Zehn Monitore, jede Menge Knöpfe, Stereo-Funk und ungebetene Gäste - am DTM-Kommandostand ist viel los. Das Motorsport-Magazin warf in der Oktober-Ausgabe einen Blick auf die Arbeitsplätze von Wolfgang Ullrich und Norbert Haug. Mehr Interviews und Hintergrundgeschichten gibt es jeden Monat neu im Motorsport-Magazin.

Obwohl der Technik-Hype und Computer-Wahn noch lange nicht so wahnwitzig groß sind wie in der Formel 1, rückten die DTM-Kommandostände mit den angeschlossenen "Funkhäusern" in letzter Zeit immer mehr in den Vordergrund. Ob Strategieschlachten, chaotische Regen-Rennen oder ein durcheinander gewürfeltes Qualifying wie am EuroSpeedway Lausitz - ohne die schlauen Köpfe hinter der Boxenmauer würde bei Audi und Mercedes nicht viel laufen.

Die Ingolstädter bringen gleich mehrere der selbstgebauten Kommandostände mit zu jedem Rennen - denn schließlich wollen neben den Teamchefs und Verantwortlichen auch die Renningenieure hautnah dabei sein. Die Kosten für die Eigenbauten aus Kempten sind dabei nicht zu verachten: hier hält man sich ganz locker im fünfstelligen Bereich auf. Der eigentliche Wert scheint sich kaum berechnen zu lassen - von Jahr zu Jahr wächst das technische Equipment; immer mehr Monitore werden angebracht, denn viele Informationen wollen auf einen Blick vorhanden sein.

Die Denker und Lenker in der DTM, Foto: adrivo Sportpresse
Die Denker und Lenker in der DTM, Foto: adrivo Sportpresse

Doch der Teufel steckt im Detail. Neben den derzeit zehn Monitoren und drei Funkstationen sind am Kommandostand von Abt Sportsline auch drei Getränkehalter angebracht, damit Audi-Motorsportchef Doktor Wolfgang Ullrich, Teamchef Hans-Jürgen Abt und Technikchef Albert Deuring während Hitzeschlachten nicht auf dem Trockenen sitzen müssen. Sogar an die Kollegen vom Fernsehen wurde gedacht: neben dem Kommandostand wurde ein kleines Podest errichtet, damit der Kameramann die wichtigen Personen nicht aus unvorteilhaften Perspektiven filmen muss.

Was passiert, wenn...?

Zurück zur Technik. Die zehn Monitore sind, zumindest auf dem Kommandostand des Audi-Werkteams, in drei Abschnitte unterteilt. Links und rechts zeigen jeweils vier Monitore wichtige Seiten aus dem Datenkanal, in der Mitte werden allgemeine Informationen und das TV-Bild von der Strecke zusammengefasst - so haben die drei Männer immer alles im Blick. Neben dem eigentlichen Zeitenmonitor sind während des Wochenendes vor allem zwei andere Bildschirme besonders interessant. Auf einem Kanal gibt die Rennleitung wichtige Informationen bekannt - egal ob ein Auto unter Beobachtung steht, bestraft wurde oder irgendwo auf der Strecke gelbe Flaggen geschwenkt werden.

Ein anderer Monitor zeigt eine Streckenkarte mit den aktuellen Positionen der DTM-Boliden. Getrickst wird hier vor allem im Zeittraining: die Teams wissen genau, wann sie ihre eigenen Fahrzeuge auf die Strecke schicken müssen, damit sie freie Fahrt haben und die Boxengasse nach Möglichkeit noch vor der Konkurrenz verlassen. Was früher Taschenrechner und ein kluges Hirn erledigten, wird heutzutage von einem Computer erledigt. So können auf einem extra programmierten Strategie-Rechner verschiedene Szenarien ausgeführt werden. Anhand aktueller Rundenzeiten und Erfahrungswerte kann so eine Rennstrategie auf die Schnelle geändert oder abgesichert werden.

