Die Zukunft der DTM unter der neuen Führung durch den ADAC steht fest. Bei einer Pressekonferenz in München haben ADAC-Sportpräsident Dr. Gerd Ennser und ADAC-Motorsportchef Thomas Voss bereits einige Details bekanntgegeben. Motorsport-Magazin.com war vor Ort dabei und verschafft einen Überblick zu den aktuell wichtigsten Fragen und Antworten.

1. - Was passiert 2023 mit der DTM?

Im Grundsatz ändert sich wenig im Vergleich zu den vergangenen beiden DTM-Jahren unter dem GT3-Reglement. Der ADAC führt das 'Ein Fahrer pro Auto'-Konzept fort und hält auch an den Performance-Boxenstopps ohne Mindeststandzeit fest. Die zwei Rennen pro Wochenende sollen über je rund eine Stunde laufen.

2. - Wie viele Autos gehen 2023 in der DTM an den Start?

Das steht noch nicht fest. Wichtig war zunächst, nach der Übernahme der Markenrechte an der DTM - nicht aber an der ITR GmbH - innerhalb kürzester Zeit ein Konzept für die Zukunft und einen Rennkalender zu präsentieren. Das ist dem ADAC mit Bravour gelungen, meinen viele Szene-Kenner. Der ADAC peilt ein Starterfeld zwischen 24 und 28 Autos für die DTM an. "Wir wollen es nicht überfrachten", sagte ADAC-Motorsportchef Thomas Voss. "Wir haben gesehen, was passieren kann, wenn zu viele Autos am Start sind." Eine Anspielung auf die zum Teil unfallträchtigen und dadurch enorm kostenintensiven DTM-Rennen wie zuletzt auf dem Norisring oder in Hockenheim.

3. - Was ändert sich bei der DTM unter der ADAC-Führung?

Ein paar bedeutsame Änderungen im Vergleich zu 2022 gibt es: Pirelli ersetzt Michelin als bisherigen Reifenlieferanten. Die Italiener statteten viele Jahre lang das ADAC GT Masters mit ihren Produkten aus. Bei der Ausarbeitung der Balance of Performance ersetzt der langjährige ADAC-Partner SRO (veranstaltet unter anderem die GT World Challenge) das österreichische, aus der Formel 1 bekannte Unternehmen AVL Racetech.

ADAC-Motorsportchef Voss bei der ADAC-Pressekonferenz am Donnerstag in München: "Wir kamen in den vergangenen Jahren sehr gut mit der SRO-BoP klar. Es herrscht Ausgewogenheit zwischen allen Konzepten. Was mir beim Ansehen der DTM ein bisschen missfallen hat - und ich habe mich gewundert, warum die Teams das nicht häufiger an die Öffentlichkeit gebracht haben - waren häufige Änderungen der BoP während eines Rennwochenendes."

4. - Wie geht es 2023 mit dem ADAC GT Masters weiter?

Das erstmals 2007 ausgetragene ADAC GT Masters geht mit einem veränderten Format weiter an den Start. Der neue Name lautet 'DTM Endurance', dahinter steckt ein gemischtes Starterfeld aus GT3-Autos und LMP3-Boliden des Prototype Cup Germany. Das erinnert ein wenig an die Starterfelder bei 24-Stunden-Rennen wie Le Mans (ab 2024 auch mit GT3-Autos). Zwei Fahrer wechseln sich im Auto ab. Die je zwei Rennen pro Rennwochenende sollen rund eine Stunde dauern. Die Rennen werden bei sechs bis sieben noch zu definierenden Veranstaltungen im Rahmenprogramm der DTM ausgetragen und nicht mehr auf einer eigenständigen Plattform.

Welche Fahrer mit welchen Kategorisierungen in der DTM bzw. in der DTM Endurance antreten dürfen, ist noch ein Thema. ADAC-Motorsportchef Voss: "Wir besprechen, dass sich beide Serien deutlicher unterscheiden müssen als vorher. Wir können uns zum Beispiel vorstellen, dass im ADAC GT Masters keine Platin-Fahrer mehr fahren. Die sollten auch auf der DTM-Plattform fahren. Wir besprechen mit den Renn-Teams, welche Kombinationen in Frage kommen."

5. - Verschwindet mit der DTM Endurance der Name 'ADAC GT Masters'?

Laut dem ADAC ist das nicht geplant. Möglicherweise werden die bestplatzierten GT3-Fahrer der DTM Endurance als ADAC GT Masters-Champions bezeichnet, womit der Name erhalten bliebe. Die Meinungen unter Fans und Teams zur Zukunft des ADAC GT Masters gehen auseinander. ADAC-Mann Voss ist sicher: "Ich glaube, dass wir die Attraktivität mit den Prototypen klar gesteigert haben. Das ADAC GT Masters hat sich 16 Jahre lang hochgearbeitet. Wie wir den Namen nutzen, müssen wir noch entscheiden. Es wäre schade, so einen Namen verschwinden zu lassen."

6. - Wie sehen die Rennkalender 2023 aus?

Der Rennkalender für die DTM-Saison 2023 steht jetzt fest: acht Rennwochenenden, sechs davon in Deutschland, dazu der niederländische F1-Kurs Zandvoort und der Red Bull Ring in Österreich.

Die DTM gastiert mit Oschersleben (Saisonauftakt) und dem Sachsenring auf Strecken, auf denen zuletzt nur das ADAC GT Masters fuhr. Die beiden Kurse waren in der Vergangenheit bereits Teil des DTM-Kalenders. Das Saisonfinale steigt traditionell in Hockenheim, auch der Norisring als Saisonhighlight bleibt an Bord. Da sich die Verhandlungen so lange hinzogen und die Teams erst jetzt seriös planen können, beginnt die DTM-Saison Ende Mai 2023. Die DTM Endurance schließt sich bei sechs bis sieben Veranstaltungen im Rahmenprogramm an.

7. - Wo laufen die Rennen 2023 im TV?

Das steht noch nicht fest. Der ADAC sprach lediglich von einem "Premium-TV-Partner". Die Verhandlungen mit den bisherigen Fernseh-Partnern ProSieben (DTM) und RTL-Nitro (ADAC GT Masters) beginnen laut Informationen von Motorsport-Magazin.com in der kommenden Woche. Interessant: Der Porsche Carrera Cup als Rahmenserie hat bereits kommuniziert, dass die Rennen des Markenpokals 2023 weiter live bei RTL-Nitro im Free-TV gezeigt werden.

8. - Wie setzt sich das Rahmenprogramm zusammen?

Fester Bestandteil des DTM-Programms sind neben der neuen DTM Endurance auch die ADAC GT4 Germany, der BMW M2 Racing Cup und der Porsche Carrera Cup Deutschland. Die DTM Trophy, mit der die ITR eine eigene GT4-Rennserie betrieb, wird es nicht mehr geben. Die ADAC TCR Germany bleibt erhalten und könnte künftig abwechselnd bei der DTM sowie im Rahmen der Breitensport-Plattform 'ADAC Racing Weekend' fahren. Die Rahmenserien könnten auf den Plattformen rotieren.

Vor wenigen Tagen hatte der ADAC bereits angekündigt, die ADAC Formel 4 nicht mehr auszuschreiben. Damit hat Deutschland erstmals keine eigene Nachwuchs-Formelserie auf professionell geführtem Niveau. Stattdessen soll erst einmal ein ADAC-Junior-Team mit zwei jungen Fahrern und Unterstützung in der Französischen Formel 4 an den Start gehen. Es gibt Ideen für die Zukunft, speziell den deutschen Formel-Nachwuchs wieder stärker zu fördern.

9. - Warum hat der ADAC die DTM übernommen?

Der höchst Motorsport-erfahrene ADAC-Sportpräsident Dr. Gerd Ennser brachte es bei der ADAC-Pressekonferenz auf den Punkt: "Wir schaffen langfristig Sicherheit für den Spitzensport in Deutschland. Die DTM ist meiner Vorstellung nach Motorsport in Deutschland. Motorsport ohne DTM ist in Deutschland nicht vorstellbar. Das liegt in der Verantwortung des ADAC und wenn sich Gelegenheiten zur Neustrukturierung ergeben, müssen wir die nutzen. Wir haben gesehen, dass es wenig Sinn macht, in Konkurrenz zu treten. Mit diesem Deal können wir die DTM langfristig sichern."

