Die Idee, einen Diesel-Sportwagen für die 24 Stunden von Le Mans zu entwickeln, entstand bereits im Jahr 2002. Aus jener Zeit stammt auch der interne Projektname "R10", der nun - genau wie beim erfolgreichen Vorgängermodell R8 - zur offiziellen Typenbezeichnung des neuen Le Mans-Sportwagens wurde.

Richtig ernst wurde es im September 2003, als die Grundkonzeption des neuen Audi R10 festgelegt wurde. "Das war die wichtigste Phase", sagt Ulrich Baretzky, Leiter Motorentechnik bei Audi Sport. "Man muss die Anzahl der Zylinder festlegen, die Länge des Motors, Bohrung und Hub. Alles andere baut darauf auf. Wenn man an dieser Stelle Fehler machen würde, kann man das später kaum noch korrigieren. Deshalb haben wir alles sehr sorgfältig abgewogen, ehe wir das Package festgelegt haben."

Im Frühjahr 2004 fiel die Entscheidung, auf einen Zwölfzylindermotor mit dem maximal in Le Mans zulässigen Hubraum von 5,5 Litern zu setzen, was auch Auswirkungen auf das Chassis hatte. "Gegenüber dem R8 ist die Länge des Motors durch die Anzahl der Zylinder gewachsen, und wegen der Diesel-typischen Kräfte auch das Gewicht", erklärt Wolfgang Appel, Leiter Fahrzeugtechnik bei Audi Sport. "Insofern mussten wir auf der Fahrzeugseite darauf reagieren, und alles möglichst leicht machen." Auch der erheblich längere Radstand des R10 ist eine Folge des großvolumigen Motors.

Erstmals auf dem Prüfstand lief der neue V12 TDI für Le Mans im Juli 2005. "Das war sehr spannend, weil wir mit diesem Motor wirklich absolutes Neuland betreten haben", so Ulrich Baretzky. "Gemeinsam mit den Kollegen der Vor- und Serienentwicklung hatten wir im Vorfeld Grundsatzversuche mit umgewandelten Serienmotoren und einem Einzylinder-Modell gemacht. Das war alles!"

Bis zum Roll-out des R10 am 29. November 2005 hatte das neue Triebwerk bereits rund 1.000 Prüfstand-Stunden absolviert, darunter mehrere Dauerläufe. Bis Le Mans wird der V12 TDI rund 3.000 Stunden auf dem Prüfstand hinter sich haben und mehrere tausend Testkilometer im Heck des R10.

Bei der Erprobung beschreitet Audi Sport jene Wege, die sich beim R8 bewährt haben: Den Prüfstandversuchen folgt ein umfangreiches Testprogramm auf verschiedenen Rennstrecken und am 18. März 2006 ein Testeinsatz beim 12-Stunden-Rennen in Sebring. "Dieses Rennen ist aufgrund der Streckencharakteristik eines der härtesten der Welt und optimal, um ein neues Fahrzeug auf Herz und Nieren zu prüfen", erklärt Wolfgang Appel. "Anschließend sind mehrere Dauerläufe geplant, so dass wir trotz der knappen Zeit für das Rennen in Le Mans eigentlich gut gerüstet sein sollten."

Das erste Mal auf dem 13,650 Kilometer langen "Circuit des 24 Heures" fahren wird der neue Audi R10 beim offiziellen Testtag am 4. Juni 2006. Weniger als zwei Wochen vor dem Rennen bietet er die einzige Testgelegenheit auf dem Hochgeschwindigkeits-Kurs, der zum Teil über sonst öffentliche Landstraßen führt.

"Dass man in Le Mans nur an einem einzigen Tag im Jahr testen kann, zählt zu den Besonderheiten dieses Rennens", sagt Audi Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich. "Le Mans bietet eine einmalige Verknüpfung von Schnelligkeit, Haltbarkeit, Zuverlässigkeit und Teamwork – und, wenn man es extrem ausdrücken möchte, den Ablauf einer kompletten Formel 1-Saison an einem einzigen Wochenende mit ein und demselben Auto."

Trotz der intensiven Vorbereitung, die zwischen der Präsentation des R10 am 13. Dezember 2005 in Paris und dem Rennen am 17./18. Juni 2006 liegt und bei dem jeder einzelne Tag verplant ist, bleibt Dr. Ullrich mit Prognosen vorsichtig: "Selbstverständlich ist es unser Ziel, ein Fahrzeug zu haben, das siegfähig ist und mit dem wir – wenn alles passt und wir das notwendige Glück haben – 2006 ganz oben auf dem Podium stehen können. Einen Sieg garantieren kann man im Motorsport nicht. Schon gar nicht in Le Mans."