Dr. Ullrich am Kommandostand, Foto: Audi
Dr. Ullrich am Kommandostand, Foto: Audi

Die Vorteile liegen auf der Hand und wurden von Mercedes, die über ähnliche Software verfügen, untermauert: während des Rennens auf dem EuroSpeedway stellte man die Strategien von Gary Paffett und Bruno Spengler um und kam nur so zum Erfolg. Der Fahrer selbst bekommt von den Geschehnissen am Kommandostand meist nicht viel mit. Nur die wichtigsten Informationen werden über den Boxenfunk übermittelt, schließlich sollen sich Timo Scheider und seine Kollegen während des Rennens voll auf ihren Job konzentrieren können. Viel mehr Funkverkehr gibt es zwischen den verschiedenen Ingenieuren und den einzelnen Mannschaften.

Jede Menge Knöpfe

Davon bekommt der Fernsehzuschauer nicht viel mit, obwohl die ARD während ihrer Übertragung immer wieder Funksprüche einblendet. Bei Audi ist man mittlerweile sogar dazu übergegangen, das Erste einzuschalten. Denn ab und zu kann man so Funksprüche von Mercedes abgreifen oder bekommt Vorkommnisse kommentiert, die vom Boxenstand aus nicht einsehbar sind. Doch nicht alle Stimmen fliegen durch die Luft. Aus Angst vor abhörenden Spionen vertraut man bei Audi auf sichere Kabelverbindungen zwischen den verschiedenen Kommandoständen und den Teammitgliedern in den Boxen. Nichts soll dem Zufall überlassen werden, man arbeitet sogar mit Gestiken und Handzeichen, wählt die direkte Kommunikation von Mund zu Ohr, um Fehler auszuschließen.

Auf dem Schreibtisch von Dr. Wolfgang Ullrich und seinen Mitstreitern findet man gleich mehrere Reihen unterschiedlich beschrifteter Knöpfe. Abgesehen von den Fahrern des Privatteams Futurecom TME kann der Audi-Motorsportchef mit jedem seiner neun Piloten sprechen, alle Teams anfunken oder mit den verschiedenen Ingenieuren Kontakt aufnehmen. Neben einer Verbindung zu den Rennkommissaren kann man sogar das Büro der WIGE erreichen - der technische Partner gewährleistet den reibungslosen Ablauf des Funks und wird bei möglichen Problemen sofort aktiv.

Faszination Kommmandostand, Foto: Audi
Faszination Kommmandostand, Foto: Audi

Mit einem Problem werden allerdings alle Beteiligen bis auf Weiteres leben müssen - der Funk kann nur ein einziges Signal übertragen. Nur die Person, die als erstes auf den Knopf drückt, kommt durch, während alle Anderen ins Nichts sprechen. Bei den besonders wichtigen Ingenieuren und Teamchefs ist daher Multi-Tasking gefordert: bis zu drei Funkgeräte tragen sie mit sich herum. Angeschlossen werden diese an nur einen Kopfhörer, umgesetzt wird alles auf zwei Ohrmuscheln mit mehreren integrierten Lautsprechern.

Der Zuschauer bekommt von den Aktivitäten hinter der Mauer nur sehr wenig mit. Interessant wird es jedoch, wenn sich die Reporter in der Boxengasse bis zum Kommandostand nach vorne wagen. Gern gesehene Gäste sind sie nicht unbedingt - gerade wenn der Rennverlauf angespannt ist. Doch die Männer an den Kommandoständen sind Profis und geben die entsprechenden Antworten auch in ungünstigen Momenten. Schließlich weiß man auch über die positiven Nebenwirkungen Bescheid: gerne rückt man seine Positionen nach einer strittigen Situation ins rechte Licht...

Der Hintergrundbericht zu den Kommandostänsden wurde in der Oktober-Ausgabe des Motorsport-Magazins veröffentlicht. Mehr Hintergrundberichte, Interviews und Reportagen lesen Sie monatlich im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online im Vorzugs-Abo bestellen: