Während in Folge der aktuellen Saison eine der drei in der DTM engagierten Marken Abschied nehmen wird, hat die DTM einen weiteren Verlust zu beklagen: Mit Laurent Aiello tritt einer der drei Meister der neuen DTM zurück - und hinterlässt viele lebhafte Erinnerungen. Vom kometenhaften Aufstieg des sympathischen Franzosen bis hin zum langsamen Siechtum einer bemerkenswerten DTM-Karriere...

Die Anfänge

Laurent Aiellos Formel-Karriere reichte bis in die F3000, Foto: Sutton
Laurent Aiellos Formel-Karriere reichte bis in die F3000, Foto: Sutton

Den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere im Tourenwagen legt Aiello in diversen Formel-Serien: Nach einem Vizetitel in der französischen Formel-3-B-Meisterschaft 1989 sowie einem fünften Platz in der französischen Formel 3 steigt der Franzose zunächst bis in die internationale Formel 3000 auf, die er allerdings 1991 nur auf Position 15 beenden kann. So bleibt Aiello für das folgende Jahr nur der "Rückschritt" in die französische F3000, in der er die gesammelten Formel-Erfahrungen in den Titelgewinn umsetzen kann.

Erst 1993 steigt der damals 23-Jährige in den Tourenwagen um: Einem erfolgreichen Engagement in der französischen Supertourenwagen-Meisterschaft, die er im Debütjahr mit BMW mit dem Vizetitel und 1994 auf Peugeot mit dem Meisterschaftsgewinn beendet, schließt sich 1996 der Wechsel in die STW an: Auch hier erringt Aiello 1997 gemeinsam mit Peugeot Meisterschaftsehren. Nach einem kurzen Gastspiel in der Britischen Tourenwaren-Meisterschaft lässt sich der in Fontenay-aux-Roses geborene Franzose 2000 auf das Abenteuer Abt-Audi in der neu auflebenden DTM ein - das von Teamseite eher holperig beginnt:

Bewährungsprobe DTM

Das Debütjahr bei Abt-Audi gestaltete sich schwierig, Foto: Sutton
Das Debütjahr bei Abt-Audi gestaltete sich schwierig, Foto: Sutton

So erhält die bayrische Tuning- und Rennmannschaft um Hans-Jürgen Abt von Seiten Audis für die private Entwicklung sowie den Einsatz der DTM-Ableger des Audi TT erst so spät grünes Licht, dass das Team in Zeitnöte gerät; zudem ist der hinsichtlich seiner Abmessungen eigentlich zu kleine TT nur mit Mühe ins DTM-Reglement gezwängt worden: Entsprechend fallen die Ergebnisse aus: Während sich Mercedes und Opel um Siege und Podestplätze duellieren, fährt der TT-R dem Feld fernab der Punkteränge hoffungslos hinterher.

Erst beim siebten Rennwochenende schlägt die erste große Stunde des Laurent Aiello: Begünstigt durch eine Massenkarambolage am Start arbeitet sich der passionierte Jetski-Fahrer auf Rang fünf vor und sorgt so für den ersten nennenswerten Erfolg der Allgäuer. Auch wenn 14 Tage später auf dem Nürburgring weitere Punkte folgen und sich Aiello deutlich als stärkster Pilot des Fahrerkaders herausgestellt hat - ebenso wie sein Team hat der langjährige Peugeot-Pilot ein hartes und mühsames Lehrjahr durchgestanden, dessen Anstrengungen mit einem 16. Rang in der Gesamtwertung kaum belohnt werden.

Der Aufstieg

Nürburgring 2001 - der erste Sieg, Foto: Sutton
Nürburgring 2001 - der erste Sieg, Foto: Sutton

Ist es 2000 noch ein Le-Mans-Sieg im Audi R8, der Aiello für eine enttäuschende Debütsaison in der DTM entschädigt, so sind nun auch im Tourenwagen erste Erfolge zu verbuchen: Nachdem man Abt auf Grund der unglücklichen Abmessungen des TT-R von offizieller Seite Zugeständnisse bei der Umsetzung des technischen Reglements gemacht hat und das Team die Lehren der ersten Saison umzusetzen vermag, steht Laurent Aiello endlich eine annehmbare technische Basis zur Verfügung - die er bereits beim zweiten Saisonlauf voll ausschöpft:

Einer Pole Position und dem Sieg beim Qualifikationsrennen folgt im Schatten der Nürburg der erste Sieg; bemerkenswerterweise vor Titelverteidiger Bernd Schneider. Die erste DTM-Siegtrophäe in den Händen Aiellos sollte für den Franzosen kein Unikat bleiben - auch beim zweiten Nürburgring-Gastspiel der DTM-Saison 2001 besteigt Aiello die höchste Stufe des Podiums, nachdem er drei Runden vor Schluss Mercedes-Pilot Uwe Alzen die sicher geglaubte Führung streitig gemacht hat. Zwar erfüllt sich der zwischenzeitlich aufgekommene Traum von der Vizemeisterschaft nicht - dennoch hat sich Aiello, an dessen Ergebnisse die Teamkollegen nicht ansatzweise heranreichen, in seiner zweiten DTM-Saison nicht nur teamintern großen Respekt erarbeitet. Der 1,68 kleine Franzose startet mit Rückenwind in die Saison 2002…

Glanzvoller Höhepunkt

Der steile Aufwärtstrend von 2001 sollte sich fortsetzen, Foto: Sutton
Der steile Aufwärtstrend von 2001 sollte sich fortsetzen, Foto: Sutton

