Im Jahr 2010 saß er noch im Formel-1-Boliden und steuerte einen HRT beim letzten Rennen des Jahres in Abu Dhabi, gut zwei Jahre später trifft Motorsport-Magazin.com ihn im überschaubaren Fahrerlager der ADAC Procar-Serie. Die Rede ist von Christian Klien. 49 Mal startete der Österreicher in der Königsklasse des Formelsports, fuhr unter anderem zwei Jahre lang für das dreimalige Weltmeister-Team Red Bull an der Seite von David Coulthard. Doch Klien bekam zu spüren, wie schnelllebig die Formel 1 sein kann. Vor zwei Jahren kämpfte er um seinen Verbleib bei HRT, verlor das Duell aber schließlich gegen seinen langjährigen Wegbegleiter Tonio Liuzzi. Seitdem wurde es still um das einstmals große Talent.

Klien schloss mit dem Kapitel Formel 1 ab und suchte sein Glück fortan in Australien. V8 Supercars - in Europa nur wenig bekannt - hieß zunächst seine neue Heimat. "Mit der Formel 1 habe ich abgeschlossen, denn entweder man bringt viel Geld mit oder man hat keine Chance", sagt Klien heute. "Das hat man jetzt erst wieder bei Timo Glock und Heikki Kovalainen gesehen. Beide sind sehr gute Fahrer, aber sie wurden für Piloten ausgewechselt, die Geld mitbringen." Ganz verschwunden von der F1-Bühne war Klien nicht, im vergangenen Jahr testete er immerhin noch für Williams im Simulator. Doch die F1 ist nicht mehr die Welt des 30-Jährigen, er hat sich ein neues Ziel gesetzt: "Die WTCC würde mich interessieren. Wenn man aus der Formel 1 weg ist, muss man entweder in den Langstrecken- oder Tourenwagensport."

Nicht wenige runzelten die Stirn, als Kliens Name plötzlich auf der Starterliste der ADAC Procar für das Rennwochenende in Spa-Francorchamps auftauchte. Klingt nach einem heftigen Abschied im Vergleich zu früheren Zeiten, doch so dramatisch war es nicht: In dieser Tourenwagenserie gibt es bei jedem Rennen ein VIP-Auto, das entweder mit einem Promi oder einem Journalisten besetzt wird. Am vergangenen Wochenende fiel die Wahl auf Klien als Gaststarter. "Eine einmalige Sache", versichert er. Der Kontakt entstand durch Teamchef Franz Engstler und Sponsor Liqui Moly.

Klien fuhr seiner Procar-Konkurrenz in Spa ziemlich um die Ohren, entschied das Qualifying mit 1,3 Sekunden Vorsprung für sich und überquerte die Ziellinie im ersten Rennen sechs Sekunden vor dem Zweitplatzierten. Nur im zweiten Rennen am Sonntag machte ihm ein Defekt einen Strich durch die Rechnung. Das Rennfahren hat Klien keineswegs verlernt, auch wenn sich der sportliche Wert in Belgien in Grenzen hielt. "Aber es hat Sinn gemacht, solch ein Auto einmal auszuprobieren", erklärt er im Hinblick auf ein mögliches WTCC-Engagement.

Nach seiner F1-Zeit war Klien für Aston Martin auf der Langstrecke unterwegs, 2011 startete er an der Seite von Stefan Mücke und Darren Turner im Aston Martin AMR-One. Ein Motorschaden legte den neu entwickelten Boliden bei den 24 Stunden von Le Mans jedoch lahm. Es folgten Engagements in der Superstar Series sowie eben in Australien. "Es gibt jedes Jahr ein Rennen an der Gold Coast, bei dem man zu zweit fährt und zu dem internationale Fahrer eingeladen werden", so Klien. "Dort habe ich 2011 teilgenommen und so kam der Kontakt zu den V8 Super Cars zustande. Ich habe ein bisschen Einblick hinter die Kulissen bekommen und gesehen, dass es eine richtig gute Rennserie ist. Daraufhin bin ich 2012 einige Rennen mitgefahren."

Dieses Jahr wechselte er in die Australische GT-Meisterschaft und pilotiert einen Mercedes SLS AMG GT3 für das bekannte Team Erebus Motorsport. Die Premiere verlief gut: Auf dem Adelaide Street Circuit pulverisierte er auf Anhieb den Rundenrekord und fuhr auf das Podium. "Das Rennfahren macht mir immer noch viel Spaß", wirkt Klien keinesfalls müde. Der Abstieg aus der Formel 1 war ein Rückschlag, doch entmutigen lassen will er sich nicht: "Das ist im Sport so. Es gibt immer Höhen und Tiefen. Es ist klar, dass es nicht mehr höher geht, wenn man einmal ganz oben war. Im Motorsport kann man aber nach dem Karrierehighlight im Gegensatz zum Tennis oder Skisport noch in anderen Serien fahren und Geld verdienen."

Lesen Sie morgen bei Motorsport-Magazin.com: Christian Klien im Interview über die heutige Formel 1 und seinen früheren Jaguar-Teamkollegen Mark Webber.