Zwei Rennen pro Wochenende, einmal als 40-Minuten-Sprint ohne Boxenstopp, einmal über 60 Minuten mit Pflichtstopp. Dazu je ein eigenes Qualifying, möglichst knackig - nur 20 Minuten bleiben den Piloten für die Zeitenjagd um die Pole Position. Mit diesem neuen Konzept will die DTM 2015 die Zuschauer begeistern und Fans (zurück)gewinnen.

Das erste Rennwochenende der Saison liegt inzwischen hinter der Tourenwagenserie. Auf dem Hockenheimring musste sich das neue Format erstmals bewähren. Motorsport-Magazin.com zieht anhand von Fahrer- und Teamchef-Stimmen eine erste Zwischenbilanz.

"Bäng, Bäng, Bäng! Das Qualifying war sehr aufregend, viel spannender und intensiver. Das war viel besser als eine Stunde lang Session eins, Session zwei, Session drei und dann den Shootout zu haben. Es ist viel besser für den Zuschauer, wenn es knallt", bewertet Jens Marquardt das neue Zeittraining. Audi-Kollege Dieter Gass stimmt zu- "Vom Spektakel her fand ich es sehr gut. Sportlich hat die DTM ein tolles Wochenende abgeliefert. Die Qualifying-Sessions mit den 20 Minuten gefallen mir sehr gut. Man hat da immer einen tollen Showdown am Ende", sagt Gass.

Kämpfe auf der letzten Rille faszinierten viele Zuschauer, Foto: DTM
Kämpfe auf der letzten Rille faszinierten viele Zuschauer, Foto: DTM

Hartes Racing und Action auch im Sprintrennen

"Auch die zwei Rennen pro Wochenende sind gut. Dass man dazu wirklich zwei Qualifyings hat - eines pro Rennen - und im zweiten Lauf nicht die Startaufstellung nach Zieleinlauf des ersten Rennens wählt, ist gut. Das würde uns einige Spannung nehmen", ergänzt Gass. "Es ist fantastisch, dass wir zwei Rennen fahren", fügt Mattias Ekström, Sieger am Sonntag, hinzu.

BMW-Teamchef Jens Marquardt gefiel unterdessen das Sprintrennen am Samstag besonders gut: "Es war echt spannend, es gab viele Überholmanöver. Ich hoffe, die Zuschauer haben alles verstanden und waren genauso begeistert wie wir!" Timo Glock hegt da keinen Zweifel: "Beide Rennen waren vom Format her sehr, sehr gut für die Fans, einfach zu verstehen", sagt der BMW-Fahrer zu Motorsport-Magazin.com.

Zuvor hatten Skeptiker befürchtet, die Teams könnten ihre Fahrer allzu sehr anhalten die Boliden im Sprintrennen zu schonen, um einen Einsatz im zweiten Rennen am Sonntag nicht zu gefährden. Diese Vermutung führte der Samstag in Hockenheim ad absurdum. Mit harten Bandagen - wie eh und je in der DTM - kämpften die Piloten um jeden Millimeter auf der Strecke. "Du musst es auch in diesem Rennen probieren, sonst gehen dir irgendwann die Chancen aus. Außerdem sind es hier immernoch Tourenwagen und keine Open-Wheeler, wo es heißt 'Berühr' mich ja nicht'", kommentiert Marquardt das actionreiche Geschehen.

Sonntag-Sieger Mattias Ekström findet das neue Format fantastisch, Foto: DTM
Sonntag-Sieger Mattias Ekström findet das neue Format fantastisch, Foto: DTM

Fahrer jubeln: mehr Fahrzeit, grandiose Show!

Sein Pendant auf Seiten von Mercedes, Ulrich Fritz, ergänzt zum Samstagsrennen: "Mit dem neuen Rennformat ist klar, dass es da nur einen Weg am Gegner vorbei gibt." Insgesamt sei das Wochenende nur so an ihm vorbeigeflogen. "Es ist extrem schnell vorbeigegangen. Ich glaube, es ist ein wichtiger Schritt vorwärts für die DTM. Natürlich hat auch das Wetter mitgeholfen. Aber das Format ist schon sehr vielversprechend", lobt Fritz.

