Was denkt der erfahrene Ingenieur über die vorgeschlagenen Regeländerungen für die 250er-Klasse?
Jan Witteveen: Wie es im Moment ist, werden die aktuellen Regeln bis Ende 2009 Bestand haben. Von 2010 an sieht es so aus, als ob sich die Regeln dann ändern werden. Die europäischen Hersteller wollen bis cirka 2012 oder 2014 weitermachen, da wir glauben, das wir mehr Zeit brauchen, um die Lösung ordentlich zu diskutieren. Ich denke, der Wechsel wurde angedacht, als Honda bekannt gab, dass sie ab 2010 keine Zweitakt-Rennmotorräder mehr bauen wollen. Ich denke, deswegen hat die Dorna dieses Jahr für den Wechsel gewählt.

Was wird das Ergebnis so einer schnellen Regeländerung?
Jan Witteveen: Ich denke, dass es stimmt, dass wir einige der kleineren Hersteller verlieren könnten, die momentan Zweitakt-125er und -250er herstellen. Wenn man sich die Situation im Moment ansieht, dann haben wir Aprilia, KTM und dann Gilera und Derbi. Sicher, Gilera und Derbi sind einfach anders gekennzeichnete Aprilias, es ist aber immer noch wichtig, die da draußen zu sehen. Mit Aprilia und KTM hat man zumindest zwei große Unternehmen, die für diese Klasse in Zukunft Maschinen bauen werden.

Was sind Ihrer Meinung nach die positiven Seiten daran, die 250er Zweitakter am Leben zu halten?
Jan Witteveen: Es gibt einige Gründe. Wie ich erwähnt habe, wollen wir die europäischen Hersteller in dieser Klasse nicht verlieren. Das könnte wegen der Kosten aber passieren. Eine 250cc-Maschine ist einfach die doppelte Anzahl an Zylindern, die eine 125er hat, also sind dort die Entwicklungskosten geteilt. Die vorgeschlagenen Regeln richten sich in Richtung eines 600cc-Viertakt-Kraftwerks, wahrscheinlich ein Produktionsmotor in einem Prototyp-Chassis. Doch keiner der europäischen Hersteller macht momentan so einen Motor: nur die Japaner machen das. Aus diesem Gesichtspunk ist es verrückt, denke ich.

Für Ilmor war die MotoGP vorerst zu teuer, Foto: Ilmor
Für Ilmor war die MotoGP vorerst zu teuer, Foto: Ilmor

Außerdem glauben Sie, dass die Dynamik einer 250cc-Zweitakt-Rennmaschine dem Fahrer in seiner Entwicklung hilft...
Jan Witteveen: Natürlich. Sehen Sie sich die heutigen MotoGP-Fahrer an und sie kommen alle aus der 250er: Casey Stoner, Valentino Rossi. Also abgesehen von Chris Vermeulens Regensieg in Le Mans kamen die Sieger aus der 250er-Klasse. Fahrer, die bei den 250ern schnell sind, sind auch in der MotoGP schnell. Sogar Fahrer wie Randy de Puniet und Sylvain Guintoli haben gezeigt, dass sie sich an ein MotoGP-Motorrad anpassen können. Fahrer wie John Hopkins brauchten mehr Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Sogar Nicky Hayden brauchte fünf Jahre an Investition von Honda und HRC bevor er den Titel geholt hat.

Warum hilft eine 250er-Zweitakter einem Fahrer bei der Entwicklung?
Jan Witteveen: Es ist die reine Dynamik der Maschine. Man hat eine Maschine mit 100 Kilogramm, reichlich Pferdestärken und der Motor ist dynamischer als ein Viertakter, was die Kraftentfaltung betrifft. Mit einem Viertakter fühlt sich der Motor weniger schnell an, aber mit der 250er musst man das Gas managen und auch den Kontakt zwischen Gas und Hinterrad. Diese Motorphilosophie ist für die Ausbildung eines Fahrers sehr wichtig. Ich denke, mit einem Viertakter kann man die Richtung leichter ändern, wenn die Maschine am Limit ist oder in eine bestimmte Richtung fährt. Deswegen lernt man weniger über das Fahren und das Abstimmen des Motorrades. Wir haben gesehen, dass die Top Drei in der 250er auf eine MotoGP-Maschine steigen und schnell sein können. Der Sprung von einer 125cc-Zweitakt-Maschine in die MotoGP wäre zu groß.

Was sollte getan werden, damit die 250er-Klasse als Aufbauklasse für die MotoGP bleibt, aber die Viertakter herein kommen können?
Jan Witteveen: Wir wissen, dass nicht alle Firmen Zweitakter machen wollen und wir wissen auch, dass es für einige Hersteller - die bekanntesten sind Ilmor, KTM und Aprilia - zu teuer war, um in der MotoGP weiter zu machen. Also denke ich, dass wir die Zweitakter behalten sollten und Viertakter mit der Hälfte des Hubraums der MotoGP-Maschinen hereinlassen sollten. Das hieße, eine 400cc-Viertakt-Maschine, die - auch wenn sie teurer ist als die 250er - das tun könnte, was die 125er nun für die 250er macht und die Entwicklungskosten für eine größere Klasse reduziert. Das würde die 250/400cc-Klasse zu einer Einstiegsklasse für Unternehmen machen, die einmal in der MotoGP antreten wollen. Im Moment sind die Risiken und die Kosten für die Unternehmen zu hoch, um in die MotoGP zu kommen.

Wie viel Zeit wird es brauchen, um diese Änderungen oder ihre Vorschläge auszuarbeiten?
Jan Witteveen: Naja, es ist im moment eine fortlaufende Diskussion und wir haben drei Jahre bis zum Wechsel, also müssen wir uns bald auf die Ideen einigen. Ich denke, mein Vorschlag ist eine gute Lösung, die es jedem Unternehmen erlaubt, gegeneinander anzutreten - entweder mit einer Zweitakter oder mit einer Viertakter.