"Der Alptraum jedes Teamchefs" nannte es Peter Sauber höflich, andere sprachen von der "größten Lachnummer im Fahrerlager", Bernie Ecclestone meinte nur, "wenn ich noch Teamchef wäre, dann würde ich meinen beiden Fahrern sagen, dass sie absolute Idioten sind!" Wenn sich wie am Sonntag im Istanbul Park zwei Teamkollegen gegenseitig von der Strecke befördern, in Führung liegend und nebenbei auch noch WM-Favoriten, dann kochen die Emotionen hoch. "Ist doch gut so", lachte RTL-Experte Christian Danner dazu, "das ist doch genau, was wir sehen wollen, dass es Action gibt, was zu reden, was zu diskutieren..."

Mark Webber sah in der Pressekonferenz nicht glücklich aus, Foto: Sutton
Mark Webber sah in der Pressekonferenz nicht glücklich aus, Foto: Sutton

Ein Aspekt der Kollision zwischen Sebastian Vettel und Mark Webber sickerte erst am Sonntag Abend durch. Beide Fahrer hatten im Moment des Geschehens einen komplett unterschiedlichen Informationsstand. Die Red Bull-Führung hatte mehr oder weniger deutlich angeordnet, Webber solle den zu diesem Zeitpunkt schnelleren Vettel bei einem Überholversuch nicht weiter aufhalten - damit der von hinten drückende Lewis Hamilton nicht am Ende noch beide überholen würde.

Kommunikationsproblem

Vettel hatte dabei offenbar über Funk auch die Information bekommen, dass er attackieren könne, Webber über das Gesamtszenario im Bilde sei - und deshalb von dem Australier keine wirklich harte Gegenwehr zu erwarten hatte. Weshalb der Heppenheimer am Ende der Geraden relativ sorglos nach innen zog - und dann völlig entsetzt und überrascht die Erfahrung machen musste, dass sein Teamkollege eben doch voll dagegenhielt - und es krachte. " "Wenn man erwartet, dass ihn der Führende vorbeilässt, dann sieht es anders aus", sagte Danner.

Dem war aber nicht so. Denn Webbers Renningenieur Cairon Pilbeam hatte den "Wunsch" der Teamleitung, sprich Teamchef Christian Horner und Sportdirektor Dr. Helmut Marko, nicht an seinen Fahrer weitergegeben, der im übrigen nicht, wie erst gedacht, wegen Reifenproblemen in dieser Rennphase langsamer wurde, sondern weil er im Gegensatz zu Vettel bereits ein bisschen Sprit sparen musste - er hatte in der Anfangsphase des Rennens mehr verbraucht.

Alles Details, von denen die anderen Fahrer, die in der Mehrheit Vettel die Schuld an dem Crash gaben und Webber keinen Vorwurf machten, nichts wussten, noch nicht wissen konnten. So kam dann eben, nach reinem Blick auf die Videobilder, Nico Rosberg zu dem Eindruck, "dass Sebastian da schon sehr optimistisch war", oder Lewis Hamilton zu der Ansicht, dass "Mark da überhaupt nichts falsch gemacht hat."

Problem Stallregie

Offen mit dem Thema umzugehen, welche Anweisungen wann an wen gegeben wurden, ist für Red Bull dabei auch nicht ganz einfach - weil natürlich sehr schnell das Wort von der offiziell verbotenen Stallorder die Runde macht. Obwohl gewisse Dinge natürlich immer und überall passieren und aus Teamsicht eben absolut normal und notwendig sind. Schließlich weiß ja seit Sonntag zum Beispiel auch jeder, wie bei McLaren das Kommando an die Fahrer heißt, wenn ganz klar gesagt wird, man solle aufhören, sich gegenseitig zu attackieren und die Positionen halten. Als sich nämlich kurz nach dem Vettel-Webber-Crash Lewis Hamilton und Jenson Button beinahe ebenfalls gegenseitig von der Strecke befördert hatte, bekamen beide über Funk sofort zu hören: "Spritverbrauch sehr kritisch, sparen, sparen, sparen..." Ein Schelm, wer Böses dabei denkt....

Solche Bilder soll es bei Red Bull nicht mehr geben, Foto: Sutton
Solche Bilder soll es bei Red Bull nicht mehr geben, Foto: Sutton

Marko und Horner mussten sich ja sowieso schon einige Vorwürfe anhören, die ganze Aktion zeige ja nur, dass entgegen aller Beteuerungen, man würde beide Fahrer gleich behandeln und offen gegeneinander kämpfen lassen, Vettel eben doch bevorzuge. Auch, weil der eben der Liebling von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz sei und aus kommerziellen Gründen als Weltmeister besser ins Red Bull Konzept passen würde als Webber - was beide natürlich zurückwiesen. Man habe nur versuchen wollen, auf jeden Fall einen Sieg für das Team sicherzustellen... Was am Ende grandios in die Hose ging.

Krisenmanagement

Jetzt muss sich zeigen, wie gut Red Bull das Thema internes Krisenmanagement beherrscht. Im Laufe der Woche soll es im Werk in Milton Keynes ein Meeting mit allen Beteiligten geben - anzunehmen, dass es dabei ziemlich heiß hergehen wird. Webber ist WM-Spitzenreiter, andererseits zeigte sich in der Türkei schon, dass Vettel jetzt, nach dem Chassiswechsel, doch wieder eher der Schnellere ist - nur der technische Defekt in der entscheidenden Phase des Qualifyings verhinderte seine Pole Position und damit die Chance, das Rennen gleich von Anfang an von der Spitze weg fahren zu können. Einen der beiden schon jetzt zur Nummer zwei zu machen, wird nicht funktionieren - und auch nicht das Ziel sein. Aber die internen Richtlinien und vor allem die Kommunikationsabläufe müssen dringend geklärt werden, will man nicht den WM-Titel leichtsinnig wegwerfen...