Über dem großen Teich sammelt Timo Glock derzeit seine ersten Erfahrungen in der amerikanischen Champ Car Serie. Doch obwohl der letztjährige Jordan-Pilot erst ein Rennen in Long Beach bestritten und dabei einen starken sechsten Rang belegt hat, fühlt er sich im Fan freundlichen Champ Car Paddock bereits wie zu Hause - Schließlich stammt er aus dem ähnlich Fan nahen DTM-Umfeld.

In selbigem trafen wir ihn am vergangenen Wochenende beim Saisonauftakt in Hockenheim zum Gespräch um in der entspannten DTM-Atmosphäre über Timos Abenteuer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu plaudern.

Timo, Dein US-Abenteuer hat letztes Wochenende positiv begonnen, auch wenn Du letzten Endes nicht ganz zufrieden warst...

Timo Glock: Das stimmt. Ich war nicht ganz so zufrieden. Nach den ersten Eindrücken von der Strecke und vom Auto am Freitag war es eher negativ, da ich sehr viel Probleme mit dem Setup hatte und ich die Strecke noch lernen musste. Und gerade in Long Beach benötigt man sehr viel Erfahrung, da es so viele Bodenwellen gibt, bei denen man einfach wissen muss wo man einlenken darf und wo nicht. Es war also schon ziemlich trickreich.

Dann haben wir viele Stunden lang die Daten durchwühlt und die Tests, die gut verlaufen waren, analysiert. Im Freien Training war ich deshalb ganz gut dabei und im Qualifying habe ich ein bisschen Pech gehabt, da ich es mir etwas verbaut habe. Wir haben zwei Reifensätze für das Qualifying, aber Bridgestone hat uns gesagt, dass der Reifen auch fürs Rennen geht, weswegen wir uns einen Satz gespart haben. Und bevor ich mir diesen in der Box abholen konnte, habe ich leicht die Mauer berührt und die Spur etwas verstellt. Damit war dann natürlich nichts mehr möglich und alle anderen haben ihren Qualifyingsatz aufgezogen und sind schneller gefahren. Deswegen war ich ein bisschen enttäuscht, dass ich einen Fehler gemacht habe, da ich gewusst habe, dass vom Auto her mehr drin gewesen wäre. Es hat aber nicht sollen sein.

Im Rennen habe ich mich dann in den ersten Runden vom Alex Tagliani etwas überrumpeln lassen, aber mit dem Push-to-Pass-Button ist es natürlich auch extrem einfach zu überholen. Ich habe ihn drei Runden später wieder zurück überholt, aber dies beanspruchte meine Qualifyingreifen so stark, dass sich meine Hinterreifen langsam auflösten. Dadurch habe ich sechs Sekunden verloren und musste vier Runden früher als geplant an die Box gehen. Auf diese Weise kam Alex Tagliani wieder an mir vorbei und ich hing hinter ihm fest. Er ist dann eine Runde früher als ich in die Box gegangen, weswegen ich ihn wieder überholen konnte. Mit dem letzten Reifensatz war das Auto danach unglaublich und ich konnte die zweitschnellste Rennrunde fahren. Entsprechend war ich gegen Ende zusammen mit Sebastian Bourdais einer der Schnellsten. Mein Auto war einfach extrem gut und ich konnte richtig pushen. Schade war nur, dass ich nach der letzten Gelbphase zwei Runden warten musste bis ich die Reifen wieder auf Temperatur bringen konnte. Deswegen war ich zwar an Dominguez dran, konnte ihn aber nicht überholen, da das Rennen dann vorbei war. Allerdings hatte er ohnehin noch Zeit auf seinem Push-to-Pass-Button übrig und ich nicht. Das Rennen war okay und die Performance war gut. Ich schaue jetzt einfach nach vorne und glaube, dass in diesem Jahr viel möglich ist. Das einzig schwierige ist, dass ich alle Strecken neu lernen muss.

Wie verliefen Deine Tests in der letzten Woche in Portland?

Timo Glock: Am Mittwoch war ich Zweiter, am Donnerstag hatten wir ein Problem mit dem Differenzial und habe deshalb über zwei Stunden an der Box gestanden. Zudem hat die Strecke unter dem starken Wind gelitten, weshalb man allein durch den Wind schon ein paar Zehntel verloren hat. Ich bin dann zwar noch einmal auf neuen Reifen raus gefahren, und war dabei soweit ich weiß sogar Schnellster, aber die Rundenzeiten von Mittag konnte ich nicht mehr angreifen. Wir sind auf jeden Fall auf dem Weg in die richtige Richtung und ich bin mit dem Test zufrieden.

