Pilgerfahrt zur und durch die "Grüne Hölle": Auch bei der mittlerweile 35. Ausgabe der "24 Stunden Nürburgring" hat der Langstrecken-Klassiker bei Aktiven und Fans nichts von seiner Anziehungskraft verloren. So werden in diesem Jahr am Fronleichnam-Wochenende wieder Hunderttausende Zuschauer mit Wohnmobilen und Zelten sowie ausreichend Getränken und Grillgut im Gepäck Quartier rund um den legendären Eifelkurs beziehen. Ihr Auftrag: Einmal mehr eine motorsportliche Mammut-Party feiern. Sozusagen als Ehrengäste fungieren dabei die 700 Piloten, die sich auf der anspruchvollsten Rennstrecke der Welt an dem materialmordenden Marathon beteiligen. Inklusive der zahlreichen Serien im Rahmenprogramm wie dem "Egons 500"-Youngtimer-Rennen rechnen die Veranstalter mit insgesamt mehr als 700 Fahrzeugen und über 1.500 Fahrern. Das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring ist zweifelsfrei die mit Abstand größte Motorsportveranstaltung Europas - wenn nicht sogar weltweit.

Doch nicht nur Masse, auch Klasse zeichnet das Kult-Event aus: Porsche, BMW, Aston Martin und Lamborghini sind nur einige der klangvollen Marken, die die Herzen von Menschen mit Benzin im Blut höher schlagen lassen. Hinzu kommen zahlreiche wohlbekannte und mit Titeln hochdekorierte Fahrerpersönlichkeiten wie der dreimalige Sieger Klaus Ludwig oder das dänische Tourenwagen-Ass Kurt Thiim.

So verliefen die "24 Stunden Nürburgring 2006"

Klarer Erfolg beim Eifel-Klassiker: Mit einem nie ernsthaft gefährdeten Vorsprung gewannen Lucas Luhr, Mike Rockenfeller, Marcel Tiemann und Timo Bernhard am Steuer ihres Michelin-bereiften Porsche 911 des Teams Manthey Racing im vergangenen Jahr das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Bei sommerlich konstantem Wetter spulte das Fahrer-Quartett insgesamt 151 Runden auf dem Grand Prix-Kurs und der legendären Nordschleife ab und stellte damit einen neuen Distanzrekord auf. Für Teamchef Olaf Manthey war es im 25. Anlauf der erste Sieg bei diesem Langstreckenklassiker.

Land Motorsport ist großer Favorit, Foto: ADAC
Land Motorsport ist großer Favorit, Foto: ADAC

Auch in diesem Jahren zählt der Porsche 997 GT3 RSR des im Vorjahr siegreichen Manthey Racing-Teams mit Timo Bernhard, Marc Lieb, Romain Dumas und Marcel Tiemann am Steuer zum engeren Favoritenkreis. Das Quartett wird auch von der Konkurrenz hoch eingeschätzt. "Manthey hat den Trumpf der besonders guten Reifen", weiß Marc Basseng, Pilot des Porsche von Land Motorsport. "Hinzu kommt eine sehr gute Fahrerbesetzung." Teamchef Olaf Manthey schränkt aber ein: "Mindestens ein halbes Dutzend Teams kommt für den Gesamtsieg in Frage."

Eines weiß Manthey allerdings auch: "Es gibt genügend Teams, die uns die Suppe versalzen wollen." So wie Alzen Motorsport , wo für die Saison 2007 ein Rennwagen auf Basis des Porsche Cayman aufgebaut wurde: Der 3,9-Liter-Sechszylinder leistet rund 520 PS und ist mit einem ebenso routinierten, wie erfolgreichen Fahrertrio besetzt: Am Steuer des 1.250 kg schweren Porsches sitzt neben den beiden Brüdern Uwe und Jürgen Alzen auch Christian Menzel.

