Lucas di Grassi, Loïc Duval und Oliver Jarvis sind die Sieger des zweiten Saisonlaufs der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC in Spa-Francorchamps. Nach sechs durchweg verrückten Rennstunden überquerte das Audi-Trio den Zielstrich vor den Porsche-Konkurrenten Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb mit zwei Runden Vorsprung. Gesamtdritte wurden Mathéo Tuscher, Dominik Kraihamer und Alexandre Imperatori für Rebellion Racing. Die LMP1-Privatiers profitierten dabei vom Pech der Werksställe; Toyota musste gar einen Doppelausfall verkraften – nach langer und souveräner Führung.

Di Grassi, Duval und Jarvis stolperten gewissermaßen zum Sieg, sie stolperten über die endlosen Probleme der Gegner, kamen dabei aber selbst nicht ganz ohne Schwierigkeiten über die Distanz. Entscheidend war letztlich der Ausfall des Toyotas mit der Startnummer 5 nach etwas mehr als vier Stunden: Kazuki Nakajima parkte mit rauchendem Motor in der Garage, nachdem der Wagen zuvor gänzlich problemlos in Führung gelegen hatte. Duval rangierte zu diesem Zeitpunkt mit einigem Rückstand an zweiter Stelle, übernahm etwas später die Position und verwaltete sie mit seinen Kollegen bis zum Ende.

Dabei sah lange alles nach Toyota aus, denn: Porsche war früh ins Hintertreffen geraten. Erst streikten Hybridkomponenten am 919 um Lieb. Die Mechaniker konnten auf die Schnelle jedoch nichts dagegen tun, sodass Lieb, Dumas und Jani den ganzen Nachmittag mit verminderter Leistung fahren mussten. Und dann erwischte es auch das Weltmeisterauto, und zwar mit zwei Reifenschäden kurz hintereinander. Später mussten Mark Webber und seine Kollegen sogar Antriebsteile am Vorderwagen tauschen lassen. Auf Gesamtrang 27 kam die Nummer 1 gerade noch in die Wertung, was in der Klasse wichtige WM-Zähler bedeutete.

Kein Hersteller ohne Pech und Pannen

Dass Porsche ausgerechnet mit dem angeschlagenen Nummer-2-Auto aufs Treppchen kam, zeigt, mit wie vielen Zwischenfällen die Werke zu kämpfen hatten. Für Audi begann der Ärger, welcher sich im Großen und Ganzen auf die Nummer 7 konzentrierte, mit einem beschädigten Unterboden. Ein herumliegendes Teil war unter das Auto geraten. Fortan musste der Wagen immer wieder in der Garage verarztet werden, allerdings auch, weil André Lotterer und Marcel Fässler sich Fahrfehler leisteten – mit Feindkontakt. Die späteren Sieger waren erst einmal durch einen außerplanmäßigen Reifenwechsel einige Plätze zurückgefallen.

Fehler leisteten sich jedoch auch andere, beispielsweise Mike Conway im zweiten Toyota, der nur kurz vor dem Schwesterwagen mit Elektrikproblemen ausgeschieden war. Conway verbremste sich im Kampf mit Lucas di Grassi, traf einen LMP2-Boliden am Heck, kassierte eine Durchfahrtsstrafe. Ohnehin gab es Strafen ohne Ende: Etwa um 17 Uhr waren es schon über 40 Fälle, die die Rennleitung am Wochenende bearbeitet hatte – und da waren noch über drei Stunden zu gehen.

Schwere Unfälle für Thiim und Mücke

Besonders bitter waren zwei Durchfahrtsstrafen für Aston Martin in der GTE-Pro-Wertung. Es stellte sich heraus, dass technische Probleme zwei Boxen-Blitzer auslösten, die für beide Vantage-Boliden je eine Strafdurchfahrt bedeuteten. Die Geschwindigkeitsbegrenzer funktionierten nicht korrekt. Später noch überschlug sich gar die Nummer 95 mit Nicki Thiim am Steuer. Der Däne wurde vorher von Simon Dolan im G-Drive-Gibson angeschoben. Thiim blieb unverletzt, und auch Stefan Mücke konnte einem schweren Unfall halbwegs unbeschadet entkommen. Der Berliner war gegen Ende in der Eau-Rouge-Passage abgeflogen.

Wie schon in Silverstone gingen die GTE-Pro-Lorbeeren an Ferrari. Bis zur Schlussviertelstunde sah es nach einem Doppelsieg aus. Vor Davide Rigon führte James Calado, als dessen Pferd nicht mehr so recht springen wollte. Der Brite schlug die Hände vorm Helm zusammen, nachdem er die Nummer 51 mit qualmendem Triebwerk in der Garage hatte abstellen müssen. Rigon jedoch erreichte das Ziel, und zwar mit mehr als einer halben Minute Luft auf den Zweitplatzierten Marino Franchitti im verblieben Ford. Rang drei ging an Aston Martin mit der Startnummer 97. Mit der Startnummer 98 gewannen die Engländer indessen die Amateurwertung. Hier blieb AF-Corse-Ferrari diesmal nur Platz zwei.

Einmal mehr heiß umkämpft war auch die Sektion der kleineren Prototypen, die LMP2. Trotz eines Tankstopps kurz vor knapp holte Nicolas Lapierre den Sieg für Signatech-Alpine. Der Franzose zauberte ein Sahnemanöver auf den Asphalt, überholte Sebring-Champ "Pipo" Derani im ESM-Ligier außenrum und mitsamt einem Nachzügler in der Mitte. Auch die Entscheidung um Platz drei hätte kaum knapper sein können: In letzter Sekunde musste Filipe Albuquerque sich abfangen lassen von Roberto Merhi; Manor-Oreca schnappte RGR-Ligier das Treppchen weg.

Der inoffizielle Endstand nach sechs Stunden
LMP1 Duval/di Grassi/Jarvis (Audi, #8)
LMP2 Menezes/Lapierre/Richelmi (Signatech-Alpine, #36)
GTE Pro Rigon/Bird (Ferrari, #71)
GTE Am Dalla Lana/Lamy/Lauda (Aston Martin, #98)