Nach 21 Jahren ist es soweit: Die DTM gastiert am kommenden Wochenende (08.-10. September 2023) zum ersten Mal seit 2002 wieder auf dem Sachsenring. Viele deutsche Rennsport-Fans fragen sich, warum die Traditionsrennserie unter der Regie der ITR und zuletzt auch unter Gerhard Berger mit der GT3-DTM so lange auf den Sachsenring verzichtet hat und stattdessen lieber im Ausland und dabei vor allem in Italien, Spanien und Portugal an den Start gegangen ist.

Geredet und spekuliert wurde darüber viel und eine nachvollziehbare Erklärung wurde nie kommuniziert. Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com bei Dr. Lutz Oeser erinnert sich der Geschäftsführer der Sachsenring Event GmbH heute an die Entscheidung, warum die DTM nach drei Jahren (2000, 2001, 2002) mit insgesamt vier Rennen ab der Saison 2003 nicht mehr im DTM-Kalender berücksichtigt wurde.

Die DTM gastierte zuletzt im Jahr 2002 auf dem Sachsenring, Foto: Sutton
Die DTM gastierte zuletzt im Jahr 2002 auf dem Sachsenring, Foto: Sutton

Warum die DTM nicht mehr am Sachsenring fuhr

"Es war eine Grundsatzentscheidung des ADAC Sachsen aus wirtschaftlichen Gründen. Alle anderen DTM-Rennstrecken in Deutschland bieten Tribünenplätze an, wir dagegen haben sie aufstellen lassen müssen, was mit Kosten verbunden war. Das bedeutete, dass wir hohe Einnahmen generieren mussten. Letztendlich führte das zum Ergebnis, dass die DTM für uns immer ein Verlustgeschäft war", betonte Oeser. In den drei DTM-Jahren verzeichnete der ADAC Sachsen offiziell 59.900 (2000), 58.100 (2001) und 59.000 (2002) Zuschauer, im Schnitt also 59.000.

Zum Vergleich: Beim diesjährigen Motorrad-Grand-Prix, dem Großen Motorrad-Preis von Deutschland, wurde mit insgesamt 233.196 Besuchern an drei Tagen erneut ein Zuschauerrekord registriert. Allein für den Renntag verkaufte die Sachsenring Event GmbH 96.151 Tickets.

Die Probleme der Verantwortlichen am Sachsenring gab es in der Vergangenheit auch schon in Oschersleben und Zandvoort sowie am Nürnberger Norisring, wo der organisatorische Aufwand viel größer ist und die Kosten viel höher sind als bei einer permanenten Rennstrecke.

Sachsenring ohne DTM: Lärmtage nicht ausschlaggebend

Oeser räumte zudem mit dem Gerücht auf, dass die maximale Anzahl an Lärmtagen ein Thema für die Abwesenheit der DTM gewesen sein soll. "Nein, das war nicht der Grund. Damals wie heute gab und gibt es zehn Tage, an denen wir Großveranstaltungen durchführen können. An dieser behördlichen Vorgabe ist ein möglicher DTM-Event nicht gescheitert."

Das hat sich jetzt offenbar mit der Übernahme der DTM durch den ADAC als neuen Promotor und den dort handelnden Personen geändert. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der ADAC mit seinem GT Masters seit der Gründung der Rennserie 2007 in jedem Jahr ununterbrochen und damit inzwischen 16 Mal auf dem Sachsenring zu Gast war.

ADAC GT Masters im Jahr 2022 auf dem Sachsenring
Das ADAC GT Masters fährt seit 2023 jährlich am Sachsenring, Foto: ADAC Motorsport

DTM-Rückblick: Ludwig-Coup am Sachsenring

Das Sachsenring-Highlight war 2000 sicher die DTM-Premiere beim Comeback der Rennserie. Keiner konnte damals ahnen, welch historisches Ereignis damit verbunden war. Der dreimalige DTM-Champion Klaus Ludwig war nämlich für das Comeback der Rennserie im neuen Jahrtausend und nach einem bereits angekündigten Rücktritt als Zugpferd für die neue DTM auserkoren worden. Für Ludwig, der nach dem Gewinn der FIA-GT-Weltmeisterschaft Ende 1998 ein Jahr ausgesetzt hatte, hieß es damit Rennaction statt Ruhestand!

