Mercedes-Teamchef Ross Brawn spricht im Interview über die Rennverlegung in Bahrain, eine Verschiebung der Testfahrten und die Probleme die Mercedes in der bisherigen Saisonvorbereitung Sorgen machten. Für die Zukunft ist der Brite aber zuversichtlich. Besonders von der Anzahl der bei den Tests zurückgelegten Kilometer ist der Brite angetan.

Wie beurteilen Sie die Verlegung des Großen Preises von Bahrain?
Ross Brawn: Die Entscheidung, den Bahrain GP zu verschieben, war sicherlich richtig. In Bahrain liegen die Prioritäten momentan anders und es ist richtig, dass die Menschen in Bahrain gemeinsam die Situation lösen, und zwar abseits des Scheinwerferlichts, in welchem das erste Rennen der neuen Formel 1-Saison stattgefunden hätte.

Wie sieht der überarbeitete Testplan des Teams aus?
Ross Brawn: Wir kehren vom Mittwoch, 9. März bis Samstag, 12. März für einen viertägigen Test auf den Circuit de Catalunya in Barcelona zurück. Nico fährt den MGP W02 am Mittwoch und Samstag, Michael ist am Donnerstag und Freitag im Einsatz.

Ist die zusätzliche Zeit bis zum ersten Rennen ein Vorteil für das Team?
Ross Brawn: Es hat keinen echten Einfluss auf unser Entwicklungsprogramm, da wir keine großen Upgrades für die Zeit zwischen Bahrain und Melbourne geplant hatten. Die zusätzlichen zwei Wochen geben uns aber die Chance, uns neu zu formieren und bieten allen Teams mehr Vorbereitungszeit vor dem ersten Rennen in Melbourne. Die Fahrzeugspezifikation für Melbourne bleibt aber unverändert.

Wie fällt Ihre Bilanz für den Barcelona-Test in der vergangenen Woche aus?
Ross Brawn: Die Testfahrten in Barcelona waren das letzte Mal, dass wir mit unserer Launch-Spezifikation gefahren sind. Wir fuhren im Durchschnitt 500 km pro Tag, also über 50% mehr als unser Tagesdurchschnitt bis dahin. Es war eine gute Woche und wir nutzten die Gelegenheit, um grundsätzliche Setuparbeiten zu erledigen, unser Verständnis für die Reifen auf einer Runde zu verbessern und unsere Long Run Performance zu steigern. Wir schlossen mit Michael und Nico beim ersten Versuch zwei Rennsimulationen erfolgreich ab. Das Auto war danach jeweils in gutem Zustand und es gab keine Probleme.

Nach dem Test in Jerez erwähnten Sie, dass das Auto noch Kompromisse beinhalte. Welche Kompromisse meinten Sie damit und kosteten Sie das Auto an Leistung?
Ross Brawn: Unser größtes Problem war bislang ein Kühlungsproblem. Die kurzfristigen Veränderungen, die wir an der Launch-Spezifikation des Autos vorgenommen haben, kosteten uns ein gewisses Maß an Leistung. Für unser Upgrade-Paket haben wir die Lösung jedoch in das Bodywork integriert, womit wir diese Performance noch vor dem ersten Rennen zurückgewinnen werden.

Die Stimmung bei Mercedes ist trotz kleinerer Probleme gut., Foto: Sutton
Die Stimmung bei Mercedes ist trotz kleinerer Probleme gut., Foto: Sutton

Das Team testete in Barcelona verschiedene Frontflügelvarianten. Worum ging es dabei?
Ross Brawn: Der Frontflügel, den wir in Barcelona verwendet haben, ist nicht unsere finale Rennversion, aber sie kommt dem Flügel schon näher, den wir in Melbourne haben werden. Unser bisheriger Frontflügel basierte stark auf jenem von 2010. Der Barcelona-Flügel war näher am 2011er Design dran. Bei dieser Gelegenheit haben wir die Chance genutzt, um unsere Richtung zu untersuchen und zu bestätigen, bevor wir die Rennversion des Flügels freigeben.

Es wurde spekuliert, dass die Performance des Teams hinter jener der Spitzenteams hinterherhinkt. Sind Sie besorgt?
Ross Brawn: Das ist eine gerechte Aussage. Wir sind uns der Pace unseres aktuellen Autos und des Abstands zur Spitze sowie der Gründe dafür bewusst. Letztere beinhalten die Kompromisse, die wir wegen der Kühlungsprobleme eingehen mussten. Wir wollten von Anfang an ein Auto vorstellen, das eine Grundversion darstellte, so dass wir uns mehr auf das Upgrade-Paket konzentrieren konnten. Das bedeutet unvermeidlich, dass wir weiter weg von der Spitze erscheinen, als es tatsächlich der Fall ist. Da ich alle Fakten kenne, bin ich mit unserer aktuellen Position und angesichts der anstehenden Entwicklungen zufrieden.

Wie sah das Feedback der Fahrer nach Barcelona aus?
Ross Brawn: Michael und Nico wussten nach dem Test in Barcelona viel besser, wie man die Reifen nutzt und wie sie ihre Fahrstile anpassen, um das Beste aus den neuen Pirelli-Mischungen herauszuholen. Ein Großteil unseres Fokus beim Test lag auf der Vorbereitung der Fahrer für die Rennwochenenden, inklusive Simulationen des Rennens und des Qualifyings mit dem Einsatz von KERS und des verstellbaren Heckflügel-Flaps. Beide Fahrer waren mit den Fortschritten zufrieden.

Sind Sie zuversichtlich, dass das Team die Zuverlässigkeitsprobleme überwunden hat?
Ross Brawn: Ja. Bei einem neuen Auto erwartet man Probleme und zum Glück hatten wir nur relativ wenige, die dazu führten, dass das Auto nicht mehr fahren konnte. Somit war der Einfluss auf unser Programm nicht besonders groß. Unsere Kilometerzahl ist gut: Wir haben bei drei Tests über 4.300 km zurückgelegt. Je mehr Kilometer man fährt, desto mehr Möglichkeiten bieten sich, um Probleme zu identifizieren und sie vor dem Saisonstart zu lösen.

Aus welchen Gründen können Sie nach Barcelona ermutigt sein?
Ross Brawn: Barcelona war sicherlich unser bisher bester Test und wir haben unsere Fortschritte seit dem Launch des MGP W02 in Valencia fortgesetzt. Die Zuverlässigkeit des Autos ist nun besser und unser Upgrade-Paket liegt gut im Plan, um für den vierten und letzten Wintertest in Barcelona bereit zu sein.

Das Ziel des Teams ist es, den vierten Platz aus dem Vorjahr zu verbessern. Wird der MGP W02 gut genug sein, um beim Saisonstart mit den Top-3-Teams mitzuhalten?
Ross Brawn: Es ist noch zu früh, um das zu sagen, aber ich bin überzeugt, dass wir nach dem letzten Barcelona-Test mehr wissen werden. Wir haben eine sehr gute Basis, auf der wir aufbauen können. Unser Team entwickelt sich sehr gut weiter und der Silberpfeil liegt im Plan. Unser Ziel bleibt es, im Vergleich zum letzten Jahr den nächsten Schritt zu schaffen und gegen die Besten zu kämpfen.