Die Fahrer können da nur beipflichten. "Ich glaube nach wie vor, dass das Format gut ist", sagt Audis Timo Scheider. "Es hat Spaß gemacht. Da war viel Action in den Rennen. Wir Fahrer haben wesentlich mehr Fahrzeit: zwei Qualifyings, zwei Rennen. Alles in allem war es ein sehr positives Wochenende und für Zuschauer eine grandiose Show", ergänzt der amtierende Meister Marco Wittmann. "Ich bin sehr zufrieden mit dem neuen Format. Aus Fahrersicht ist es gut. Du fährst mehr und machst wenig Pause. Das macht Spaß. Wenn du Sonntagmorgen vor dem Rennen noch ein Qualifying hast, stehst du gerne auf und freust dich richtig darauf", stimmt Bruno Spengler im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com zu.

Bruno Spengler lobt viel engere Zweikämpfe dank technischer Neuheiten, Foto: BMW AG
Bruno Spengler lobt viel engere Zweikämpfe dank technischer Neuheiten, Foto: BMW AG

Enge Zweikämpfe durch DRS und Einheitsreifen

Der kanadische Routinier in BMW-Diensten spricht zudem noch einen ganz anderen Faktor an, der für mehr Spannung sorge. "Ein großer Unterschied [zum alten Format] ist, dass alle den gleichen Reifen haben und dreimal das DRS nutzen dürfen. So sind alle relativ gleich schnell. Deshalb sind die Zweikämpfe besser als in der Vergangenheit", sagt Spengler. Markenkollege Martin Tomczyk sieht ebenfalls nicht nur für die Zuschauer einen Gewinn. "Das neue Format ist gut. Es ist auch für die Fahrer eine Bereicherung. Es hat sich hier gezeigt, dass das der richtige Weg für die DTM war. Das war ein guter Vorgeschmack für die nächsten acht Veranstaltungen", sagt Tomczyk.

Weniger begeistert gibt sich Mike Rockenfeller. Der Audi-Pilot liefert dafür allerdings sogleich einen trifigen Grund. "Wenn ich gewonnen hätte, hätte ich bestimmt gesagt, es ist ein Mega-Format. Also liegt das für uns Fahrer auch immer ein bisschen am Ergebnis. Aber neutral betrachtet ist das Format okay. Die Rennen waren gut, aber die Bedingungen haben geholfen. Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, ist das Quali entscheidend. Das habe ich schon vor der Saison gesagt und das hat sich, glaube ich, hier bestätigt. Generell ist es aber ein gutes Format zwei Rennen und zwei Qualifyings zu fahren", sagt Rockenfeller.

Nicht nur Mercedes-Rookie Max Götz klagte über ein stressiges Programm, Foto: Mercedes-Benz
Nicht nur Mercedes-Rookie Max Götz klagte über ein stressiges Programm, Foto: Mercedes-Benz

Chaos & Stress: Termindruck, Aktionen, Rennen

Was dem Audi-Fahrer nicht gefiel: der enorme Stressfaktor. "Es war anstrengend, weil wir ja noch Termine zwischendurch haben. Du hetzt von einem Termin zum anderen, das Wochenende geht unheimlich schnell rum", sagt Rockenfeller. Eine Kritik, die ein Großteil seiner Kollegen teilt. Audi-Chef Dieter Gass: "Es waren stressige Tage für uns alle. Jeder musste frühzeitig fertig werden. Eine Session folgte auf die andere. Das Auto musste immer wieder fertig sein. Da war keine Zeit für irgendwas. Vorbereitung war kaum möglich. Im Strategie-Meeting zwischen Qualifying und Rennen kann man nicht noch groß Simulationen laufen lassen. Das ist eine riesige Herausforderung für die ganze Mannschaft."