An einer Übernahme der ITR GmbH, seit 1986 die Dachorganisation der DTM, hatte der ADAC kein Interesse. Die ITR wird zum Saisonende aufgelöst. Gerhard Berger zu Motorsport-Magazin.com: "Ob 2023 über- oder unterfinanziert gewesen wäre, kann man jetzt nicht final sagen, da die Sponsorenakquise in der Regel bis zum neuen Saisonbeginn läuft. Was sich aber abgezeichnet hat, ist die Tatsache, dass Sponsoren in unseren Gesprächen nicht mehr bereit waren, eine reine Verbrenner-Plattform zu unterstützen. Nachhaltigkeit war ein klares Muss. Daher haben sie ihre Budgets auch an die DTM Electric geknüpft, was es nicht einfacher machte."

10. - Bleibt Gerhard Berger der DTM erhalten?

Nein. "Ich werde in Zukunft bei der DTM nicht involviert sein", sagte Berger zu Motorsport-Magazin.com. "Das entspricht auch meiner Lebensplanung und meinen persönlichen Zielen. Die Lösung mit dem ADAC ist auch persönlich sehr wertvoll für mich." Gerüchte über ein dauerhaftes Engagement etwa in der Formel 1 wies der Österreicher zurück, das passe nicht zu seiner persönlichen Lebensplanung.

11. - Wie geht es mit der DTM Electric weiter?

Die DTM Electric sollte ab 2024 eine wichtige Säule auf der DTM-Plattform bilden. Insider behaupten, das von der ITR verantwortete Projekt sei schon zu Jahresbeginn auf Eis gelegt worden. Gerhard Berger widersprach auf Nachfrage: "Das Projekt lag nicht auf Eis. Unter den aktuellen Marktgegebenheiten konnte leider kein Investor für das Multi-Millionen-Projekt gefunden werden." Eine kurzfristige Absage des Batterieherstellers Varta habe das Projekt verlangsamt.

Der ADAC zeigte sich grundsätzlich offen für ein Projekt wie die DTM Electric. ADAC-Sportpräsident Dr. Ennser: "Natürlich ist das für uns ein Zukunftsthema und wir werden auch mit den beteiligten Entwicklern reden. Wir würden das unterstützen, wenn es im Rahmen dessen liegt, was wir leisten können. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit legen wir Wert darauf, dass irgendwann eine DTM Electric kommt. Vielleicht nicht als Hauptserie, vielleicht kann man es als Rahmenserie gestalten. Es ist alles offen. Das Thema ist auf dem Tisch und wir werden das intensiv weiterverfolgen. Nur: Wir bauen das Auto nicht. Das muss jemand anders machen."

12. - Seit wann liefen die Gespräche zwischen ADAC und DTM?

Schon vor drei Jahren gab es laut Gerhard Berger konkrete Gespräche mit dem ADAC, die aber keine Einigung brachten. Mit "losen Gesprächen" sei man dieses Jahr laut ADAC am Rande des Norisring-Rennwochenendes Anfang Juli wieder eingestiegen. "Ein sehr konkretes Angebot, die ITR zu übernehmen, gab es vor sieben Wochen", verriet ADAC-Motorsportchef Thomas Voss.

Erst am Freitag, 02. Dezember vermeldete der ADAC schließlich, die Markenrechte an der DTM erworben zu haben und die Serie selbst auszuschreiben. "Bis kurz vor Donnerstag war nicht sicher, ob das funktionieren wird", gab ADAC-Sportpräsident Dr. Ennser einen Hinweis, mit welch heißer Nadel das Projekt gestrickt war. Nur sechs Tage später, am Donnerstag, 08. Dezember konnte der ADAC bereits das Serienkonzept für die Zukunft und einen Rennkalender verkünden.

13. - Spielt Martin Tomczyk auch künftig eine Rolle in der DTM?

Dazu gibt es derzeit keine offiziellen Aussagen seitens des ADAC. Der langjährige DTM-Fahrer und Meister von 2011 beendete Ende vergangenen Jahres seine aktive Karriere, wechselte Anfang 2022 als Serienmanager für die DTM Trophy zur ITR und übernahm schon wenig später die Verantwortung für die DTM-Plattform bei der ITR. Tomczyk vertrat auch Gerhard Berger in dessen Abwesenheit.

