Gautier de Hauteclocque sieht nicht aus, wie der typische Motorradpilot. Mit seiner etwas schlaksigen Figur, den Geheimratsecken und der Brille würde man ihn eher für einen Philosophieprofessor halten. Und in der Tat unterscheidet er sich in vielerlei Hinsicht von Fahrern wie Marc Coma, dem Vorjahressieger bei den Zweirädern. Anstelle einer modernen, wassergekühlten Hightech-Maschine fährt er eine alte XR400 mit Luftkühlung – das älteste Motorrad im Feld. Auch einen eigenen Mechaniker hat er nicht. Stolz erzählt er, dass er mit einem der kleinsten Budgets von allen Dakar erreichen will. "Alles in allem 25.000 Euro: Für mein Motorrad, die Hotels in Europa, die Teilnahmegebühren und den Stellplatz."

Es liegen Welten zwischen 25.000 Euro und den Millionenetats der großen Werksteams, allen voran VW und Mitsubishi, aber auch der Motorradschmiede KTM. Ausgestattet mit jedem technischen Know-How versuchen sie, es ihren Fahrern so angenehm zu machen, wie es in der afrikanischen Wüste eben möglich ist, damit diese sich voll aufs Siegen konzentrieren können. So ergibt sich beim Blick auf die Ergebnislisten das erwartete Bild. Bei den Motorrädern machen die KTM-Fahrer den Sieg unter sich aus, während Mitsubishi-Fahrer Peterhansel die Gesamtwertung bei den Autos souverän anführt. Die Volkswagen-Piloten holen sich dafür Etappensieg um Etappensieg.

Als Privatfahrerin muss Jutta Kleinschmidt häufiger selbst Hand anlegen., Foto: X-Raid
Als Privatfahrerin muss Jutta Kleinschmidt häufiger selbst Hand anlegen., Foto: X-Raid

Was es heißt, nicht mehr in einem Werksteam zu fahren, muss auch Jutta Kleinschmidt dieses Jahr spüren. Im Sommer verließ die Ex-Dakar-Gewinnerin VW im Unfrieden und kehrte zurück zur Privatschmiede von Sven Quandt, BMW-X-Raid. Quandt operiert mit einem Zehntel des Etats, den die Wolfsburger zur Verfügung haben. Zwar kümmern sich auch hier Mechaniker darum, das Auto zwischen den Etappen wieder auf Vordermann zu bringen, aber eben nur zwei statt vier, wie bei Volkswagen. Für Kleinschmidt bedeutet dies aber auch eine Rückkehr dahin, wo für sie sowieso der ursprüngliche Reiz der Dakar liege: "Zu Aufopferung und Entbehrung, zu Teamgeist und zum Abenteuer." Dies hatte ihr bei VW zuletzt gefehlt. Und es ist ja nicht so, als würden die BMW X3 abgeschlagen hinterherfahren. Einen Etappensieg durch Nasser Al Attyah konnte man bereits verbuchen und auch ein Platz auf dem Podium ist in Reichweite. Erfolge, die mindestens genauso viel wert sind, wie die von den großen Automobilherstellern.

Auch Robby Gorden mit seinem von ihm zusammen gestellten Dakar Team USA konnte schon eine Etappe gewinnen ebenso wie Jean-Louis Schlesser. Und dass man mit einer privaten Mannschaft auch im Gesamtklassement die Nase vorn haben kann, hat Schlesser sogar schon zweimal bewiesen. Sowohl 1999 als auch 2000 setzte sich der Franzose in seinem von ihm selbst gebauten Buggy die Dakar-Krone auf. Dies sind allerdings die letzten beiden großen Erfolge eines Privatfahrers.

Von Siegen wagen die meisten der Teilnehmer nicht einmal zu träumen. 80% der Starter sind reine Amateure, die das Fieber gepackt hat, bei der Wüstenrallye dabei zu sein. Für sie geht es häufig nur darum, irgendwie innerhalb des Zeitlimits den nächsten Checkpoint zu erreichen, um nicht frühzeitig das große Ziel begraben zu müssen: Durchkommen bis Dakar. Viele basteln in Eigenregie das ganze Jahr über an ihren Geländewagen oder Motorrädern herum, nur um sie für die Dakar einigermaßen wüstentauglich zu machen. Dann stecken sie nachts stundenlang in der mauretanischen Wüste fest, ohne Aussicht auf Hilfe. Sie geben der Dakar einen großen Teil ihres Mythos. Sie sind die wahren Helden der Rallye.

So gemütlich wie bei VW, haben es die wenigsten Teilnehmer während der Dakar, Foto: VW-Motorsport
So gemütlich wie bei VW, haben es die wenigsten Teilnehmer während der Dakar, Foto: VW-Motorsport

Und manche von ihnen sind über die Jahre selbst zu kleinen Legenden innerhalb des Starterfeldes geworden. Zum Beispiel der spanische Motorradfahrer Antonio Ramos, dem der Ruf nacheilt, immer zur Stelle zu sein, wenn andere in Probleme geraten. Ein Ruf der sich sogar, bis zu KTM Repsol Chef Jordi Arcarons herumgesprochen hat. So wurde Ramos für die letzten Etappen kurzerhand als Wasserträger für Titelverteidiger Marc Coma verpflichtet, nachdem dessen Teamkollegen der Reihe nach ausgeschieden waren. Genützt hat es Coma allerdings nichts. Auf der gestrigen Etappe stürzte auch der in der Gesamtwertung uneinholbar führende Spanier und musste aufgeben.

Denn egal ob Werks- oder Privatfahrer, vor üblen Stürzen ist bei dem gefährlichsten Rennen der Welt niemand gefeit. Und so bringt Gautier de Hauteclocque, der vermeintliche Philosophie-Professor, das Gefühl auf den Punkt, das er mit jedem anderen Teilnehmer teilt. "Es ist mir egal, wie weit ich zurückliege, wie wenig ich schlafe oder wie lange ich in den Dünen festsitze. Das einzige, wovor ich wirklich Angst habe, ist ein Sturz oder ein Unfall. Das sind die einzigen beiden Sachen, die mich davon abhalten können, mein Ziel zu erreichen."