Mercedes-Chef Ulrich Fritz bestätigt: "Das Wochenende war extrem vollgepackt mit Aktionen und Renngeschehen." Sein Rookie Maximilian Götz spricht ebenfalls von einer großen Herausforderung. "Es ist sehr getaktet, alles geht Schlag auf Schlag. Da muss man sich im Kopf freimachen", sagt der Neueinsteiger in die DTM. Doch auch den arrivierten Piloten erging es ähnlich. "Ja, definitiv", sagt Martin Tomczyk. "Die Zeiten sind extrem eng und es ist alles extrem durchgetaktet."

Das bestätigt Marco Wittmann. "Die Zeit zwischen den Session ist wesentlich geringer geworden. Der Stress nicht daher zu", sagt der Meister des Vorjahres. Mercedes' Robert Wickens sah sogar das Chaos ausbrechen. "Es ist ein großartiges Format, aber war etwas chaotisch. Als Fahrer hatte ich das Gefühl, ich hätte mich außerhalb des Rennwagens kein einziges Mal hingesetzt, ständig bin ich herumgelaufen, habe alles gemacht - von Meetings bis Autogrammstunden. Dann Qualifying, dann wieder Meeting. Es ist verrückt. Wenn wir mal besser im Rhythmus sind, wird es für den Rest der Saison bestimmt okay sein. Hier war es komplett neu für alle", sagt Wickens.

Jens Marquardt fordet einen Feinschliff an Reglement und Zeitplan, Foto: BMW AG
Jens Marquardt fordet einen Feinschliff an Reglement und Zeitplan, Foto: BMW AG

Jens Marquardt sieht das ähnlich. Der BMW-Teamchef fordert deshalb Feinjustierungen an Reglement und Zeitplan, nachdem die enge Taktung es seinem Team am Samstag unmöglich gemacht hatte, ein Problem am Auto von Augusto Farfus zu untersuchen. "Das Auto war bis fünf Minuten vor Schließen der Boxengasse im Parc Fermé. Wir hatten absolut keine Chance Daten auszulesen oder irgendwas zu analysieren. Wir sind im kompletten Blindflug ins Rennen gegangen, haben einfach nur Kraftstoff ins Auto geheizt und sind rausgefahren. Wir wussten gar nicht, ob wir jetzt ein technisches, elektrisches oder mechanisches Problem hatten. Das macht nicht viel Sinn. Wäre das System nicht in Ordnung gewesen und der Motor wäre am Start ausgegangen, dann wäre das vielleicht ein sicherheitskritisches Thema geworden", kritisiert Marquardt.

Marquardt fordert Verbesserungen

"Das sind Sachen, die muss man sich nochmal anschauen. Das ist von den Abläufen noch nicht ganz sinnvoll im Moment, das ist viel zu wenig Zeit. Aber das Format ist eben neu. Da müssen wir eben schauen, ob wir gewissen Anpassungen vornehmen müssen. Aber das zeichnet die DTM auch aus: da setzt man sich mal in Ruhe zusammen. Sowas merkt man eben erst, wenn man es das erste Mal macht. Es ist ein Lernprozess", sagt Marquardt.

Nichtdestotrotz fällt das Fazit insgesamt positiv aus. "Alle Formatänderungen haben das gehalten, was wir uns davon versprochen haben. Wir hatten tolle Qualifyings, die richtig knackig waren. Wir hatten zwei super interessante Rennen, unterschiedlich vom Charakter. Wir haben tollen Sport auf der Strecke gesehen. Jetzt muss man einfach schauen, was die Zuschauer dazu sagen. Ich habe das, was ich am Schirm gesehen habe, als tollen, interessanten, unterhaltenden Rennsport empfunden. Ich denke, darauf kann man sehr gut aufbauen", schließt Marquardt.