W Series: 55 Kandidatinnen im Video-Interview (14:30 Min.)

Die W Series sorgt für hitzige Debatten in der Sportwelt. Die eine Seite sieht die erste Formel-Rennserie ausschließlich für Frauen als große Chance, die andere als Rückschritt für die Emanzipation im Motorsport. 55 Kandidatinnen wurden letztendlich ausgewählt, die für die 18 Startplätze (plus wenige Ersatzplätze) in der Saison 2019 in Frage kommen.

Zuvor hatten sich laut W Series mehr als 100 Frauen aus 30 unterschiedlichen Ländern rund um den Globus für einen Platz beworben. "Wir sind erfreut, aber nicht überrascht von der Resonanz", sagt Serienchefin Catherine Bond Muir. "Selbst heute herrscht ein großes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern und die W Series unternimmt den ersten Schritt, um das zu ändern."

Es stellt sich allerdings die Frage: Sind mehr als 100 Bewerbungen weltweit für eine Rennserie, in der die Frauen komplett kostenlos Formel-3-Rennen fahren können, sogar die Reisekosten übernommen werden und es auch noch 1,5 Millionen Dollar Preisgeld zu gewinnen gibt, nun viel oder wenig?

100 Bewerberinnen: Viel oder wenig?

"Wir waren hocherfreut, aber nicht überrascht über die große Anzahl", sagt ein Seriensprecher auf konkrete Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. "Es zeigt, dass viele Fahrerinnen die W Series als eine Möglichkeit sehen, ihre Karriere voranzutreiben." Klare Aussage also: Die neue Serie bewertet die Resonanz als durchweg positiv.

Einige Motorsport-Insider sehen das jedoch anders und waren tatsächlich überrascht, dass sich 'so wenige' Frauen für eines der Cockpits in der Serie beworben haben, die 2019 komplett im Rahmenprogramm der DTM vor großer Kulisse gastiert.

1982: 1.400 Bewerbungen für Frauen-Markenpokal

Rückblick: Schon einmal gab es die Idee, eine Rennserie ausschließlich mit weiblicher Beteiligung auszutragen. Im Jahr 1982 rührte Autohersteller Ford die Werbetrommel für den 'Ford Fiesta XR2 Ladies Cup' - die Resonanz war überwältigend: 1.400 (!) Damen meldeten ihr Interesse an. 120 von ihnen wurden zu einem dreitägigen Sichtungslehrgang auf den Nürburgring eingeladen.

Die letztlich von einer Jury (u.a. die Ford-Werksfahrer Klaus Ludwig und Klaus Niedzwiedz) auserwählten 20 Fahrerinnen zwischen 18 und 29 Jahren kämpften im Rahmen der Deutschen Rennsport-Meisterschaft (DRM) um den Gewinn eines Autos, einer weiteren Förderung im Rennsport sowie Preisgeld zwischen 500 und 5.000 DM. Sprichwörtliche Peanuts im Vergleich zu den 1,5 Millionen Dollar Preisgeld in der W Series, von denen die Siegerin allein eine halbe Million einstreicht.

Der Ford Fiesta XR2 Ladies Cup im Jahr 1982. Ganz vorne: Siegerin Annette Meeuvissen, Foto: Ford-Werke Köln
Der Ford Fiesta XR2 Ladies Cup im Jahr 1982. Ganz vorne: Siegerin Annette Meeuvissen, Foto: Ford-Werke Köln

Wie viele Frauen kommen für die W Series in Frage?

Lassen sich beide Rennserien miteinander vergleichen oder sind die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu unterschiedlich? Während der Ford Fiesta damals 90 PS leistete, kommt in der W Series ein durchaus anspruchsvolles Rennauto zum Einsatz: ein Tatuus F3 T-318 mit Vierzylinder-Turbomotor und 270 PS. Komplett ohne Vorerfahrung dürfte es ein schwieriges Unterfangen werden, einen solchen Rennwagen gekonnt über die Strecke zu pilotieren.

Eine weitere Hürde bei der Bewerbung für die W Series: Voraussetzung war der Besitz einer internationalen C-Rennlizenz, wie Motorsport-Magazin.com erfahren hat. Die setzt ein Mindestalter von 16 Jahren voraus - womit viele ambitionierte, junge Mädchen aus dem Kartsport durch das Bewerbungsraster fallen. Sprich: Wer W Series fahren will, muss zumindest eine gewisse Erfahrung mitbringen.

Ein Foto als Bewerbung...

Im Ford Ladies Cup war es um einiges einfacher: Die damaligen Voraussetzungen für die Bewerbung waren lediglich ein Foto, das Mindestalter von 18 Jahren, ein Maximalalter von 29 Jahren und der Besitz eines Führerscheins. Zudem wünschte sich Ford damals, dass die Bewerberinnen über eine gewisse Motorsporterfahrung (Slalom, Kartsport) verfügen.

