Ja, er hat einen Fehler gemacht, für den er am Ende teuer bezahlen musste. Wobei zu ein bisschen Ungeduld wohl auch noch Pech dazu kam. Beim Anbremsen die Bodenwelle an der Stelle dort genau auf 20 Zentimeter so zu treffen, dass das Auto überraschend ausbricht - das kann man schon so werten. Und ja, das missglückte Überholmanöver gegen Jenson Button in Spa, bei dem er sein Auto aus der Kontrolle verlor, war nach dem Patzer von Ungarn, als er den Re-Start nach einer Safety-Car-Phase verschlief, zu viel Abstand zum Vordermann ließ und dafür eine Strafe kassierte, der zweite hintereinander von Sebastian Vettel.

Das sieht natürlich dumm aus - und es führt dazu, dass sich der 23-Jährige von allen Seiten heftige Kritik anhören muss, nach dem Motto: "Dauer-Fehlerteufel, unreif, noch nicht WM-tauglich" - und was da sonst noch alles im Fahrerlager von Spa am Sonntagabend und dann auch in den nationalen und internationalen Medien zu lesen und zu hören war.

Mehr Teamfehler

Red Bull patzte öfter als Vettel, Foto: Red Bull/GEPA
Red Bull patzte öfter als Vettel, Foto: Red Bull/GEPA

Eine ruhige und sachliche Analyse der Situation kommt freilich zu einem etwas anderen Ergebnis: Denn mehr als genau diese zwei Fehler kann man Vettel in dieser Saison eigentlich gar nicht anhängen: Bei der Kollision mit Teamkollege Webber in lstanbul musste er davon ausgehen, dass der informiert sei und ihn vorbeilassen würde. Dass die interne Kommunikation bei Red Bull da nicht funktioniert hatte, konnte er ja nicht wissen.

Alle anderen der bisher "verschenkten" weit über 100 WM-Punkte gehen auf technische Defekte, Teamfehler und ähnliches zurück - auch die schlechten Starts, die man Vettel immer wieder ankreidete, hatten praktisch immer technische Ursachen, ob nun Öl auf der Kupplung oder das bei Red Bull so beliebte Spiel, in letzter Sekunde noch einmal mit der Kupplungseinstellung zu spielen - was jetzt in Spa auch bei Webber daneben ging.

Im Vergleich: Der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso patzte in diesem Jahr schon öfter: Frühstart in China, Crash am Samstag in Monaco, der ihn in die letzte Startreihe verbannte, die nicht zurückgegebene Position an Robert Kubica nach dem Abschneiden der Schikane in Silverstone, was ihm eine Strafe einbrachte, jetzt der Unfall in Spa kurz vor Rennende...

Angriff statt Verteidigung

Und wenn McLaren-Chef Martin Whitmarsh sich jetzt aufplustert und herumposaunt, Vettel sei eigentlich noch "zu unreif und mache Fehler, wie es sie sonst nur in Nachwuchsformeln gibt", dann sollte er sich mal an den ein oder anderen Klops erinnern, den auch sein Superstar Lewis Hamilton in den letzten Jahren so ablieferte - man denke nur an das völlig unbedrängt weggeworfene Auto von Monza 2009, in der vorletzten Runde....

In Monza 2009 versenkte Lewis Hamilton sein Auto in der vorletzten Runde, Foto: Sutton
In Monza 2009 versenkte Lewis Hamilton sein Auto in der vorletzten Runde, Foto: Sutton

Und auch die Topstars von früher, die, die als die absolut Besten aller Zeiten gelten, angefangen mit Ayrton Senna und Michael Schumacher, leisteten sich gerade in den ersten Jahren ihrer Karriere immer wieder Fehler durch Übereifer.

Vettel gehört nun einmal eher zu dieser Kategorie Piloten, zu denen, die angreifen, die die allerschnellsten und echte Fighter auf der Strecke sind - und weniger zu denen, die ihre Erfolge vor allem durch perfektes Taktieren, oft auch Abwarten und sehr viel Ruhe und Cleverness herausholten, die der Sorte Alain Prost oder Niki Lauda, eine Kategorie, zu der heute auch eher Vettels 34-jähriger Teamkollege Webber gehört. Das ist eine Frage der Persönlichkeit, des Fahrstils - und ein bisschen auch des Alters und der Erfahrung.

Denn eines dürfen die Vettel-Kritiker auch nicht vergessen: Der Heppenheimer ist gerade mal 23. Und hat die ganze Zukunft noch vor sich. Selbst wenn es in diesem Jahr noch nicht mit dem Titel klappen sollte - was ja überhaupt noch nicht ausgemacht ist. In sechs Rennen kann noch viel passieren. Und noch etwas spricht für Vettel: Ein extrem schneller und aggressiver Fahrer wie er, noch dazu sehr intelligent, kann im Laufe der Zeit ganz bestimmt lernen, seine Fehlerquote noch weiter zu drücken - und wird dadurch immer besser. Dass die "Taktierer" dagegen im Laufe ihrer Karriere noch schneller werden, ist eher unwahrscheinlich....