Die Wartezeit lag bei etwa einer halben Stunde. So lange hieß es Schlange stehen, wenn man den Star der Internationalen Automobilausstellung 1961 in Frankfurt aus nächster Nähe sehen wollte. Oder gar besitzen, wenn es auch höchstens nur für eine bedrängte Minute war. "Alles was irgendwie auf dem weitläufigen Ausstellungsareal zu tun hatte, fühlte sich hingezogen zu dem Stand der Bayerischen Motoren Werke," beobachteten die Reporter einer großen deutschen Illustrierten, "genauer gesagt: Zu dem neuen BMW-Mittelklassewagen, der bis dahin geheime Werkssache war und nun auf dem BMW-Stand zum ersten Male besichtigt werden durfte."

Der BMW 1500 feierte Weltpremiere

Der BMW 1500 bei der Premiere 1961, Foto: BMW AG
Der BMW 1500 bei der Premiere 1961, Foto: BMW AG

In jungfräulichem Schneeweiß drehte sich einer der beiden Prototypen des neuen Mittelklasseautos aus München auf einem umzäunten Podest, ein paar Meter weiter stand der Zwilling zum Anfassen und Probesitzen. Wer einen Zuschauerplatz vor der kniehohen Absperrung ergatterte, konnte den Viertürer bei seinen Pirouetten bewundern. Im Telegrammstil informierte eine flache Tafel unter der vorderen Stoßstange über die Kenndaten modernster Technik: 4 Zylinder in Reihe, 75 PS bei 5500 U/min, 5 mal gelagerte Kurbelwelle, Oben liegende Nockenwelle, Federbeinachse vorn, schrägstehende Längslenker hinten, Scheibenbremse vorn, Höchstgeschwindigkeit 150 km/h, Gewicht (getankt) ca. 950 kg. Selbst das nebenan erstmals der Weltöffentlichkeit präsentierte, überaus elegante Achtzylinder-Coupé 3200 CS hatte dieser magischen Anziehungskraft des neuen Modells nichts entgegenzusetzen.

Im Handumdrehen avancierte der neue BMW nicht nur zum absoluten "Mittelklasse-Traumwagen" der rund 950.000 Besucher, die diese 40. IAA als neuen Rekordwert zählte und damit den Durchbruch zur Massenmotorisierung feierte. Auch die Fachwelt attestierte dem Debütanten beste Zukunftschancen.

Augenweide der Limousinenschau

Der BMW 1500 macht Werbung, Foto: BMW AG
Der BMW 1500 macht Werbung, Foto: BMW AG

"Der BMW 1500 hat tatsächlich einiges zu bieten, was ihn aus der Masse der 1,5 Liter-Wagen heraushebt und ihm jenen Hauch von technischer Exklusivität verleiht, der für viele Leute mit den drei Buchstaben BMW verbunden ist", schrieb Deutschlands führendes Automagazin. Gleichzeitig bestach der Viertürer auch durch seine schnörkellos-moderne Linienführung: "Er ist die Augenweide der Limousinenschau. Wir wollen aber hoffen, dass die schönste Serienlimousine zu dem angegebenen Preis auch eines Tages zu haben sein wird." 8.500 Deutsche Mark hatte BMW als voraussichtlichen Preis für den 1500 genannt – ein preiswertes, aber kein billiges Angebot.

Der BMW kam zur richtigen Zeit

Der BMW hatte den Zeitgeist getroffen, Foto: BMW AG
Der BMW hatte den Zeitgeist getroffen, Foto: BMW AG

Es kam zur richtigen Zeit. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland, zunächst dem Hauptzielmarkt des BMW 1500, wuchs Anfang der 60er Jahre jährlich um rund zehn Prozent und lag 1961 bei 6.723 DM pro Jahr. Erstmals wurden in diesem Jahr über eine Million Personenwagen in Deutschland neu zugelassen. Mit dem Einkommen stiegen die Ansprüche, die BMW mit dem bisherigen Modellprogramm nicht erfüllen konnte: Zwischen den konservativen Achtzylinder-Limousinen – im Volksmund "Barockengel" genannt - und den flinken 700er Kleinwagen fehlte ein Angebot für die aufstrebende Mitte. Gleichzeitig fand eine kontinuierliche Umstrukturierung innerhalb der einzelnen Klassen statt.

Bis zum Jahre 1958 dehnte sich beispielsweise die Klasse der Kleinstwagen, in der BMW mit der Isetta beteiligt war, stetig aus. Im gleichen Maße wie diese Klasse danach an Bedeutung verlor, steigerten sich dagegen die Zulassungen in der unteren Mittelklasse, in der BMW mit dem BMW 700 lag. Zudem hatte die Borgward Isabella als Premiumfahrzeug der Mittelklasse eine Lücke hinterlassen, als das Bremer Automobilwerk nur wenige Wochen vor der IAA Konkurs anmeldete. Es war bei BMW klare Absicht, mit dem 1500 zum überwiegenden Teil die Lücke zu schließen, die Borgward mit noch über 4.000 Zulassungen im Jahre 1961 hinterlassen hatte.