Zwar hat das Zandvoort-Rennen nicht nur für positive Schlagzeilen gesorgt, doch auch in den Niederlanden haben wir ein unterhaltsames Rennen mit vielen attraktiven Zweikämpfen erlebt. Teile flogen, Autos drehten sich - es wurde Action geboten, wie sie der Zuschauer sehen will. Trotz der wenigen Überholmöglichkeiten des Dünenkurses kam es nicht zur befürchteten Prozession. Auch die Kräfteverhältnisse, die sich nach den Trainingssessions ausgeglichener präsentierten als erwartet, trugen zur Spannung bei:

Audi hatte nach der Fünfach-Pole im Qualifying auch im Rennen das schnellere Auto, die Rückstände der Mercedes-Piloten in ihren Rundenzeiten waren allerdings überschaubar. So war es Jamie Green, der auf freier Fahrt zeitweise schnellster Mann des Rennens war. Es war schön zu sehen, dass mit Alexandre Prémat erneut ein Jahreswagenpilot siegfähig war - Paul Di Resta hätte ohne die unglückliche Kollision am Start ebenfalls ganz vorne mitspielen können. So hat sich gezeigt, dass selbst zum jetzigen Zeitpunkt der Saison noch alle Piloten im Feld unabhängig vom Fahrzeugjahrgang Siegpotenzial haben, solange sie perfekte Arbeit leisten.

Zu viel Härte

Mattias Ekström zeigt, wie faires Zweikampfverhalten aussieht, Foto: Sutton
Mattias Ekström zeigt, wie faires Zweikampfverhalten aussieht, Foto: Sutton

Eine perfekte Arbeit, wie sie auch Timo Scheider bis zum Rennen gelang: Er lag in allen drei Trainings ebenso wie im Qualifying vorn. So wurde von ihm erwartet, seine Pole Position endlich in den ersten Sieg umzusetzen - was schon von Beginn an nicht gelingen wollte. Weder sein Start noch seine Rennstrategie war optimal, am Ende sah er sich unter dem Druck, trotz alledem aufs Podest fahren zu müssen - und holte die Brechstange hervor. Bruno Spenglers Ärger über Timo ist vollkommen nachvollziehbar. Ich würde Timo gern hören, wenn ihn auf dem dritten Platz liegend auf diese Art und Weise ein Konkurrent vom Podest verdrängt hätte:

Bruno hat fair seine Linie verteidigt, ohne Schlangenlinien vor Timo zu fahren. Doch dem Gegner drei Mal ins Heck zu fahren, ist zu viel des Guten, wie leider Gottes auch Timo zeigte: Bevor er den Kanadier überholte, ist er ihm ein letztes Mal auf die Ecke gefahren, wodurch Bruno seine Linie verlor und eine Lücke entstand. Nur so konnte sich Timo neben ihn setzen und überholen. Ob Timo schneller war oder nicht, spielt für die Bewertung seiner Manöver keine Rolle: Mattias Ekström war in der Endphase des Mugello-Rennens wesentlich schneller als der Führende Mika Häkkinen, allerdings ließ sich Mattias zu keiner zweifelhaften Aktion hinreißen. Auf Timos Art und Weise hätte auch Mattias an Mika vorbeiziehen können. In Zandvoort zeigte der Schwede ein weiteres Mal, dass es auch anders geht: Er ging nach einem harten, aber sauberen Kampf an Bruno vorbei, ohne ihn vorher anzustoßen.

Das Duell zwischen Tom Kristensen und Bernd Schneider sorgte ebenfalls für Diskussionen, obwohl die Lage eindeutig war: Tom verließ die Boxengasse, fädelte sich ein - und Bernd fuhr ihm in der Tarzankurve zunächst einmal aufs rechte Hinterrad. So überraschte es nicht, dass die beiden ausgangs der Kurve erneut aneinander gerieten: Bernd drückte ihn nach links, Tom hielt dagegen. Jeder Rennfahrer hätte in dieser Situation genauso gehandelt wie Tom. Mit Blick auf das Boxengassenduell zwischen Bruno und Christian Abt ist es durchaus möglich, dass sich Bruno für Christian zunächst im toten Winkel befand und es daher zur ersten Berührung kam. Dass Christian ihm dann jedoch weiterhin keinen Platz ließ und nachdrückte, ist nicht zu rechtfertigen.

Die Frage, ob die Rennleitung in Zandvoort bei der Bewertung kritischer Manöver zu milde vorgegangen ist, ist schwer zu beantworten. Die Rennleitung ist ihrer bisherigen Linie treu geblieben, muss jedoch künftig darauf achten, dass die Zweikämpfe nicht allzu hart werden, weil niemand mehr eine Durchfahrtsstrafe zu befürchten hat. Kleine Berührungen und leichtes Anklopfen sind im Tourenwagensport völlig legitim. Doch die Fahrer dürfen es sich nicht zur Gewohnheit machen, dem Gegner so lange aufs Heck zu fahren, bis der zunächst seine Linie und dann seine Position verliert. So groß die Performance-Unterschiede zwischen zwei Gegnern auch sein mögen: Wenn der Vordermann wie Mika Häkkinen in Mugello keinen Fehler macht, war er nun einmal besser.

Zu viele Funksprüche

Auch Bernd Schneider verhielt sich nicht vorbildlich, Foto: Sutton
Auch Bernd Schneider verhielt sich nicht vorbildlich, Foto: Sutton

Die Stallorder zu Gunsten Mattias' kann ich durchaus verstehen. Einen Meisterschaftsführenden, der durch einen missglückten Boxenstopp zurückgefallen ist, nach vorne bringen zu wollen, ist nachvollziehbar. Dass jedoch Alexandre Prémat zurückbeordert wurde und der Sieg somit an Martin Tomczyk ging, war für den Sport kein Gewinn und schlichtweg zu viel des Guten. So entsteht bei den Fans der Eindruck, dass ohnehin alles abgesprochen ist. Bereits nach dem zweiten Boxenstopp befand sich Alexandre vor Martin, bevor sie ein erstes Mal die Positionen tauschten. Als Martin immer langsamer wurde, ging Alexandre an ihn vorbei. Aus Sicht Audis wäre es zumindest geschickter gewesen, ihn gleich hinter Martin zu lassen, kostete doch das Duell zwischen den beiden allen Vorsprung auf Bruno und Timo. Dass Alexandre und Martin insgesamt drei Mal ihre Positionen tauschten, war zu viel.

Die Brisanz, die das Rennen barg, ist durchaus nicht negativ: Zwischen Bruno und Timo sowie zwischen Bernd und Tom haben sich ganz besondere Freundschaften herausgebildet, die auch in den kommenden Rennen für eine gewisse Würze sorgen werden...