Österreich ist eine wahrhaftige Großmacht in der Formel 1. Red Bull Racing fährt einen Weltmeistertitel nach dem anderen ein und selbst Mercedes befindet sich mittlerweile fest in der Hand von Funktionären aus der Alpenrepublik. Doch während einst zahlreiche österreichische Piloten in der Königsklasse des Motorsports den Ton angaben, ist es um die Fahrer zwischen Donau und Inn mittlerweile ruhig geworden.

Rasanter Aufstieg

Einer jener Männer, die dem entgegenwirken wollen, ist der 21-jährige Tiroler Rene Binder. Der gebürtige Innsbrucker machte seine ersten Schritte im Formelsport 2009 im ADAC Formel Masters, ehe er drei Jahre im deutschen Formel-3-Cup antrat und sich von Saison zu Saison steigerte. Im vergangenen Jahr durfte Binder drei Siege bejubeln und belegte als Teamkollege seines Landsmanns Lucas Auer den sechsten Rang im Endklassement. Seinen größten Triumph feierte er beim Regenrennen von Spa, das er in eindrucksvoller Manier gewann.

Hinter Rene Binder liegt eine erfolgreiche Saison, Foto: Formel 3 Cup
Hinter Rene Binder liegt eine erfolgreiche Saison, Foto: Formel 3 Cup

Diese guten Leistungen erweckten auch Begehrlichkeiten anderer Rennställe und so kam es, dass Binder am Ende der vergangenen Saison von Venezuela GP Lazarus für sechs Rennen in der GP2 verpflichtet wurde, um den schwächelnden Giancarlo Serenelli zu ersetzen. "Für mich war das Thema zunächst weit weg; es ist auf einmal in den Raum gekommen und dann haben wir es diskutiert und es ist schnell zu einer Entscheidung gekommen", erzählte Binder im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com von seinem Aufstieg. Der Tiroler erzielte zwar keine Punkte, wurde vom italienischen Team jedoch zu weiteren Testfahrten eingeladen, im Rahmen derer er einen solch guten Eindruck hinterließ, dass er die Saison 2013 zur Gänze für Lazarus in der GP2 bestreiten wird.

Motorsport im Blut

Es ist keine Überraschung, dass sich Binder dazu entschlossen hat, eine Motorsportkarriere einzuschlagen, denn bereits sein Großvater war dem Temporausch verfallen und Onkel Hans Binder schaffte in den Siebzigerjahren sogar den Sprung in die Formel 1. Auch Binders Vater Franz verbuchte Erfolge auf der Rennstrecke und krönte sich 1987 zum österreichischen Formel-3-Champion. "Mein Vater hat mir mit acht Jahren ein Kart gekauft und seither hat sich das immer weiterentwickelt", blickte Binder auf seine ersten Gehversuche im Cockpit zurück. "Ich hatte das Ziel Motorsportler schon als kleiner Bub vor Augen. Ich habe schon mit zehn oder zwölf Jahren Formel 1 geschaut, das hat mich einfach interessiert."

Hans Binder schaffte den Sprung in die Formel 1, Foto: Sutton
Hans Binder schaffte den Sprung in die Formel 1, Foto: Sutton

Trotz der reichhaltigen Motorsporterfahrung in der Familie halten sich die Ratschläge für den Spross aber in Grenzen. "Sie sind zu einer ganz anderen Zeit gefahren und können mir daher keine Tipps geben, aber mein Vater ist von Anfang an bei jedem Rennen dabei", erzählte der 21-Jährige. "Ich wüsste kein Rennen, bei dem er nicht dabei gewesen wäre."

Standortnachteil Österreich

Obwohl Binder also über die besten Voraussetzungen aus dem Elternhause verfügt, sei es für einen jungen Österreicher ungleich mühsamer, eine erfolgreiche Motorsportkarriere einzuschlagen, als für Vertreter anderer Nationen, in denen die Unterstützung erheblich höher ist. "Es ist generell schwierig, dass Leute in Richtung Formel 3 und Formel 2 kommen, weil es bei uns ja so gut wie gar nichts in Richtung Nachwuchsförderung gibt", prangerte Binder das österreichische System an. "Es gibt bei uns so gut wie keine Kartbahnen, das ist in Deutschland und Italien ganz anders."

Daher ist der Tiroler auf ein Netzwerk vieler kleiner Sponsoren angewiesen und kann sich nicht wie manche seiner Kollegen über Förderungen von großen Unternehmen wie der Deutschen Post freuen. Zwar investiert mit Red Bull eine österreichischee Firma massiv in den Motorsport-Nachwuchs, doch mit dem Getränkehersteller hatte Binder selbst keinerlei Kontakte, lediglich Onkel Hans traf vor einiger Zeit Dr. Helmut Marko - jedoch nur, um gemeinsame Zeiten in der Formel 1 wiederaufleben zu lassen. "Sie haben sich zufällig vor einem Monat zu Quatschen getroffen , da sie sich jahrelang nicht gesehen hatten, aber sonst habe ich keinen Kontakt zu Red Bull", so Binder.

Stolz auf Holz

Wie sehr Binder trotz seiner Erfolge am Boden geblieben ist, beweist der Umstand, dass er auch im heimischen Holzverarbeitungsbetrieb beschäftigt ist, in dem er einmal die Agenden seines Onkels übernehmen soll, der die Holzverkäufe im italienischen Raum abwickelt. Zu diesem Zwecke absolvierte der Tiroler zuletzt einen intensiven Sprachkurs auf der Apenninhalbinsel, welcher ihm in mehrerlei Hinsicht zugutekommen soll. "Ich spreche zwar gut Englisch, möchte aber auch Italienisch perfekt können. Es ist für uns in der Firma wichtig und auch im Rennsport ist es gut, wenn man zwei Sprachen kann", betonte er.

Doch im Vordergrund steht zunächst einmal die Karriere auf der Rennbahn, für die sich der 21-Jährige viel vorgenommen hat, selbst wenn er in seiner ersten vollen GP2-Saison zahlreiche neue Strecken bereisen wird, die für ihn Neuland darstellen. Unter Druck setzen lassen möchte sich Binder aber keinesfalls: "Ich konzentriere mich nur auf meine Arbeit und denke nicht an das, was sein könnte wenn. Ich gehe einfach meinen Weg und hoffe, dass ich mich in den kommenden zwei Jahren durchsetzen kann." Das Ziel ist jedoch klar: "Wenn ich mich im zweiten Jahr steigere und ganz vorne mitfahren kann, ist die Formel 1 schon realistisch."