Ein anderes Favoritenteam: Land Motorsport, wo Teamchef Wolfgang Land auf bewährte Technik vertraut: "Unser 996 ist im vergangenen Jahr bestens gelaufen, warum sollen wir darauf nicht zurückgreifen?", sagt Land. Auch Stammfahrer Marc Basseng war bereits 2006 für Land im Einsatz, während Marc Hennerici neu ist: Der Meister der Privatfahrerwertung der Tourenwagen- Weltmeisterschaft 2005 ist der zweite Pilot im Cockpit des Porsche 996 GT3-RSR. Ähnliche Konstanz in Bezug auf das Einsatzfahrzeug zeigt auch das Team von Raeder Motorsport: "Für unser Auto gibt es nichts von der Stange", weiß Dirk Adorf. "Die Rennen in der Langstreckenmeisterschaft Nürburgring dienen ausschließlich zur Vorbereitung auf das 24h-Rennen." Adorf pilotiert gemeinsam mit dem Formel-1-Architekten Hermann Tilke und Peter Oberndorfer das flachste Auto im Feld: Der Lamborghini Gallardo ist lediglich 1,105 Meter hoch, bringt dafür aber jede Menge Power an den Start: rund 540 PS leistet die Renn-Flunder. Das prominente Trio ist dabei übrigens nicht alleine: Auch das Team Lambo-Racing bringt einen Gallardo an den Start. Stephan Rösler,Andreas Kitzerow, Georg Silbermayr und Florian Scholze bilden hier das Fahrer-Quartett.

Zu den Favoriten zählt auch Zakspeed Racing mit ihrer Dodge Viper GTS-R. Christophe Bouchut, Tom Coronel, Duncan Huisman und Patrick Simon sollen die rote Giftschlange aus Niederzissen bändigen. "Nicht zuletzt die guten Ergebnisse in der BFGoodrich Langstreckenmeisterschaft Nürburgring beweisen, dass das Team Zakspeed ein rundum sehr gutes Setup für die Dodge Viper GTS-R entwickelt hat, das auch bei Regen perfekt mit den Reifen harmoniert und deren Potenzial ausnutzt", so Josef Schneider, Michelin Rennleiter.

Ein Exot: Der Lamborghini Gallardo, Foto: ADAC
Ein Exot: Der Lamborghini Gallardo, Foto: ADAC

Als Anwärter auf einen der vorderen Plätze gilt auch der von Klaus Ludwig, Marcel Fässler, Sascha Bert und Robert Lechner pilotierte Aston Martin DBRS 9 von Phoenix Racing. Ein Zwölfzylinder mit sechs Liter Hubraum und 600 PS macht das in klassischem "Racing Green" lackierte Edelcoupé zu einem der stärksten Wagen im Feld. Eine Favoritenrolle weist Teamchef Dirk Theimann aber von sich und stapelt lieber tief: "Wir wollen das Rennen ohne größere Probleme durchfahren und viel Erfahrung für die Zukunft gewinnen. Wenn uns das gelingt, werden wir sicher auch mit einer guten Position belohnt."

Ebenfalls stark besetzt sind die Porsche GT3 RSR der Teams Konrad Motorsport, in dem sich Patrick Huisman, Wolfgang Kaufmann und Dennis Rosteck abwechseln, sowie der GT3 RSR des Teams Paragon AG, der von Pierre Kaffer, Jörg Hardt, Patrick Bernhardt und Klaus Frers gesteuert wird.

Mit dabei ist auch Rennfahrerlegende Hans-Joachim Stuck. Nach seinem schweren Unfall vor fünf Wochen hat von den Ärzten grünes Licht bekommen und hat in seinem BMW Z4 von Schubert Motors ebenfalls gute Chancen auf den Gesamtsieg. Doch Stuck bleibt realistisch: "Den Gesamtsieg beim 24h-Rennen können zehn Autos holen. Der BWM Z4 ist von der Performance her ganz sicher für einen Podiumsplatz gut. Wenn uns als Fahrern und im Team ein Null-Fehler-Rennen gelingt, können wir ganz, ganz vorne dabei sein.Allerdings ist genau das die große Hürde. Denn schon kleine Fehler machen sich beim 24h-Rennen in der Endabrechnung massiv bemerkbar."

