In Sachen Strategie bot der Nürburgring zwar weniger extreme Ausuferungen als die bisherigen reinen Trockenrennen, dafür aber waren bei kleinen Änderungen die Auswirkungen groß. Diesmal ging nicht um Standard- und Optionsreifen, sondern um Trocken- oder Regenreifen. "Heute war es mit der langen Zeit auf den Regenreifen ein bisschen einfacher, dem Rennen zu folgen", fasste Jens Marquardt zusammen. Das bedeutet aber nicht, dass es keinerlei strategische Variationen gegeben hätte. Jeder der drei Hersteller versuchte, durch unterschiedliche Strategien bei verschiedenen Fahrern für alle Fälle gewappnet zu sein - freiwillig oder aus der Not heraus.

Lust und Frust erlebte dabei Mercedes. Während Wickens und Vietoris dem Mainstream-Kalkül folgten - nach dem Safety Car für Regenreifen rein und später auf Slicks - ging bei Paffett und Merhi alles in die Hose. "Wir haben etwas mit Gary probiert, was aber nicht funktioniert hat", musste Toto Wolff zugeben. Allerdings will er niemandem einen Vorwurf machen: "Es war sehr hart zu Beginn mit dem Regen, die Strategie richtig hinzubekommen und keine Fehler zu machen. Bei so etwas können schnell Fehler passieren, und dann sieht man nicht gut aus. In solchen Rennen bekommt man es nie perfekt hin mit der Strategie."

Zusätzlich sei die Strategie auch dadurch zunichte gemacht worden, dass einige Gegner der anderen Marken ihre Topfahrer "gebanked" hätten, sagte der Mercedes-Sportchef, der aber keinem damit einem Vorwurf machen will. "Darum geht es halt im Rennsport." Seine Teams griffen ebenfalls auf eine solche Strategie zurück, als Pascal Wehrlein den strauchelnden Gary Paffett nach hinten abschirmen sollte. Damit ging aber das Rennen von Wehrlein den Bach hinunter. "Es ist ein bisschen schade, dass wir bei ihm nicht das beste Rennen gesehen haben, er war durch Strategie kompromittiert", kommentierte Wolff diplomatisch.

Rockenfeller dank Kniff in die Punkte

Bei Spengler stimmte zwar die Strategie, doch sein Auto löste sich auf, Foto: RACE-PRESS
Bei Spengler stimmte zwar die Strategie, doch sein Auto löste sich auf, Foto: RACE-PRESS

Audi hingegen hat den Topmann über die Strategie aus der Not heraus weit nach vorne gebracht. "Heute muss ich mich ganz besonders bei meinen Jungs bedanken: Dieser vierte Platz geht voll auf das Team Phoenix", sagte Mike Rockenfeller. Er war nach der Kollision mit Joey Hand ans Ende des Feldes geraten und machte einen Zusatzboxenstopp, um früh auf Regenreifen zu wechseln, während sich die Gegner auf Slicks in Boxengassenfenster schwammen. Dieter Gass freute sich über den Coup: "Die Strategie, auf drei Boxenstopps zu setzen und während der Safety-Car-Phase auf Regenreifen zu wechseln, ging auf und wurde am Ende belohnt."

Alle Audi RS5 DTM waren auf einer Trockenabstimmung unterwegs, ließ Gass durchblicken: "Im Qualifying Kompromisse einzugehen wegen 50- bis 70-prozentiger Regenwahrscheinlichkeit und strahlendem Sonnenschein wäre einfach zu weit gegangen", sagte der DTM-Verantwortliche bei Audi im Hinblick auf das bereits vor dem Qualifying festzulegende Setup des Fahrzeugs. "Ich denke, dass man mit den Bedingungen arbeiten sollte, die aktuell sind, statt clever sein zu wollen und zu antizipieren, was sein könnte." Audi ließ übrigens Miguel Molina eine Runde länger auf Trockenreifen in der Anfangsphase draußen, was aber erstaunlicherweise keinen wirklichen Nachteil darstellte.

Bei BMW wurde jeweils ein Pilot beim Wechsel vom einen Reifentyp auf den anderen als Versuchskaninchen ausgewählt. Zu Beginn war dies Marco Wittmann. "Wir haben die Strategie bei Augusto [Farfus] und Marco gesplittet", sagte Jens Marquardt. "Marco blieb ein bisschen länger auf Slicks draußen, um zu sehen, ob die Bedingungen besser werden." Das sollte jedoch schiefgehen, Wittmann rodelte ohne jeglichen Grip geradeaus, kämpfte sich aber zurück auf P7. Wenig später setzte BMW Timo Glock früh auf Slicks, wodurch der ehemalige Formel-1-Pilot zurückfiel. Dafür wurde bei Augusto Farfus alles richtig gemacht, der die Kastanien für BMW aus dem Feuer holte.