So beginnt die neue Saison mit einem Paukenschlag: Während sich die hoch gehandelten Mercedes CLK eher enttäuschend präsentieren, offenbaren die Abt-Audi TT-R ungeahnte Stärke: Ausgerechnet das Eröffnungsrennen auf der "Mercedes-Strecke" Hockenheimring endet mit einem überlegenen Doppelsieg für Laurent Aiello, den Teamkollege Mattias Ekström auf Platz zwei abrundet. Zwei Wochen später im belgischen Zolder bietet sich das gleiche Bild: Erneut siegt Aiello - diesmal in Anbetracht von Regenfällen unter erschwerten Bedingungen - souverän. Kann DTM-Debütant und Mercedes-Pilot Jean Alesi die Siegesserie seines Landsmannes in Donington kurz unterbrechen, so folgen auf dem Sachsenring sowie auf dem Norisring, wo Aiello den seitens Bernd Schneiders offenbar allzu sicher geglaubten Sieg noch in der letzten Runde an sich reißt, weitere Triumphe.

Nach einer nahezu dominanten ersten Saisonhälfte scheint Aiello kaum noch jemand den ersten DTM-Titel streitig machen zu können - doch die Performance der Mercedes CLK steigert sich. Allen Widrigkeiten zum Trotz, unter anderem ein mehr als chaotisches Rennen auf dem A1-Ring in Österreich sowie der im Nachhinein erwiesenermaßen falschen Beschuldigung, im Zandvoort-Qualifying irregulären Kraftstoff verwendet zu haben, kann sich Laurent Aiello ein Rennen vor Saisonende den Titel sichern - regelmäßigen Punkte- und Podestplatzierungen sei dank. Spätestens jetzt hat Aiello seinen Platz in der DTM-Geschichte sicher, ist ihm doch das nahezu unmöglich Erscheinende gelungen: Im Abt-Team mit seinen bescheidenen finanziellen Möglichkeiten hat sich der Franzose gegen die werksunterstützte Konkurrenz durchgesetzt. Sowohl der Rennspeed als auch die Konstanz Laurent Aiellos sind mittlerweile gefürchtet.

Abschied von Abt

Die beiden Opel-Jahre verliefen eher enttäuschend, Foto: Sutton
Die beiden Opel-Jahre verliefen eher enttäuschend, Foto: Sutton

Doch ging es in der bisherigen DTM-Karriere des heutigen Wahl-Parisers bislang stets bergauf, so wird 2003 der lange Weg zum Abschied des sympathischen Hobby-Musikers eingeläutet: Zwar gelingen Aiello zu Beginn der Saison noch regelmäßige Podestplatzierungen; auch den einzigen Abt-Audi-Sieg in einer von Mercedes klar dominierten Saison steuert der amtierende Meister - wieder einmal auf dem Nürburgring - bei. Und während Abt bei der Performance des TT-R zeitweise zu stagnieren scheint und mit Teamkollege Mattias Ekström nach Jahren der teaminternen Dominanz ein ernst zu nehmender Rivale heranwächst, der seinen erfahreneren Kollegen in der Gesamtwertung schließlich überbietet, nagen an Aiello erste Motivationsprobleme: Der Familienvater spielt mit dem Gedanken des Rücktritts - und verwirft ihn schließlich wieder:

Stattdessen entscheidet er sich für 2004 für eine neue Herausforderung bei Opel: Nach drei Jahren äußerst magerer Ergebnisse möchten die Rüsselsheimer mit dem neuen Opel Vectra GTS zurück zur Performance der Saison 2000 und können so auch hochkarätige Piloten für das Unterzeichnen eines Opel-Vertrags gewinnen: Neben Aiello stoßen auch Ex-Mercedes-Pilot Marcel Fässler sowie Heinz-Harald Frentzen, der seine Formel-1-Karriere soeben beendet hat, zu den Hessen. Doch sowohl für Opel als auch für Aiello verläuft die Saison enttäuschend:

Rückzug auf Raten

Laurent Aiello nimmt Abschied, Foto: Sutton
Laurent Aiello nimmt Abschied, Foto: Sutton

Während sich der Vectra GTS V8 nicht konkurrenzfähiger präsentiert als sein eher erfolgloser Vorgänger Astra Coupé, braucht sich der mittlerweile siebenfache DTM-Rennsieger zwar nicht vor seinen Teamkollegen zu verstecken; allerdings gelingt es ihm ebenso wenig, sich gegen seine Markengefährten in Szene zu setzen. Ein vierter Platz auf dem EuroSpeedway Lausitz bleibt Aiellos bestes Ergebnis der Saison. Die Saison 2004 bestätigt für Aiello einen 2003 begonnenen Abwärtstrend - dem er sich 2005 ein letztes Mal entgegenstellen will.

Doch auch dieser Versuch will nicht gelingen: Erneut zeigt sich die Performance des Vectra GTS enttäuschend; wieder präsentiert sich Aiello zwar von fahrerischer Seite konkurrenzfähig, ist jedoch weit davon entfernt, seine Markenkollegen - wie in Abt-Zeiten - in die Schranken zu weisen. Damit ist der Motivation des zweifachen Le-Mans-Siegers nicht geholfen: An einem verregneten Qualifying-Samstag auf dem EuroSpeedway gibt Laurent Aiello seinen Rückzug aus dem Motorsport bekannt - und zeigt sich einen Tag später noch einmal von seiner besten Seite. Von Startplatz neun aus kämpft sich der 36-Jährige an die Spitze, schließt zu seinen Markenkollegen Frentzen und Manuel Reuter auf und fährt mit Platz vier schließlich das beste Opel-Ergebnis ein. Ebenso wie Opel, deren DTM-Boliden sich plötzlich überraschend stark präsentieren, hat Laurent Aiello eine würdige Zeit des Abschieds eingeläutet.