Stuck geht übrigens zusammen mit seinem Sohn Johannes ins Rennen. "Das erste gemeinsame 24-Stunden-Rennen von Johannes und mir war im vergangenen Jahr in Dubai – dort starteten wir allerdings in verschiedenen Teams. Wie es der Zufall wollte, lagen wir eine halbe Stunde vor Rennende plötzlich direkt hintereinander. Wir haben uns dann mit unseren Teams abgestimmt und sind gemeinsam bis zur Ziellinie gefahren – ich zum Gesamtsieg, Johannes zum Klassensieg. Das war ein sehr schönes Erlebnis", berichtet der Vater.

Ein Rennen der Superlative

Über 2.000 haupt- und ehrenamtliche Helfer benötigen die Organisatoren für das 24h-Rennen, um die Veranstaltung durchzuführen. Von den 250 Polizisten, die die Verkehrsströme weiträumig leiten und für die Sicherheit in Außenbereichen zuständig sind bis zum Rennleiter, auf dessen Signal das Rennen beginnt und endet sind sie tagelang unermüdlich im Einsatz – oft schon ab Dienstags vor dem Rennen. Denn dann beginnen nicht nur die Fans damit, ihre "Claims" entlang der Strecke abzustecken, auch die Rennvorbereitungen gehen in die heiße Phase. Das Herzstück des Rennens ist ein Orgateam, dem rund 130 Personen angehören: 30 Helfer bilden die eigentliche Rennleitung, die – vom Renn- und Orgaleiter über den Leiter der Streckensicherung über Rennsekretäre und Zeitnahmekommissare bis hin zu den Einsatzleiter dern Hilfsdienste reicht. Weitere 100 Personen sind in angrenzenden Bereichen tätig – von den Sportkommissaren und Technischen Kommissaren über die Streckensprecher bis hin zum Team im Welcome Center.

Bei den Fans ist das Rennen beliebt, Foto: ADAC
Bei den Fans ist das Rennen beliebt, Foto: ADAC

Rund 700 Rennfahrzeuge, in denen geschätzte 1.000 bis 1.200 Rennfahrer ins Volant greifen, bekommen die Fans an den vier Veranstaltungstagen am Nürburgring zu sehen: 230 Fahrzeuge und 700 Piloten sind es alleine im Hauptrennen! Klarer Fall: Bei diesen Zahlen und einer Streckenlänge von 25,378 km muss die Organisation gigantische Ausmaße haben. Etwa bei den Streckenposten: Fast 900 Marshals die im Schichtbetrieb für Sicherheit sorgen, wechseln sich entlang der Nordschleife ab. Weitere 70 Posten sind in der Boxengasse im Einsatz, 40 Marshals werden im Fahrerlager benötigt. Und das sind nur die größten Positionen auf einer langen Liste von Aufgaben, die auszufüllen sind. Für die vielfältigen Shuttlefahrten etwa sind alleine 45 Helfer notwendig.

Beeindruckend ist auch die Kombination von Technik und Menschen, die für die Sicherheit beim Rennen sorgt. Knapp 120 Feuerwehrleute und 60 Ärzte und Sanitäter im medizinischen Bereich stehen für Notfälle rund um die Strecke bereit. Für schnelle Hilfe an der Strecke sorgt außerdem die DMSB-Staffel mit rund 60 Personen. Kommt es zu kleineren Vorfällen, kann das Team in der Streckensicherung auf vielfältige Weise reagieren: Sieben Abschleppwagen und fünf Bergetraktoren sind im Einsatz, mit zwei Kleinbussen können zusätzliche Marshals für Aufräum- und Bergungsarbeiten herangeholt werden. Für die Absicherung solcher Einsätze haben die Organisatoren des 24h-Rennens eine besondere Lösung entwickelt. Auf der Nordschleife ist der Einsatz von Safety-Cars schon aus praktischen Erwägungen immens kompliziert, weshalb so genannte "stationäre Safety-Car-Phasen" eingeführt wurden: Müssen an Streckenabschnitten größere Maßnahmen durchgeführt werden, wird die Piste mit Pylonen verengt und die Teilnehmer mit gelben Flaggen und weiteren optischen Signalen heruntergebremst. Diese Aufgabe übernehmen die vier Intervention-Teams, deren fast 30 Mitglieder aus handverlesenen Rennfahrern und Marshals bestehen, die im 420 PS starken Audi RS4 an den Unfallort eilen und dort die Sicherungsmaßnahmen übernehmen.