Dass die Tribünen in Hockenheim leider nicht komplett ausverkauft waren, war auch für mich nicht zu übersehen. Die DTM muss weiter zeigen, dass sie ein gutes Produkt ist, guten Sport bietet - und gerade mit dem Saisonauftakt hat man gesehen, dass uns eine extrem spannende Saison bevorsteht. Doch das Wichtigste zuerst:

Glücklicherweise ist der schwere Startunfall noch relativ glimpflich ausgegangen - obwohl der Einschlagwinkel, in dem Susie Stoddart und Alexandre Prémat Tom Kristensen getroffen haben, extrem ungünstig war. Ausgangs der Linkskurve zur Parabolika sind Tom und Timo Scheider, der schon fast an ihm vorbei war, ganz leicht aneinander geraten, Tom wollte ein Stück weiter auf den Randstein fahren, um Beschädigungen vorne rechts zu vermeiden. Auf dem Randstein wurde er ausgehebelt, er kam rückwärts zurück ins Feld und versuchte, das Auto so schnell wie möglich wieder in Fahrtrichtung zu bringen. Eine Verkettung unglücklicher Umstände, Tom kann man keinerlei Vorwurf machen.

Bis zum Crash machte Prémat eine sehr gute Figur, Foto: Audi
Bis zum Crash machte Prémat eine sehr gute Figur, Foto: Audi

Was folgte, kenne ich aus eigener Erfahrung: Selbst wenn man nach einem so schweren Unfall noch in der Lage ist, selbstständig auszusteigen, bleibt man erst einmal im Auto sitzen und wartet auf die Rettungskräfte, um im Fall von Wirbel- oder Nackenverletzungen keine unkalkulierbaren Risiken einzugehen. Bergung und Erstversorgung haben gut funktioniert. Alexandre wird mit seinem Lendenwirbelanbruch wohl dennoch einige Zeit ausfallen - für ihn eine sehr unglückliche Situation: Er hatte sich viel vom Rennen versprochen und machte über das ganze Wochenende eine sehr gute Figur. Ebenso wie natürlich Paul Di Resta.

Die Entwicklungsschritte schrumpfen

Paul hat nicht umsonst die Formel 3 Euroserie gewonnen - ein Jahr nach einem gewissen Lewis Hamilton. Das spricht für die Nachwuchsarbeit in den Rahmenserien der DTM. Erfrischend war auch zu sehen, wie Daniel La Rosa und Alexandros Margaritis in ihren Jahreswagen auf die Plätze drei und vier gefahren sind. Was man bei Paul trotzdem nicht vergessen darf: Er hat den Gewichtsvorteil von 30 Kilogramm voll ausgenutzt. Auch für ein 2005er-Auto bedeuten 30 Kilo in Hockenheim einen Vorteil von fünf bis sechs Zehntelsekunden. So kann man das Handicap eines Gebrauchtwagens kompensieren. Bei konstantem Reglement werden die Entwicklungsschritte von Jahr zu Jahr kleiner, was man gerade beim 2007er-Mercedes gesehen hat. Die drei Jahrgänge sind in ihrer Performance homogen wie noch nie.

Schneider tat sich schwer auf seiner Aufholjagd - vor allem wegen der Leistungsdichte, Foto: DTM
Schneider tat sich schwer auf seiner Aufholjagd - vor allem wegen der Leistungsdichte, Foto: DTM

Gleiches gilt für das Kräfteverhältnis zwischen den Neuwagen: Die zehn schnellsten Autos waren in ihrer jeweils besten Runde innerhalb von eineinhalb Zehntelsekunden. Audi ist mit dem 2007er-A4 somit durchaus ein großer Wurf gelungen. Entscheidend war im Rennen jedoch die Strategie: Die Spätstopp-Strategie, wie sie Di Resta oder Gary Paffett verfolgt haben, war ganz offensichtlich ein Fehler. Mattias Ekström hat sich hingegen durch seine extrem frühen Boxenstopps freie Fahrt verschafft und konnte sich so den entscheidenden Vorsprung zum Sieg herausarbeiten. Ein kluger Schachzug von Audi, nachdem die eigentlichen Strategien durch den Startunfall auf den Kopf gestellt wurden.

Auch künftig mit gleichem Maß messen

Auch die Zweikämpfe sorgten für Diskussionen. Bernd Schneider und Christian Abt haben in der Spitzkehre hart gekämpft, Bernd ging früh aufs Gas und traf Christian, dessen Radaufhängung beschädigt wurde. Es war mit Sicherheit keine Absicht - und Zweikämpfe wollen wir schließlich sehen. Grenzwertig dagegen das Duell um Platz zwei zwischen Bruno Spengler und Timo: Bruno geriet komplett neben die Strecke, scherte zurück auf den Kurs und versuchte sehr unglücklich, seine Position zu halten. Fakt ist, dass Timo von Bruno berührt wurde und sich dadurch von der Strecke drehte. Schade für Timo, denn für ihn wäre es sein erster Podestplatz geworden. Mit der Strafe für Bruno kann ich zwar leben, aber wenn, dann sollte man diese Linie bei der Bewertung von Kollisionen das ganze Jahr über fahren. So wissen die Fahrer, worauf sie sich einstellen können.

Auch die Routiniers bei HWA wissen nun, worauf sie sich einzustellen haben. Wenn man im Mittelfeld losfährt, im Verkehr feststeckt, die Strategie nicht hundertprozentig passt, vielleicht ein Reifensatz Probleme bereitet, ist man schnell aus den Punkten. Wie es Bernd beinahe und Mika tatsächlich passierte. Abschreiben darf man beide nicht, doch weitere Fehler im Qualifying dürfen sie sich nicht mehr leisten: Zuletzt waren gerade die Mercedes-Fahrer verwöhnt, auch von mittleren Startplätzen mit guter Strategie nach ganz vorne zu fahren. Das wird in diesem Jahr so kaum noch funktionieren - denn die DTM ist ausgeglichen wie noch nie.