Grüne Landschaften, verschlafene Dörfer, ein fast 80 Jahre alter Traditionskurs umgeben von einer Waldlandschaft, der in seinen Anfängen auf einen Asphaltbelag verzichten musste: Mit Brands Hatch erwartet die DTM nach Ausflügen ins toskanische Hochgebirge, in die karge Lausitz und in die beschauliche Eifel nur scheinbar ein erneuter Auftritt in der Provinz. Das dichte Autobahnnetz in der Grafschaft Kent und unbescheidene Hotelpreise weisen darauf hin, was den DTM-Touristen nur 20 Kilometer entfernt von Brands Hatch erwartet: Die Tore der Weltmetropole London. Ein Umstand, von dem allerdings auch so mancher DTM-Pilot nur wenig mitbekommt...

Von den Wäldern der Grafschaft Kent sehen die Piloten weit mehr als von der nahen Metropole, Foto: Audi
Von den Wäldern der Grafschaft Kent sehen die Piloten weit mehr als von der nahen Metropole, Foto: Audi

"Vor den Rennen finden oft die Pressekonferenzen in der jeweiligen Stadt statt. Aber man wird mit dem Shuttle dorthin gebracht, sieht vielleicht ein Wahrzeichen der Stadt, und dann geht es zurück zum Flughafen", korrigiert Martin Tomczyk im Gespräch mit dem adrivo Motorsport Magazin Eindrücke, die auch 2006 vor dem Debüt der DTM in Brands Hatch entstanden waren: Öffentlichkeitswirksam waren Audi A4 und Mercedes C-Klasse mitsamt vier ihrer Piloten vor die Londoner Tower Bridge gekarrt worden - und dort von zahlreichen Fotografen abgelichtet worden.

Obwohl Tomczyk ebenso wie seine Kollegen Jahr für Jahr quer durch Europa reist, fehlen ihm in den meisten europäischen Metropolen die Ortskenntnisse: "Es ist ein Phänomen, das vermutlich jeder Rennsportler kennt: Ich fliege schon das 20. Mal nach London, um zu testen oder ein Rennen zu fahren. Aber die Stadt selbst habe ich noch nie gesehen - genauso wie Barcelona." Das soll sich nun ändern: "Dieses Mal habe ich mir vorgenommen, drei Tage länger in London zu bleiben, um die Stadt endlich einmal kennen zu lernen. Aber generell kenne ich die Flughäfen besser als die Gegenden selbst, in denen man Rennen fährt."

Auch die touristischen Ambitionen der DTM-Piloten sind höchst unterschiedlich. Mit den Eltern an ihrer Seite geht es für Susie Stoddart während der Rennwochenenden familiär zu. Und auch in ihrer spärlich gesäten Freizeit mag es die Schottin eher häuslich. "Ich komme zur Rennstrecke, um meine Arbeit zu leisten - und am Sonntagabend reise ich ab. Für Sightseeing bleibt da leider keine Zeit", berichtet die Mercedes-Pilotin. "Auch zwischen den Rennen gibt es oft so viele Termine zu erledigen, dass ich an meinen freien Tagen lieber zu Hause abschalte als noch länger in der Gegend zu bleiben, in der das Rennen stattgefunden hat."

Anders hält es Meisterschaftsaspirant Timo Scheider. Zwar betont der Audi-Pilot, sich nur ungern mehrere Tage hintereinander nicht mit seinem Job zu befassen. Dennoch versucht Scheider, zumindest von den landschaftlich reizvolleren DTM-Austragungsorten einige Eindrücke mitzunehmen. "Eigentlich hatten wir geplant, ein paar Tage früher nach Zandvoort zu kommen und einige schöne Stunden am Strand zu genießen, aber das hätte sich bei diesem schlechten Wetter nicht gelohnt", berichtet Scheider von missglückten Kurzurlaubsplänen mit seiner Familie.

Timo Scheiders geplanter Kurzurlaub im Strandort Zandvoort fiel ins Wasser, Foto: Sutton
Timo Scheiders geplanter Kurzurlaub im Strandort Zandvoort fiel ins Wasser, Foto: Sutton

Das ins Wasser gefallene Strandvergnügen nahm Timo Scheider gelassen: "Zandvoort ist ein Highlight, ähnlich wie Mugello in der Toskana - auch hier bietet sich ein Urlaub an. Dennoch gehören für mich Urlaub und Rennstrecke nicht wirklich zusammen. Somit bekommt man hauptsächlich im Rahmen von PR-Events etwas von der Gegend mit." Neben den Rennen im Ausland ist es laut Martin Tomczyk auch der Nürburgring, der die Piloten zum Verweilen einlädt:

"Der Nürburgring ist eine Ausnahme: Dort versucht jeder Fahrer, sich die Zeit zu nehmen, eine Runde auf der Nordschleife zu drehen", sagt der letztjährige Meisterschaftsdritte, der die Ankündigung vor vier Wochen gleich in die Tat umsetzte: Einen Tag nach dem Nürburgring-Rennen ließ es sich der Audi-Pilot nicht nehmen, im RS4 die Nordschleife ausführlich zu erkunden. An Tomczyks Fazit ändert dies dennoch nichts: "Im Grunde ist es wie bei jedem normalen Arbeitnehmer: Man fährt zum Arbeitsplatz und arbeitet dort - und dann geht es ohne Umwege wieder zurück nach Hause..."