Was die DTM in Oschersleben nur vorsichtig andeutete, führte die Formel 1 kürzlich in Perfektion vor: Den spektakulären Crash in der Boxengasse. Mechaniker und Vertreter des Kommandostands leben mittlerweile gefährlich: Tröpfelten die DTM-Boliden einst nur spärlich und in großen Abständen in die Boxengasse, so herrscht seit diesem Jahr Hochbetrieb. Das neue Boxenstoppfenster hat die Boxenstoppstrategien nahezu vereinheitlicht - und lässt die Piloten bei seiner Öffnung gleich in Scharen die jeweilige Boxencrew aufsuchen. Die DTM-Rennen sind weit transparenter und übersichtlich geworden - der Spannungsfaktor Taktik jedoch weit gehend passé. Ein Dauerzustand?

"Bei den ersten Saisonrennen bot es sich an, so schnell wie möglich ein erstes Mal zu stoppen und mit einigen Fahrzeugen nur einen kurzen zweiten Stint zu fahren", resümierte Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich nach den ersten beiden Saisonläufen - und kündigte an: "Künftig werden wir aber sicher mehr Flexibilität bei den Strategien sehen als bisher." Die Prognose des Österreichers bewahrheitete sich nicht: Auch in Mugello und auf dem EuroSpeedway waren Positionsverschiebungen während der Boxenstoppfenster nur spärlich gesät - wenn denn nicht bei Bruno Spengler gerade ein Boxenbesuch missglückte...

Doch kommt es im Anschluss an die sechswöchige Sommerpause nun zu den rennstrategischen Erleuchtungen? Abt-Audi-Technikchef Albert Deuring dämpft die Erwartungen. "Die taktischen Möglichkeiten sind momentan zum Leidwesen des Kommandostands weiterhin sehr eingeschränkt", sagte Deuring gegenüber der adrivo Sportpresse, "viele Spielräume werden sich innerhalb des Fensters sicher nicht mehr ergeben." Ohnehin entspringen die Rennstrategien in der Regel nicht mehr menschlichen Geniestreichen: "Wir beobachten die Konkurrenz und berücksichtigen das beim Timing der Boxenstopps. Während des Rennens laufen permanent EDV-Programme mit, die bei der Strategieauswahl helfen."

Auch die einst gern gewählte Methode, bei den beiden Piloten eines Teams bei unklaren Verhältnissen auf komplett unterschiedliche Strategien zu setzen, ist in Zeiten des Boxenstoppfensters Vergangenheit. Stattdessen gilt es, teaminterne Konfliktpotenziale möglichst gering zu halten: "Dass zurzeit fast alle Boxenstopps mehr oder weniger gleichzeitig absolviert werden, macht sich auch teamintern bemerkbar. Der Fahrer eines Teams, der eine Runde später als sein Teamkollege an die Box kommt, ist unter Umständen schon benachteiligt." So verspricht das Boxenstoppfenster zumindest abseits der Strecke Brisanz: Spekulationen um verstecke Stallregie werden in der zweiten Saisonhälfte vermutlich nicht ausbleiben...