Motor, Getriebe, Aerodynamik - wichtige Komponenten, die einen Rennwagen ausmachen. Doch nichts wären sie ohne das "schwarze Gold" - den Reifen. Was nützt dem Piloten ein perfekter Bolide, wenn er seine Performance nicht auf die Straße bringen kann? Der Reifen bildet die Verbindung zwischen Fahrzeug und Asphalt und ist das ausführende Element, das alle vorher erledigten Arbeiten von Motor, Getriebe und Fahrwerk umsetzt. Ohne ihn könnte der Pilot nicht Gas geben, bremsen oder gar Kurven fahren. Michael Bellmann, Manager der Dunlop Motorsporttechnik, und die adrivo Sportpresse führen Sie ein in die Welt der Rennreifen.

Wandlungsfähiger Asphalt

Vor Ort nimmt Dunlop regelmäßig Messungen der Asphalttemperatur vor, Foto: Dunlop
Vor Ort nimmt Dunlop regelmäßig Messungen der Asphalttemperatur vor, Foto: Dunlop

Optimal für Fahrer und Fahrzeug wäre ein Reifen, der eigens für die jeweilige Rennstrecke konzipiert wurde - im besten Fall gar speziell für Qualifying und Rennen Doch selbst in der Formel 1 können die Piloten hiervon nur träumen. In der DTM trifft es Teams und Fahrer noch härter: So haben sich die Veranwortlichen für einen Einheitsreifen entschieden, der von Dunlop für die gesamte Saison entwickelt und produziert wird - obwohl die Unterschiede zwischen den Streckenbedingungen groß sind. So zeichnet sich Brands Hatch durch einen extrem rauen Asphalt aus, der dem Reifen viel abverlangt und einen hohen Verschleiß hervorruft.

Als genaues Gegenteil präsentiert sich der EuroSpeedway Lausitz, auf dem der Belag sehr glatt ist - hier können die Piloten unzählige Runden ohne spürbaren Verschleiß drehen, tun sich jedoch schwer, den Reifen auf Temperatur zu bringen. Ein Problem, das in Mugello bei Asphalttemperaturen von 60 Grad der Vergangenheit angehörte: Plötzlich waren alle Beschwerden, wonach der Reifen zu lange halte und der Zeitpunkt, an dem der Reifen optimal funktioniert - der Peak - , nicht gut zu erkennen sei, vergessen.

Veranwortlich für die Charakteristik der Dunlop-Pneus ist ihr Aufbau: Der DTM-Rennreifen besteht aus zwei großen Bauteilen - zum einen aus den Festigkeitsträgern, die dem Reifen wie ein Gerüst Stabilität verleihen. "Sie übertragen die Kräfte von der Straße auf die Felge, von dort aus auf das Fahrwerk und letztlich auf das Fahrzeug", erklärt Michael Bellmann. Zum anderen ist es die Lauffläche, die Grip produziert und für den Kontakt zur Fahrbahn zuständig ist.

Komplexer Aufbau

Dabei unterscheidet sie sich nur unwesentlich von einem normalen Straßenreifen: Auch die Lauffläche eines DTM-Reifens besteht aus Gummi, der allerdings mehr Weichmacher und teils einen anderen chemischen Aufbau enthält. So kann der Rennreifen zwar wesentlich mehr Grip aufbauen als sein Serienpendant, reicht jedoch an dessen Lebensdauer nicht annähernd heran. Auch die Festigkeitsträger eines Rennreifens müssen extremeren Bedingungen standhalten. Um die starken Kräfte auszuhalten, die durch das hohe Gripniveau entstehen, ist eine höhere Steifigkeit erforderlich.

Mit nur einer Radmutter kann das Rad beim Boxenstopp befestigt werden, Foto: Dunlop
Mit nur einer Radmutter kann das Rad beim Boxenstopp befestigt werden, Foto: Dunlop

Für die DTM-Saison 2007 entwickelte Dunlop den neuen Einheitsreifen Dunlop SP Sport Maxx. Die Vorderreifen haben eine Größe von 265/660-R18 und auf der Hinterachse kommt die Größe 280/660-R18 zum Einsatz - bei einer Felgengröße von 18 Zoll ist die Lauffläche der Reifen vorne 26,5, hinten 28 Zentimeter breit. Der Hauptunterschied zu den letztjährigen Reifen liegt in der Laufflächenmischung, in der leistungsfähigere Materialien verwendet werden:

"Wir haben eine bessere Mischung entwickelt", erklärt Michael Bellmann, "das bedeutet, dass der Reifen bei gleichen Gripverhältnissen eine bessere Stabilität liefert. Die Fahrer können damit länger auf einem extrem hohen Niveau fahren." Der Reifen baut langsamer ab, verkraftet höhere Temperaturen und erzeugt auch selbst weniger hohe Temperaturen. So vergrößert sich für die Teams der strategische Spielraum, während der Fahrer über eine längere Dinstanz hinweg die Möglichkeit hat, seine Konkurrenten anzugreifen. Eine Entwicklung, die so mancher Pilot nicht nur positiv sieht. "Dadurch tritt meiner Meinung nach das fahrerische Können in den Hintergrund", meint Audi-Pilot Timo Scheider.