Die Entscheidung sei ihm leicht gemacht worden, meinte Ludwig. Er habe sich mit Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug und Hans Werner Aufrecht, dem Vorsitzenden der Tourenwagen-Vereinigung (ITR) und AMG-Teamchef, unterhalten. Danach war für ihn klar: "Beide haben mir versichert, dass sie mich noch ein Jahr brauchen. Das hat mir gezeigt, dass ich auch die volle Unterstützung des ganzen Teams bekomme."

DTM-Podium am Sachsenring 2000: Klaus Ludwig, Peter Dumbreck und Bernd Schneider
Klaus Ludwig feierte 2000 seine letzten DTM-Siege am Sachsenring, Foto: LAT Images

"Er ist alt genug, um mein Vater zu sein"

Beim vierten DTM-Event auf dem Sachsenring schlug dann noch einmal die Stunde von "König Ludwig", als er sich in einem AMG-Mercedes-Benz CLK die Pole Position für das erste von zwei Rennen gesichert hatte. "Ich bin vier Runden gefahren und die letzte war einfach eine gute, saubere Runde", freute sich Ludwig, der ohne Emotionen und Drama "einfach nur meine Arbeit" erledigte.

Die war so gut, dass Markenkollege Peter Dumbreck mit nur 0,086 Sekunden das Nachsehen hatte. "Ich habe großen Respekt vor Klaus, aber er hat mich beim Kampf um die Pole geschlagen, also bin ich stinksauer - er ist alt genug, um mein Vater zu sein", witzelte der Brite. Die Top 15 trennten zwar weniger als eine Sekunde, aber Ludwig glaubte, dass es nicht allzu schwierig sein dürfte, die Pole auch in zwei Siege umzuwandeln - eben typisch Ludwig!

Ludwig hatte trotz einer einjährigen Rennpause sein immer noch vorhandenes Können zuvor schon auf dem Nürnberger Norisring mit einem zweiten und dritten Platz gezeigt. Deshalb glaubte er tatsächlich, sich seinem optimalen Niveau wieder annähern zu können.

"Es ist schwierig, zu vergleichen, wie gut ich vor drei Jahren war, mit dem, was ich jetzt bin", meinte Ludwig, "aber ich fühle mich genauso und habe die gleiche Einstellung zu allem. Es war keine leichte Entscheidung, zurückzukommen, aber wer weiß - wenn ich morgen ein Rennen gewinne, sage ich den Jungs von Mercedes vielleicht, dass sie mich für eine weitere Saison verpflichten können..."

Hinter Dumbreck belegten mit Manuel Reuter, Joachim Winkelhock, Uwe Alzen und Stefano Modena gleich vier Opel-Fahrer die Startplätze drei bis sechs. Dagegen musste sich Tabellenführer Bernd Schneider (AMG-Mercedes) mit Startplatz elf zufriedengeben, auch weil er in seiner letzten fliegenden Runde beim Versuch, Ludwigs Zeit zu unterbieten, in einem Kiesbett landete.

Klaus Ludwig im Jahr 2000 mit seinem AMG-Mercedes beim DTM-Rennen auf dem Sachsenring
Klaus Ludwig im Jahr 2000 mit seinem AMG-Mercedes am Sachsenring, Foto: LAT Images

Klaus Ludwig krönt Traum-Comeback in DTM

Einmal richtig in Fahrt gekommen, nutzte Ludwig am Rennsonntag von der Pole Position aus, die Gunst der Stunde und untermauerte mit zwei fehlerfreien Rennen seine optimistische Vorhersage nach dem Qualifying, diese auch gewinnen zu können. Und dass, obwohl er in der Nacht zuvor nach eigener Aussage vor lauter Nervosität schlecht geschlafen hatte.