Du blickst dem nächsten Rennen in Monterrey also zuversichtlich entgegen?

Timo Glock: Die Streckencharakteristik ist dort anders, aber sie sieht ganz gut aus und sollte mir und dem Auto ganz gut liegen.

Das Streckenlernen bist Du aus dem letzten F1-Jahr ja ohnehin gewöhnt...

Timo Glock: Genau, da habe ich keine Probleme mit.

Allerdings fahrt Ihr auf vielen verschiedenen Streckentypen: Auf permanenten Rennstrecken, auf Straßenkursen und auf Ovalen - ist die Umstellung schwierig?

Timo Glock: Es ist natürlich schon ungewohnt, aber das einzige was du machen kannst ist das Auto nicht an die Wand zu hauen, da dir sonst im Training zu viel Zeit verloren geht. Denn wenn du einen Fehler machst, dann hängst Du in der Mauer. Das ist das Schwierige an den Stadtkursen. Auf den Ovalen bin ich noch nicht gefahren, aber das wird sich am 4./5. Mai in Milwaukee zeigen. Dort hat mein Teamkollege Ryan Hunter-Reay im letzten Jahr einen Rekord nach dem anderen aufgestellt und war der erste Fahrer der dort von Anfang bis zum Ende geführt und das Rennen gewonnen hat. Also werde ich ihn mir mal zur Seite nehmen und mir erklären lassen was ich da machen muss. Ich bin auf jeden Fall gespannt und freue mich schon darauf auf einem Oval zu fahren.

In diesem Jahr sind viele Ex-Formel 1 und F3000-Piloten in der Champ Car Serie aktiv: Wie groß sind die Unterschiede bei den Autos?

Timo Glock: Es ist schon ein deutlicher Unterschied allein durch die Aerodynamik vorhanden. Auch bei den Reifen haben wir den Unterschied von Slicks zu Rillenreifen. Die Champ Cars sind etwas schwerer und etwas größer und dadurch auch etwas träger. Aber im Champ Car muss man im Vergleich zur F1 richtig arbeiten, die Gänge schalten und hat keine Servolenkung. Insgesamt sind die Autos ziemlich schwer zu vergleichen, weil sie einfach von den Grundvoraussetzungen bei der Aerodynamik und den Reifen zu unterschiedlich sind. Denn obwohl sie eine gute Aerodynamik haben, sind die Champ Cars einfach technisch nicht so weit fortgeschritten wie in der Formel 1, wo es fast mehr auf das Auto als auf den Fahrer ankommt.

Ich möchte da jetzt nichts Falsches sagen, aber ich habe im letzten Jahr den Nick Heidfeld bei Jordan gesehen, der jetzt bei BMW-Williams aufblüht und dort einen Superjob macht. Wenn man also im richtigen Auto sitzt und sich im Team wohl fühlt, geht alles. Ich habe mich zwar bei Jordan pudelwohl gefühlt, aber die Voraussetzungen vom Auto haben einfach nicht gestimmt. Entsprechend ist es für mich besser in Amerika zu fahren und vielleicht Rennen zu gewinnen, als in der Formel 1 um die goldene Ananas mitzufahren. Ich wäre zwar dabei, aber ob es vom Lernprozess her ein Fortschritt wäre, weiß ich nicht. Denn ich habe im letzten Jahr gelernt, dass es extrem viel Erfahrung benötigt, um in einem F1-Auto schnell zu sein. Die Fahrer sind sicherlich alle schnell, aber um ein Auto für ein Rennen abzustimmen, braucht man einfach sehr viel Erfahrung. Somit bin ich vom Speed her vielleicht auf dem Level oder in der Nähe von einem Nick Heidfeld, aber mir fehlt einfach noch die nötige Erfahrung. Deswegen bin ich nach Amerika, wo ich meine Ruhe habe und meine Erfahrungen sammeln kann. Es ist mit Sicherheit auch ein Vorteil, dass dort hart gefightet wird, wie ein Villeneuve oder Montoya nach ihren Wechseln bewiesen haben.

Durch die Einheitsautos kommt es natürlich auch gerade auf den Fahrer und das Team an...

