Le Mans besitzt einen ganz anderen Flair als die Formel 1 oder andere Rennserien. Wie viel Spaß hat es Dir gemacht?
Nick Heidfeld: Es war von Beginn der Saison klar, das Le Mans das Highlight des Jahres für mich würde, ganz unabhängig vom Ergebnis. Es ist ein Mythos, den man erlebt haben muss, um ihn zu verstehen. Das war bei mir 1999 der Fall und seit dem hatte ich mich schon immer darauf gefreut, hoffentlich wieder zurück zu kommen. Speziell das Fahren in der Nacht, welches ein ganz anderes Flair ergibt, übt ähnlich wie andere 24h Rennen ein ganz besonderen Reiz aus, speziell auch in Verbindung mit den vielen Fans um die Strecke.

Welche besonderen Eindrücke oder Erlebnisse nimmst Du aus Le Mans 2012 mit?
Nick Heidfeld: Vor dieser Saison habe ich mich sehr darauf gefreut, neue Herausforderungen zu bewältigen und das war auch für mich in Le Mans das Eindrücklichste, das Ungewöhnlichste. Den Verkehr, auch bei Nacht hatte ich ja schon in Sebring miterlebt, aber das ist in Le Mans bestimmt eine der schwierigsten Aufgaben. Es ist zwar körperlich nicht gerade anstrengend, aber du musst von der Konzentration her die ganze Zeit voll da sein.

Abgesehen von der frühen Nacht, wo überall Dreck und Kies auf der Strecke waren, kaputte Autos über die Piste schleichen, gelbe und weiße Flaggen am Streckenrand gezeigt werden und Reifenqualm, Motorenlecks oder Lagerfeuer die Sicht zusätzlich einschränkten, geht die größte Gefahr das Rennen zu verlieren von unvorhersehbaren Aktionen und Linienwahlen anderer Mitbewerber aus. Zum Beispiel wenn ein langsameres Auto vor dir sich auf einmal zu einem abrupten Fahrbahnwechsel entscheidet, ohne vorher in den Rückspiegel geschaut zu haben, lediglich um sich zum Beispiel irgendwo einen Windschatten zu holen... aber diese Dinge vorherzuahnen und zu meistern ist halt auch befriedigend und spannend.

Fahrerisch das Ungewöhnlichste war aber für mich, das ganze Rennen über Sprit zu sparen. Ich hatte zwar in der Formel 1 immer einen wirklich guten, da niedrigen Spritverbrauch, aber kam dieser immer natürlich und automatisch zustande. Jetzt musste ich tatsächlich zum Beispiel extra früher vom Gas gehen. Ziel dessen ist natürlich mit möglichst wenig Boxenstopps durch zu kommen. Nur zu Rennende, als es für unser Auto darum ging, den 4. Platz gegen Audi zu verteidigen, war das Spritsparen kein Thema mehr. Hier hat Neel eindrucksvoll gezeigt, was dann möglich ist.

Nick Heidfeld schlug sich in Le Mans beachtlich, Foto: Speedpictures Fotoagentur
Nick Heidfeld schlug sich in Le Mans beachtlich, Foto: Speedpictures Fotoagentur

Sportlich lief es für Euch sehr gut. Hast Du zwischenzeitlich kurz ans Podium gedacht?
Nick Heidfeld: Auch wenn ich es für unwahrscheinlich hielt, ist das natürlich schon irgendwo im Hinterkopf. Wenn man Vierter ist und den Rennsport kennt, weiß man, dass speziell in Le Mans alles passieren kann. Jedoch hat Audi bei deren Reparaturarbeiten einen bemerkenswerten Job abgeliefert und somit die Top-3-Positionen gesichert. Nichtsdestotrotz sind wir natürlich als bestplatziertes Privatteam, das zumindest einen Weks-Audi hinter sich lassen konnte, mit dem 4. Gesamtrang sehr zufrieden.

Du hast gesagt, dass du gerne nach Le Mans zurückkehren möchtest. Hast du also mit der Formel 1 abgeschlossen?
Nick Heidfeld: Es ist schwierig, mit etwas abzuschließen, bei dem man nicht das erreicht hat, was man sich vorgenommen hat und auch zutraut. Jedoch kann man nichts erzwingen und ich mache nach wie vor meinen Job so unglaublich gerne und so gut ich kann... was dann dabei herauskommt ist auch irgendwo - zum Glück - nicht vorhersehbar.

Wie fielen die Reaktionen auf die starke Leistung in Le Mans aus?
Nick Heidfeld: Es hat mich überrascht, wie viele Glückwünsche gekommen sind. Das zeigt auch einfach, welchen Stellenwert das Rennen im Motorsport hat. Es ist sportlich gesehen eines der größten Events weltweit.

Jeder Rennfahrer will gewinnen. Wäre ein Werkscockpit für Le Mans der Weg, um dieses Ziel zu erreichen?
Nick Heidfeld: Genauso wie der Weg, ist auch der Sieg das Ziel. Dabei geht natürlich unter, dass wir zusammen mit der starken Rebellion Truppe und meinen tollen Teamkollegen Neel Jani und Nico Prost die letzten beiden Rennen in unserer Klasse gewonnen haben. Nach Spa gab es in Le Mans sogar doppelte Punkte für die WEC; aber natürlich will man ganz nach oben und das ist nur in einem Werksteam möglich. Ich finde, wie die Zeichen stehen, könnte den Sportwagen eine goldene Ära bevorstehen. Es gibt den offiziellen Weltmeister-Status, starke Fahrer, die Autos sind wirklich der Hammer und die Events weltweit ein Highlight. Es wäre toll, wenn sich zu Toyota, die glaube ich in diesem Jahr für viele, trotz Ausfalls, eine positive Überraschung waren, sowie dem Sportwagenhersteller Porsche und Le Mans Rekordsieger schlechthin, noch weitere Hersteller dazu gesellen würden.

Heidfeld hat 2012 noch einiges vor, Foto: Speedpictures Fotoagentur
Heidfeld hat 2012 noch einiges vor, Foto: Speedpictures Fotoagentur

Audi erzielte den ersten Sieg eines Hybrid-Rennwagens in Le Mans. Ist das die Zukunft des Motorsports?
Nick Heidfeld: Das ist gar keine Frage; und der historische Erfolg war mit Sicherheit für den Konzern eine fantastische Botschaft nach außen. Überall, auch im Motorsport, wird versucht, nachhaltiger zu arbeiten. Auch das neue Reglement, das ab 2014 in Kraft tritt, zielt ganz klar in diese Richtung.

Wie geht es mit der WEC in diesem Jahr weiter - fährst Du die Saison bei Rebellion zu Ende? Oder gibt es Alternativen?
Nick Heidfeld: Es wird dieses Jahr noch weitere Aktivitäten für mich geben. Als nächstes steht Goodwood an, dort werde ich mit dem 99er Weltmeisterauto von McLaren-Mercedes, mit dem ich den Goodwood-Rekord aufgestellt habe, erneut dabei sein. Außerdem habe ich, wie schon erwähn,t dieses Jahr Freude daran, meinen Fahrspaß in neuen und für mich unbekannten Autos und Serien auszuleben und mich so gleichzeitig fit zu halten. Ich kann da im Moment noch nichts preisgeben, aber ich freue mich schon darauf, im Laufe der Saison noch weiteres Rennneuland zu betreten.