Der Setup-Zauber

Ein besonders wichtiger Faktor bei der Setup-Arbeit mit den Reifen ist der Luftdruck, dessen Höhe den Bodendruckwert bestimmt. Bei einem hohen Druck entsteht ein hoher Flächendruck pro Quadratmeter bzw. bei einem niedrigen Luftdruck entsprechend ein niedriger Flächendruck. Über den Luftdruck wird die Stabilität des Reifens bestimmt. Fällt der Reifen ohne Luft in sich zusammen, so kommt es auch bei einem niedrigen Luftdruck zu einer ungleichen Druckverteilung und einer Verformung des Reifens - die Seitenwand knickt bei Lenkmanövern ein. Ein zu hoher Reifen- bzw. Bodendruck hat hingegen erhöhte Reifentemperaturen sowie einen hohen Verschleißt zur Folge. Auch die Präzision des Handlings leidet, da die Struktur des Reifens zu steif wird. Einstellungen am Fahrzeug, wie Radlast und Sturz und die Asphaltbeschaffenheit bestimmen die Höhe des Drucks. So wird auf dem EuroSpeedway Lausitz und auf dem Nürburgring ein hoher Druck gefahren, während die Teams in Mugello und Zandvoort mit einem niedrigen Luftdruck operieren.

Neben der Radlast und der Asphaltbeschaffenheit bestimmt auch der Radsturz, welcher Reifendruck geeignet ist - und verlangt nach streckenspezifischer Setup-Arbeit. Der Sturz beschreibt die Neigung des Reifens zur Fahrbahn, die sich in der DTM zwischen minimal einem Grad und maximal vier Grad bewegt. Beim üblichen negativen Sturz weisen die beiden Räder einer Achse auf der Fahrbahn einen größeren Abstand auf als im oberen Bereich des Radkastens. Wirken auf einen Reifen Seitenkräfte, kommt es zu einer Deformation im Reifen, die so gering wie möglich zu halten ist.

Seit dem Comeback der DTM 2000 stehen den Teams Einheitsreifen zur Verfügung, Foto: Dunlop
Seit dem Comeback der DTM 2000 stehen den Teams Einheitsreifen zur Verfügung, Foto: Dunlop

"Wir richten den Sturz nach der Temperaturverteilung auf der Lauffläche. Wenn man immer geradeaus führe, hätte man auf der Innenschulter eine höhere Temperatur als auf der Außenschulter. Deshalb würde man einen geringeren Sturz wählen", erläutert Bellmann, "das genaue Gegenteil ist ein Ovalkurs, auf dem man nur rechtsherum fährt. Hierbei würden die Teams auf der linken Seite den Sturzwert erhöhen und eventuell auf der rechten Seite sogar einen positiven Sturzwert wählen, um die ständigen Seitenkräfte auszuhalten. In Brands Hatch, wo die Strecke durch die vielen Rechtskurven sehr asymmetrisch ist, fahren die Fahrzeuge auf der linken Seite einen höheren Sturz als rechts."

Wie sich ein Reifen im Laufe einer Runde entwickelt, hängt sehr von der Streckencharakteristik ab. Wie ist die Kurvenfolge, wie die Asphaltbeschaffenheit und wie hoch sind die Kurvengeschwindigkeiten? Auf dem rauen Asphalt von Brands Hatch erreicht der Reifen oft bereits in der ersten Runde der Peak, woraufhin rasch der Leistungsabfall, der Drop folgt - was anders als auf dem reifenschonenden Lausitzring eine perfekte zweite Runde erschwert. Während es auf dem britischen Traditionskurs kaum eine Gerade gibt, auf der sich der Reifen erholen könnte, bleibt den Pneus auf der langen Start-/Ziel-Geraden von Klettwitz genügend Zeit abzukühlen.

Bei der Arbeit mit den Reifen wird in der DTM nichts dem Zufall überlassen. Durch eine detaillierte Datenerfassung stehen Ingenieuren und Technikern auch viele Messwerte zur Verfügung. "Das ermöglicht uns eine sehr genaue Zusammenarbeit mit den Fahrzeug- Ingenieuren", weiß Michael Bellmann, "man weiß genau, in welchem Bereich man sich bewegt. Deshalb können wir den Reifen jederzeit im Griff behalten" Bei der Arbeit wird nichts einfach nur ausprobiert - vorherige Messungen ermöglichen genaueste Leistungsprognosen.