Unter den 120 auserwählten Damen befanden sich aber auch Mädels, die diesen Wunsch nicht erfüllen konnten. Dem Vernehmen nach hatten sie die Einladung zum dreitägigen Sichtungslehrgang auf dem Nürburgring ihrem Aussehen auf dem Foto zu verdanken... Als es in der Eifel schließlich ans Eingemachte ging, setzten sich letztendlich nur diejenigen durch, die zuvor schon einmal den Grenzbereich ihres Autos bei einer Rennveranstaltung ausgelotet hatten.

Der Tatuus F3 T-318 mit Vierzylinder-Turbomotor und 270 PS, Foto: W Series
Der Tatuus F3 T-318 mit Vierzylinder-Turbomotor und 270 PS, Foto: W Series

W Series ohne Vorerfahrung? Schwierig

"Letztendlich gibt es meiner Meinung nach gar nicht so viele Frauen, die für die Serie in Frage kommen", sagt Carrie Schreiner zu Motorsport-Magazin.com. Die 20-Jährige hat es in die engere Auswahl der W Series geschafft. Schreiner blickt auf zwei Jahre in der ADAC Formel 4 sowie zuletzt zwei Saisons in der Lamborghini Super Trofeo zurück.

Schreiner mit Blick auf die anderen Kandidatinnen: "Unter den auserwählten Bewerberinnen sind viele dabei, die ihr Leben lang Motorsport machen. Wer keinen solchen Weg beschritten hat, für den wird es nicht einfach in der W Series. Es ist nun einmal schwierig, ein Formel-3-Auto zu fahren. Deshalb hat mich sehr gewundert, dass es gleich 55 Frauen in die Endausscheidung geschafft haben. Es ist toll, dass die Serie ein Zeichen setzt - das muss sich alles aber erst einmal entwickeln. Junge Mädchen, die jetzt in den Motorsport einsteigen, sehen die Entwicklung der W Series, und dann wird es bestimmt noch mehr werden."

Kandidatinnen zwischen 17 und 33 Jahre alt

Ein Blick auf die 55 Damen zeigt: Die meisten haben bereits Erfahrung in Formel-Rennserien oder höheren GT-Serien gesammelt. Die jüngste Kandidatin ist 17 Jahre alt (Courtney Crone, F1600 Series), die älteste ist die Deutsche Doreen Seidel mit 33 Jahren. Das Playmate des Jahres fuhr zwischen 2014 und 2016 unter anderem im Audi TT Cup im Rahmen der DTM sowie in im GT4 Eurocup und der Britischen GT-Meisterschaft.

Seidel will den Vergleich zwischen W Series und dem früheren Ford-Markenpokal nicht gelten lassen. "Bei der W Series handelt es sich um professionellen Motorsport und nicht um eine Einsteiger-Rennserie wie beim Ford Fiesta Cup", sagt sie zu Motorsport-Magazin.com. "Dort haben sich sicher auch viele Mädels beworben, die vorher mal ein paar Runden im Leihkart gedreht haben."

So lief es beim Ford Fiesta XR2 Ladies Cup

Zumindest hat der Ford Fiesta XR2 Ladies Cup damals vorgemacht, was sich die W Series mehr als 30 Jahre später auf die Fahne geschrieben hat: Frauen eine Plattform zu bieten, auf der sie sich präsentieren und für einen Job im professionellen Motorsport bewerben können.

Als Gesamtsieger des Ford Fiesta XR2 Ladies Cup, dessen fünfjährige Austragung zwischen 1982 und 1986 für viel Furore sorgte, nutzten unter anderem Annette Meeuvissen (Gewinnerin 1982) und Beate Nodes (1984) ihr Talent und schafften als Ford-Werksfahrerinnen den Sprung in die VLN und Tourenwagen-EM (Meeuvissen) sowie DTM (Nodes).

Während Nodes 1986 als erste Frau in der DTM einen Podiumsplatz erzielte (Dritte auf der Berliner AVUS), wechselte Meeuvissen von Ford zu BMW und fuhr gemeinsam mit einer weiteren schnellen Dame, Mercedes Stermitz, 1987 in einem Werks-BMW M3 des Freilassinger Schnitzer-Teams in der Tourenwagen-WM (WTCC).

Dort empfahl sich Meeuvissen mit guten Leistungen (u.a. Gesamtrang sieben beim 24h-Rennen in Spa sowie in Calder/Australien) für ein DTM-Cockpit. Für die werksunterstützten BMW-Teams Linder und ZAKSPEED bestritt Meeuvissen von 1988 bis 1991 insgesamt 59 Rennen in einem M3.