Jonas, Arztbesuche waren für dich in jüngster Vergangenheit keine Seltenheit. Wie geht es dir?
Jonas Folger: Mir geht es gut und ich bin wieder gesund. Nachdem das Pfeiffersche Drüsenfieber diagnostiziert wurde, begannen die Ärzte umgehend mit heilenden Gegenmaßnahmen. Ich bekam sofort bis zu vier Infusionen die Woche, nahm sehr viele Vitamine zu mir und es wurde mir ein striktes Sportverbot nahe gelegt. Besser fühle ich mich eigentlich schon seit dem Grand Prix in Estoril, allerdings habe ich mich mit dem Team geeinigt, noch ein Rennen zu pausieren. Das Krankheitsbild fordert wie gesagt einen Verzicht auf anstrengende Tätigkeiten. Ebenso wäre das Risiko bei einem schweren Sturz ungleich höher gewesen als in einem gesundheitlichen Normalzustand. Wichtig war in dieser Situation, die Anordnungen der Ärzte zu befolgen. Gefährdet man den Heilungsprozess, kann sich diese Krankheit über mehrere Monate erstrecken, im schlimmsten Fall könnte das Drüsenfieber sogar chronisch werden.

Nach kurzer Zeit kamen Gerüchte auf, die Krankheit wäre eine Ausrede, um nicht mehr bei Ioda fahren zu müssen...
Jonas Folger: Dieses Gerücht entbehrt natürlich jeder Grundlage. Unwahrheiten gibt es immer und überall, der Sport und auch das Fahrerlager leben von solchen Dingen. Mittlerweile habe ich es gelernt, mit solchen Umständen zu leben und lasse mich dadurch nicht mehr ablenken. Grundsätzlich würde ich nie Ausreden anführen, die sich in meinem Zustand oder meiner Gesundheit begründen. Mein Beruf ist Rennfahrer und diesen Job übe ich mit Herzblut aus. Wäre ich nicht zu 100 Prozent motiviert, hätte ich die Herausforderung bei Ioda nicht angenommen.

Wie geht man mit solchen Gerüchten in der Presse um?
Jonas Folger: Solche Dinge entwickeln schnell eine gewisse Eigendynamik, so dass man darauf keinen Einfluss mehr nehmen kann. Schlagzeilen, die sich außerhalb des Sports bewegen, interessieren die Menschen in der selben Art und Weise wie alle anderen News. Das unterscheidet sich kaum von anderen Sportarten oder von der Gesellschaft im Allgemeinen. Natürlich kränkt es mich und es fällt mir schwer, solche Dinge zu verarbeiten. In solchen Situationen kommt erschwerend hinzu, dass einem selten die Gelegenheit gegeben wird, sich selbst zu äußern. In solchen Momenten wird mir allerdings immer wieder bewusst, wie sehr ich den Sport liebe und ich versuche dann umgehend, die Antwort auf der Strecke zu geben.

Du versuchst, deinen Weg ohne elterliche Unterstützung zu gehen. Fehlen sie in solchen Momenten? Hilft dir dein Freund Marcel Schrötter in solchen Situationen?
Jonas Folger: Meine Eltern arbeiten sehr viel und ich selbst bin in meiner Arbeitsweise entspannter geworden, deshalb beschränken wir die Anwesenheit auf wenige Rennen. Grundsätzlich sind sie immer für mich da, allerdings versuche ich tatsächlich, die Wochenenden ohne familiäre Unterstützung auszukommen. Ich finde, dass sie mir in den Situationen, die mir als Fahrer begegnen, nicht helfen können. Es gehört zu meinem Beruf, diverse Probleme ruhig und systematisch selbst anzugehen und abzuhandeln. Vielmehr brauche ich meine Eltern zu Hause, um die alltäglichen Dinge zu bewältigen. Marcel und ich helfen uns schon in manchen Situationen, allerdings haben wir beide zuerst unseren eigenen Job zu erledigen. Wir sind sehr gute Freunde und treiben ab und an unsere Späße im Paddock.