Beim Mercedes-Festival krönte der in Roisdorf nahe Bonn lebende hellwache und sich in Topform befindliche Ludwig mit einem Doppelsieg sein traumhaftes Renn-Comeback, ließ dabei die gesamte jüngere Konkurrenz hinter sich und feierte nach seiner Rückkehr in den Rennsport seine DTM/ITC-Siege 36 und 37 - die letzten in seiner erfolgreichen DTM-Historie.

Der Routinier, der in seiner 30-jährigen Rennkarriere bereits je drei Mal die DTM und den 24-Stunden-Klassiker von Le Mans gewonnen hatte, war im siebten und achten DTM-Rennen nicht zu schlagen. "Das ist ein tolles Gefühl, richtig super", kommentierte Ludwig, der mit 50 Jahren, zehn Monaten und einem Tag der bis heute älteste Gewinner der DTM ist, seine grandiose Vorstellung glücklich: "Das Auto war ein Traum."

Klaus Ludwig beim DTM-Doppelsieg 2000 auf dem Sachsenring
Klaus Ludwig anno 2000 nach seinem Sachsenring-Doppelsieg, Foto: LAT Images

Mercedes dominiert auf dem Sachsenring

Mercedes-Benz dominierte die beiden Rennen auf dem Sachsenring vor insgesamt 59.900 Zuschauern mit einem Dreifach- und einem Fünffach-Triumph, während Konkurrent Opel einen rabenschwarzen Tag erlebte und das schlechteste Saisonergebnis verbuchte. Klaus Ludwig siegte in beiden Rennen jeweils vor seinen Markenkollegen Peter Dumbreck und Bernd Schneider. Ein vierter Platz des Franzosen Eric Helary im ersten der beiden Rennläufe war das beste Opel-Resultat.

Markenkollege Reuter war kurz vor dem Ziel an dritter Stelle liegend mit einem Reifenschaden ausgeschieden und in eine Leitplanke geprallt. Offensichtlich hatten die Rüsselsheimer auf dem Sachsenring große Reifenprobleme. Auch an den Coupes von Joachim Winkelhock und Uwe Alzen platzten jeweils die rechten vorderen Slickreifen. Glück für Ludwig, denn sein Reifenschaden passierte erst in der Auslaufrunde!

Stefan Modena im Jahr 2000 mit seinem Opel beim DTM-Rennen auf dem Sachsenring
Opel hatte am Sachsenring mit den Reifen zu kämpfen, Foto: LAT Images

Norbert Haug: "Die DTM ist ein richtiger Knaller hier"

Als Konsequenz auf die Schäden an einigen profilosen Pneus wurde das anschließende zweite Rennen von 30 auf 24 Runden verkürzt, was für die Podiumskandidaten Ludwig, Dumbreck und Schneider keine negativen Folgen hatte. Die beiden Markenkollegen Marcel Fässler als Vierter und Marcel Tiemann als Fünfter machten den Mercedes-Triumph perfekt. Dagegen hatte Opel erneut Pech: Helary schied an dritter Position liegend vorzeitig aus, während Reuter, dessen Auto in der Rennpause repariert werden und er deshalb aus der Boxengasse starten musste, am Ende Elfter wurde.

Die Rennen auf dem Sachsenring waren für die Veranstalter augenscheinlich ein voller Erfolg: Insgesamt wurden am Wochenende 59.900 Zuschauer registriert. "Die DTM ist ein richtiger Knaller hier", kommentierte Mercedes- Motorsportchef Norbert Haug die Atmosphäre an dem Berg- und Talkurs in der Nähe von Chemnitz: "Die Fans sorgten für eine tolle Stimmung und unsere ganze Truppe hatte einen Riesenspaß."

Alle DTM-Sieger am Sachsenring

JahrSiegerMarke
2000 IKlaus LudwigMercedes
2000 IIKlaus LudwigMercedes
2001Bernd SchneiderMercedes
2002Laurent AielloAbt-Audi