Timo Glock: Es kommt auf den Fahrer und natürlich auf das Team und wie man mit seinen Ingenieuren zusammenarbeitet an. Mit Rocketsport habe ich hier aber ein gutes Team erwischt. Es gibt einen extrem erfahrenen Teamchef, der selbst Rennen fährt, was meiner Meinung nach immer ein Vorteil ist, vor allem da er mir die Strecken erklären kann, und mein Ingenieur David Watson ist sensationell. In der F1 waren es sicherlich auch alles gute Ingenieure, aber bei uns passt einfach alles zusammen. Wir verstehen uns fast blind und wissen genau in welche Richtung wir gehen müssen. Mir kommt es so vor, als ob ich schon fünf Jahre mit ihm arbeiten würde.

Die Atmosphäre ist über dem großen Teich auch etwas anders als in der abgeschottenen Formel 1.

Timo Glock: Ganz genau. Allerdings gefällt mir das ziemlich gut, weil ich ja lange im Rahmenprogramm der DTM gefahren bin und dort ist auch alles offen. Deswegen bin ich es gewohnt und gefällt mir der Flair in Amerika. Die Fans bekommen die Möglichkeit wirklich hautnah an die Fahrer ranzukommen. Die Autogrammstunden sind am Freitag eine halbe Stunde lang Pflicht für alle Fahrer und wer das nicht macht, muss eine Strafe zahlen, deshalb bin ich auch immer schon zehn Minuten früher da. [lacht] Dies ist aber der richtige Weg, speziell für die Fans und die Show. Entsprechend müsste man in der Formel 1 vielleicht das ein oder andere ändern. Aber das ist natürlich schwierig, weil die F1 einfach der Toplevel ist. Die Fahrer sind dort extrem populär und alle wollen an Michael Schumacher rankommen. Wenn sie dabei so offen wären wie die Champ Car Serie, dann hätten sie kein Auto am Start stehen, weil jeder irgendein Teil als Erinnerung mitgenommen hätte.

Auf der technischen Seite haben wir ja schon erwähnt, dass es keine Fahrhilfen gibt und mit der Hand geschaltet wird. Macht es vielleicht mehr Spaß so zu fahren?

Timo Glock: Es macht mehr Spaß, wenn du schnell genug bist. Wenn es so ist, wie bei meinem ersten Rennstint als der Reifen abgebaut hat, dann habe ich wahrscheinlich die Drift-Challenge gewonnen, aber es hat mich nicht weiter nach vorne gebracht. Aber es macht mir richtig Spaß diese Autos zu fahren. Es härtet die Arme und ist besonders für den Oberkörper gut. Die Formel 1 ist hingegen extrem anspruchsvoll für den Nackenbereich.

Was hältst Du vom Boost-Button, der auch in anderen Serien derzeit eingeführt wird?

Timo Glock: Gut! Ich habe das ja noch nie vorher probiert und durfte es von Cosworth aus im Warm-Up einmal ausprobieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Und da merkte ich eigentlich gar keinen großen Unterschied, aber als ich ihn dann im Rennen benutzt habe, hat es schon Spaß gemacht. Du musst Dir die 60 Sekunden natürlich einteilen, weil das Maximum von 15 Sekunden reicht genau für die Start-/Zielgerade und dann hast du eben nur viermal die Möglichkeit das zu nutzen. Und 81 Runden sind schon lange, weshalb man genau wissen muss: Jetzt bin ich in Schlagdistanz und funktioniert es auch. Es ist ein Hilfsmittel um die Show zu verbessern, denn sonst würde es in Long Beach wahrscheinlich gar keine Möglichkeit zum Überholen geben.

In den letzten Jahren gab es einige CART-Piloten die in die Formel 1 gegangen sind und dann nicht ganz so erfolgreich waren wie Montoya oder Villeneuve. Woran kann das liegen?

Timo Glock: Ich glaube Cristiano da Matta hat sich bei Toyota und in der gesamten Serie nicht ganz so wohl gefühlt. Es sind sicherlich viele Fahrer gewechselt, die Probleme gehabt haben, vielleicht aber auch nur nicht das richtige Auto bekommen haben. Wenn ich in die Formel 1 zurückgehe, dann ist es mein Ziel bei einem Top-Team als Test- oder Stammfahrer unterzukommen. Noch ein Jahr bei Jordan oder Minardi macht für mich keinen Sinn. Aber wenn ich die Chance wieder bekomme, dann werde ich sie auch nutzen. Denn ich weiß wie ein Formel 1 Auto zu fahren ist und ich hätte kein Problem damit morgen in ein Formel 1 Auto einzusteigen.