Tomczyk erhielt für seine Arbeit viel Lob aus der Szene. Mit fortschreitenden Planungen wird der ADAC sicherlich das Gespräch mit dem 41-jährigen Rosenheimer suchen. Ganz unheikel ist die Sache allerdings nicht, schließlich war Vater Hermann Tomczyk von 1997 bis 2021 Sportpräsident des ADAC.

14. - Welche Rolle spielt der bisherige sportliche Ausrichter der DTM, der ADAC-Konkurrent AvD?

Das könnte ein Fall für die Juristen werden. Der AvD hat einen Vertrag mit der ITR bis einschließlich der Saison 2023 und laut eigenen Aussagen die Personalplanungen für das kommende Jahr bereits abgeschlossen. Unter der neuen Führung werde der AvD als direkter Konkurrent auf dem Automobilklub-Markt bei der DTM künftig keine Rolle spielen, wie der ADAC sehr deutlich machte.

ADAC-Motorsportchef Thomas Voss mit einer süffisanten Spitze auf die Frage, ob der AvD in irgendeiner Form eine Rolle bei der DTM spielen werde: "Die können gerne Tickets kaufen."

Bei der sportlichen Durchführung bestehe aktuell kein Bedarf. ADAC-Sportpräsident Dr. Gerd Ennser schob hinterher: "Uns ist völlig bewusst, dass der momentane Präsident der FIA-GT-Kommission (Lutz Leif Linden, AvD-Generalsekretär; d. Red.) vom AvD kommt. Wir pflegen persönlich ein gutes Verhältnis. Daran wird sich auf der persönlichen Ebene auch nichts ändern. Aber es wird keinen Vertrag geben, dass der AvD formal als Teil der DTM auftritt."

15. - Was kosten die Eintritts-Tickets für die DTM?

Das interessiert die vielen Fans in Deutschland und dem nahe gelegenen Ausland natürlich sehr. Der ADAC bat um Verständnis, dass wegen der Kürze der Zeit zunächst keine konkreten Preise bekanntgegeben werden konnten. Aber: Der Ticket-Vorverkauf soll voraussichtlich vor Weihnachten beginnen.

16. - Könnte die DTM zukünftig auch auf der Nürburgring-Nordschleife fahren?

Gerhard Berger hatte immer wieder mit einer Rückkehr der DTM auf die Nordschleife kokettiert. Zu einer Umsetzung kam es aber auch unter dem GT3-Reglement nicht. Könnte es unter dem ADAC im Rahmen des vom ADAC Nordrhein veranstalteten 'ADAC TotalEnergies 24h Nürburgring' einen neuen Anlauf geben?

ADAC-Motorsportchef Voss: "Man muss über alles nachdenken. GT3-Autos geben das her, die fahren auch beim 24-Stunden-Rennen und in der NLS. Im Gegensatz zu mehrstündigen Rennen wollen wir aber das Nachtanken verhindern. Das ist sehr aufwendig, was die Sicherheit betrifft. Und wir reden über vier, fünf Runden auf der Nordschleife. Ob das einer sehen möchte, ist die große Frage. Themen wie die Länge und die TV-Produktion muss man bedenken. Ich würde es nicht zu 100 Prozent ausschließen. Man muss aber dreimal darüber nachdenken, bevor man diesen Schritt wirklich geht."

17. - Wie widmet sich die DTM künftig der Nachhaltigkeit?

Schon ab 2023 auf mehreren Ebenen. Auf dem Weg zukünftig synthetische Kraftstoffe einzuführen, setzt die DTM als Teil eines neuen Nachhaltigkeitskonzeptes auf einen umweltschonenden Kraftstoff von Shell, der aus 50 Prozent erneuerbaren Komponenten besteht.

Die aus dem ADAC GT Masters bekannte Initiative der 'Bottle Free Zone' sorgt für die Vermeidung von Plastikmüll im Fahrerlager. Für die Teams treffe der ADAC zudem ökonomisch relevante Entscheidungen. Für die Teilnehmer seien signifikante Maßnahmen zur Budgetreduzierung geplant, ohne zunächst näher ins Detail einzugehen.