Im Team von Aki Ajo lief nicht immer alles rund, Foto: Jonas Folger
Im Team von Aki Ajo lief nicht immer alles rund, Foto: Jonas Folger

Deine Karriere verlief bis zum August 2011 immer sehr geradlinig...
Jonas Folger: Nachdem ich die Akademie von Alberto Puig besucht hatte und einige Wildcard-Einsätze gefahren bin, wurde ich von der Dorna in das Ongetta-Team von Fiorenzo Caponera transferiert. Nachdem ich mit 15 Jahren das erste Mal auf dem Podium gestanden habe und eine recht erfolgreiche Saison hatte, waren viele Leute total begeistert von mir. Für mich war diese Phase einfach unglaublich. Viele Leute kommen zu dir, klopfen dir auf die Schulter und sagen "Wow, perfekt gemacht Jonas." Es sind wahnsinnig viele Dinge auf mich eingestürmt. In dieser Euphorie passierte mir aber auch ein Fehler. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt einige Optionen, doch ich habe mich sehr früh entschieden, für eine weitere Saison bei Ongetta zu bleiben. Ich dachte damals, dass es kein Fehler ist, sich so früh wie möglich einen Platz zu sichern. Angesichts des Materials, welches mir dann 2010 zur Verfügung stand, keine weise Entscheidung.

Dann fand deine Karriere ihre Fortsetzung bei Aki Ajo. Nicht immer eine harmonische Verbindung...
Jonas Folger: Ich kam sehr motiviert ins Team. Es gibt in der kleinen Klasse kaum ein Team, was professionellere Strukturen und bessere Mechaniker hat, außerdem war das Material ohne Zweifel top. Die Saison verlief gut und ich konnte in Silverstone meinen ersten Sieg feiern. In dieser Zeit hatte ich mir allerdings eine Chlamydien-Infektion in der Lunge eingehandelt. Ich habe mich in der darauf folgenden Zeit öfters unwohl gefühlt, bin aber aufgrund der vielen Rennen nicht zum Arzt gegangen. Ein Fehler, wie sich in Brünn herausgestellt hat.

Das Meeting in Brünn ist ein gutes Stichwort. Was war genau passiert?
Jonas Folger: Wie gesagt, ich hatte zu dieser Zeit seit knapp zwei Monaten diese Infektion verschleppt. In Brünn selbst habe ich am Mittwochabend eine Party von Karel Abraham besucht. Auf dieser Party waren wie üblich eine Menge Leute aus dem Fahrerlager, einige Piloten sowie Mitarbeiter aus dem Medienbereich. Ich habe die Feier gegen 23 Uhr verlassen. Es war für jeden Anwesenden ersichtlich, dass ich an diesem Abend ausschließlich alkoholfreie Getränke zu mir genommen habe. Dass dieser Partybesuch die nächsten Monate und meine Karriere so dramatisch beeinflussen sollte, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.

Am Donnerstag kam dann der Zusammenbruch auf der Strecke und Gerüchte machten die Runde...
Jonas Folger: Richtig, am Tag danach habe ich wie üblich zu Fuß die Strecke besichtigt und erlitt einen Kollaps. In der Clinica Mobile wurde ich kurz danach mit Infusionen behandelt und es wurden unter anderem extrem niedriger Blutdruck und Untertemperierung festgestellt. Daraus resultierte auch das Startverbot von Dr. Costa. Innerhalb kurzer Zeit machte die Behauptung die Runde, mein Schwächeanfall hätte mit größerem Alkoholgenuss eben zu dieser Party zu tun. Zu diesem Zeitpunkt wurde lediglich berichtet, dass ich an diesem Abend ausschweifend gefeiert und einen Zusammenbruch hatte. Es waren an diesem Abend einige Journalisten anwesend, die diese Gerüchte umgehend hätten entkräften können. Das genau dies nicht geschehen ist, traf mich damals sehr hart und hat mich noch sehr lange beschäftigt. Das Resultat der ganzen Angelegenheit war der verpasste Grand Prix und das verlorene Werksbike.

