf das Gas stieg, womit er in jeder Kurve seinen Reifen etwas weniger abverlangte als einige andere. Das machte sich am Ende des Eröffnungsstints bezahlt.

Alonso hatte einen guten Start gehabt, ein Aufeinandertreffen mit Romain Grosjean auf dem Weg in Kurve eins überlebt und beinahe Hamilton überholt. In der ersten Runde reihte er sich dann hinter dem Briten auf Platz vier ein. Doch er fiel danach drei bis vier Sekunden hinter den McLaren zurück und konzentrierte sich darauf, die superweichen Reifen zu konservieren. Als Hamilton in Runde 29 an die Box kam, war Alonso ihm aber wieder nahe gekommen. Sobald der McLaren-Pilot in die Boxengasse abbog, pushte Alonso voll und nutzte die Probleme, die Hamilton beim Aufwärmen der weichen Reifen hatte. Dadurch konnte er ihm Platz drei abjagen, als er eine Runde später zu seinem Stopp hereinkam.

Fernando Alonso hätte vielleicht etwas später an die Box kommen können, Foto: Sutton
Fernando Alonso hätte vielleicht etwas später an die Box kommen können, Foto: Sutton

Im Nachhinein betrachtet hätte er das Rennen aber sogar gewinnen können, wäre er noch eine oder zwei Runden auf dem Supersoft draußen geblieben, da er schneller war als der neue Soft, mit dem Webber und Rosberg Probleme hatten. Webber fuhr in Runde 30 eine 1:24.518, was drei Sekunden langsamer war als Alonsos letzte Runde auf den superweichen Gummis. Was Ferrari vielleicht von diesem Poker abgehalten hat, waren Rosbergs Sektorzeiten auf seiner ersten fliegenden Runde im 29. Umlauf, in dem er eine 1:19.181 fuhr.

Mit diesem Wert vor Augen und einer Blitzanalyse musste Ferrari annehmen, dass Rosberg auf neuen Reifen sofort wieder seine Pace gefunden hatte und es Hamilton daher genauso gehen würde. Deswegen war die Zeit gekommen, Alonso hereinzuholen. Doch Rosberg, Webber und Hamilton hatten dann in den Runden 30 und 31 ihre Schwierigkeiten mit dem Soft und es gab die Möglichkeit, sie doch zu schnappen. Wäre der Poker nicht aufgegangen, wäre Alonso auf Platz fünf zurückgefallen, daher wäre es ein unvernünftiges Risiko für Ferrari gewesen und da 2012 Konstanz am wichtigsten zu sein scheint, brachten die 15 gewonnen Punkte vom Sonntag Alonso an die Spitze der Fahrer-Weltmeisterschaft.

Vettel lässt alle umdenken

Zum Zeitpunkt der ersten Stopps an der Spitze brachte sich ein anderer Fahrer in eine gute Position: Vettel. Der Weltmeister hatte das Rennen auf dem neunten Platz gestartet, nachdem er ein schwaches Qualifying erlebt hatte. Doch er hatte zwei Trumpfkarten im Ärmel und spielte sie beide brillant aus. Da er in Q3 keine Zeit gefahren war, hatte er sich freie Wahl für den Startreifen gelassen und wählte den Soft, womit er einen langen ersten Stint plante. Die Vorhersage von Regen rund um Runde 28 spielte ihm ebenfalls in die Hände. Die Spitzenfahrer waren auf ihren abgefahrenen Supersofts langsam, als sie an die Box kamen und die Lücke zurück zu ihm war nicht so groß, wie wenn sie zwei Mal gestoppt hätten.

Sebastian Vettels Strategie zwang den Rest der Spitze zur Anpassung, Foto: Sutton
Sebastian Vettels Strategie zwang den Rest der Spitze zur Anpassung, Foto: Sutton

In Runde 31 führte er und seine Pace auf gebrauchten Softs war weit besser als die der stoppbereinigt Führenden auf neuen, weichen Reifen, die sich immer noch nicht erwärmen wollten. Es ist eine Eigenart der Pirellis, dass sie nur in einem kleinen Temperatur-Fenster funktionieren und wenn man die Reifen dort nicht hinein bekommt, dann bringen sie keine Leistung. Runde um Runde zog Vettel von Webber weg, in Runde 37 betrug der Abstand 16 Sekunden. Hätte Vettel es geschafft, den Vorsprung auf 21 Sekunden auszubauen, wäre er in der Lage gewesen, nach seinem Boxenstopp vor Webber wieder auf die Strecke zu gehen und das Rennen zu gewinnen.

Doch Runde 37 war der Höhepunkt von Vettels Angriff, in Runde 38 begannen Webbers Reifen zu arbeiten und er konnte die Lücke wieder verkleinern. Von da an waren Vettel und die Red-Bull-Strategen laut UBS Strategy Report darauf konzentriert, wann der beste Zeitpunkt war, um ihn hereinzuholen und vor wem er dann herauskommen würde. Der Deutsche blieb länger draußen und holte immer noch gute Leistung aus den Soft-Reifen. Es war klar, dass Hamilton derjenige war, den er schlagen konnte und als der Brite hinter Alonso abfiel und in Runde 45 21,4 Sekunden hinter Vettel lag, war der Moment gekommen, um ihn reinzuholen. Die Rechnung ging auf und Vettel kam vor Hamilton auf Platz vier auf die Strecke.

Paul di Resta brachte die Strategie noch weit nach vorne, Foto: Sutton
Paul di Resta brachte die Strategie noch weit nach vorne, Foto: Sutton

Hamilton beschwerte sich deswegen beim Team, weil er vor der Gefahr durch den Weltmeister nicht gewarnt worden war. Er lag nun auf Platz fünf, nachdem er als Dritter losgefahren war. Es war daher wenig überraschend, dass er frustriert war, weil Alonso und Vettel ihn wegen einer besseren Strategie und besserem Reifen-Management besiegt hatten. Paul die Resta feierte durch seinen Start auf dem Soft-Reifen ebenfalls ein gutes Ergebnis. Er kam in Runde 35 für den Wechsel auf den Supersoft herein und schaffte es, damit 43 Runden durchzuhalten. Das brachte ihn von Startplatz 14 auf Position sieben nach vorne.