Aki Ajo bezeichnete diese Aktion damals als erzieherische Maßnahme. Das Geschäft verlangt immer nach jungen Fahrern, akzeptiert aber die Handlungsweisen der Teenager nicht wirklich...
Jonas Folger: Grundsätzlich sind die Teams professionell arbeitende Firmen, die mit großen Geldbeträgen arbeiten und wirtschaftlich ein relevantes Risiko tragen. Da wird natürlich einhundert Prozent Einsatz von den Fahrern erwartet. Auf der anderen Seite sind viele Fahrer in der kleinen Klasse noch halbe Kinder, ich selbst war beim ersten Besuch auf dem Podium 15 Jahre alt. Natürlich gibt es auch im Fahrerlager selbst mehr als genug Ablenkung. Dieses Drumherum muss man erst einmal einordnen können. So betrachtet könnte man schon sagen, dass das Geschäft im Bezug auf solche menschlichen Dinge eher hart und intolerant ist und gerade bei Aki Ajo wird da eine harte Linie durchgezogen. Sandro Cortese ist zum Beispiel seit seinem ersten Engagement bei Ajo durch sein höheres Alter fahrerisch und menschlich unglaublich gereift. Durch diese Reife, die man mit 16 oder 17 noch nicht besitzt, klappt auch die Zusammenarbeit sichtlich besser.

Aus der Zusammenarbeit mit MZ wurde nichts, Foto: Sutton
Aus der Zusammenarbeit mit MZ wurde nichts, Foto: Sutton

Nach der Trennung von Ajo solltest du im MZ-Team eigentlich in der Moto2 starten, doch die Zusammenarbeit kam nie zustande...
Jonas Folger: Ich wurde damals sehr spät von Aki Ajo über meine Entlassung informiert. Zu diesem Zeitpunkt stand ich sprichwörtlich auf der Straße, so dass auf der Suche nach einem neuen Motorrad Eile geboten war. Kurz danach gab es bereits erste Gespräche mit MZ und ich selbst wollte zu diesem Zeitpunkt gern in die Moto2 wechseln. Herr Wimmer stellte mir damals in Aussicht, eben diese Klasse auf einem FTR-Chassis fahren zu können. Dieser Plan scheiterte innerhalb kurzer Zeit, da Alexander Lundh sich mit einer großen Mitgift seiner Sponsoren in das Team einkaufte. Herr Wimmer gab mir gegenüber recht schnell und ehrlich zu, dass das Team auf diese Gelder nicht verzichten kann. Danach sollte ich eine Honda in der Moto3 fahren und Toni Finsterbusch wurde in das Racing Team Germany ausgelagert. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation im MZ-Werk wurde auch dieses Vorhaben nicht umgesetzt. Der Rest ist Geschichte und ehrlich gesagt hatte ich zu diesem Zeitpunkt etwas den Überblick verloren. Ich kann heute gar nicht mehr so genau sagen, was damals auf geschäftlicher Ebene alles abgelaufen ist.

Gab es eine persönliche Absage durch Martin Wimmer?
Jonas Folger: Dass ich meinen Platz als Permanentstarter verloren hatte, habe ich damals in einer E-Mail erfahren. Es gab aber kurze Zeit später noch ein Telefonat mit Martin Wimmer, in der die Situation besprochen wurde.

Hat dein Verhältnis zu Toni Finsterbusch dadurch gelitten?
Jonas Folger: Aufgrund der unübersichtlichen Situation wäre es sicher verständlich gewesen, wenn der Toni auf mich sauer gewesen wäre. Er bringt eine Menge Geld mit, um die WM zu fahren und wurde dann hin und her geschickt. Gerade als Neuling in der GP-Szene kein einfacher Einstand. Mit etwas Abstand betrachtet, war das schon eine komische Geschichte, in der ich wie gesagt keinen Durchblick mehr hatte. Aber unser Verhältnis ist nach wie vor in Ordnung.

Danach gab es noch die Möglichkeit, als Testfahrer bei MZ zu bleiben. War das eine ernsthafte Alternative?
Jonas Folger: Nein, Testfahrer zu werden, war nie ein Thema für mich. Durch die fehlende Präsenz auf der Strecke an den Rennwochenenden tritt man in der Presse kaum noch in Erscheinung. Wer sollte über eine Testfahrt über die Woche irgendwo in Spanien, Ungarn oder sonst wo ausführlich berichten? Wenn man dadurch in den Zeitungen oder im Internet kaum noch in Erscheinung tritt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Sponsoren abspringen. Ist man erst einmal aus den Köpfen der Teamchefs verschwunden, gibt es selten einen Weg zurück. Ehrlich gesagt, glaube ich auch nicht wirklich, dass es bei MZ viele Testfahrten gegeben hätte.

Gab es zu diesem Zeitpunkt Unterstützung aus Deutschland, speziell vom Verband?
Jonas Folger: Nein, nicht das ich wüsste. Ich war in der Situation vollkommen auf mich allein gestellt. Zu diesem Zeitpunkt habe ich sehr intensiv über mein Karriereende nachgedacht.

Dann kam das Ioda Team auf dich zu...
Jonas Folger: Nachdem bei MZ alles schief lief, was schief laufen konnte, nahmen die Leute von Ioda Kontakt zu mir auf. Ioda war schon seit längerer Zeit auf der Suche nach einem Piloten mit Erfahrung in der WM, aber es wollte niemand den Eigenbau fahren. Einen Monat vor Beginn der Saison waren natürlich alle Plätze in den Teams besetzt, sodass ich mich nach einer Testfahrt relativ schnell mit Teamchef Giampiero Sacci über eine Zusammenarbeit geeinigt hatte.

Ioda ist in allen drei Klassen vertreten. Ist mit euren Kapazitäten überhaupt eine sinnvolle Entwicklung möglich?
Jonas Folger: Das MotoGP-Team arbeitet ausgelagert in einer separaten Box und beeinflusst die Abläufe und Entwicklung bei uns kaum. Die Moto2 ist durch viele einheitliche Dinge nicht so arbeitsintensiv und alle Angelegenheiten im Bereich Fahrwerk werden von FTR-Angestellten betreut. Es ist natürlich schwierig, gegen eine hoch motivierte Truppe von KTM und einen riesigen Konzern wie Honda anzutreten, aber unmöglich ist es nicht. Giampiero Sacci hat durch seine Vergangenheit bei Aprilia viele gute Leute von damals in sein Team geholt. Ich denke, diese Leute wissen aufgrund ihrer Erfahrung immer, was sie tun.

Es ist auch für Außenstehende Fortschritt zu erkennen. Wie ist die Situation im Moment?
Jonas Folger: Wir haben eine Formkurve, die nach oben zeigt. Es gab in letzter Zeit Verbesserungen an der Einspritzung, der Auspuffanlage und der Kupplung. Die größte Baustelle bleibt die reine Motorleistung. Wir arbeiten auf Basis eines Aprilia RSA Chassis, das heißt, im Bezug auf das Fahrwerk haben wir die wenigsten Probleme. Der Speed in der Kurve und die Fahrbarkeit sind top, allerdings fehlt uns eben der nötige Durchzug auf der Geraden. Wichtig ist aber immer, dass ein Fortschritt zu erkennen ist und man eine Steigerung über die ganze Saison konservieren kann. Bei Mahindra ist zum Beispiel seit Saisonbeginn kaum ein Schritt nach vorn zu sehen. Das Team arbeitet sehr zielstrebig und setzt den Hebel an den richtigen Stellen an. Genau diese Umstände machen mir Mut. Letztendlich bin ich mit der Situation sehr zufrieden, in einem Team mit wirtschaftlich soliden Strukturen und dem Drang zu Verbesserungen zu sein.