Ein Rennen geht für Alex Zanardi auf jeden Fall noch. Am nächsten Wochenende wird er in Daytona beim 24-Stunden-Rennen am Start stehen. Vielleicht wird es aber der letzte große Auftritt für den mittlerweile 52-jährigen Italiener. Seit 2005 fährt er für BMW immer wieder Rennen, trotz doppelter Beinamputation.

Groß ist sein Auftritt in Daytona auf jeden Fall. Vielleicht der größte in Zanardis BMW-Karriere. Er sitzt nämlich in einem der beiden Werks-M8 GTE in der GTLM-Klasse. Zwei seiner Co-Piloten, John Edwards und Jesse Krohn, werden auch den Rest der IMSA-Sportwagen-Meisterschaft bestreiten. Dort zählen sie mit BMW zu den Meisterschaftskandidaten.

BMW: Große Vorbereitungen für Zanardi-Start

Für seine Mission Daytona hat Zanardi ein großes Vorbereitungs-Programm durchgearbeitet. Angekündigt wurde der Start schon am Ende des Jahres 2017. 2018 wurde bei BMW hart daran gearbeitet, den M8 GTE für die Aktion rennfertig zu machen - ohne Abstriche bei der Performance in Kauf nehmen zu müssen.

Absolutes Neuland ist der Start bei einem Langstrecken-Rennen für Zanardi und für BMW nicht. 2015 trat Zanardi gemeinsam mit den DTM-Stars Timo Glock und Bruno Spengler mit einem BMW Z4 GT3 bei den 24 Stunden von Spa an. Das war jedoch eine einmalige Aktion. In Daytona ist er Teil des regulären Fahreraufgebotes.

Zanardis BMW beim Daytona-Vortest, Foto: LAT Images
Zanardis BMW beim Daytona-Vortest, Foto: LAT Images

Für den Daytona-Start wurde daher ein ganz neues Konzept entwickelt, wie Zanardi den BMW steuern kann - mit dem Ziel, alles noch weiter zu optimieren. Jetzt fährt er komplett ohne Beinprothesen. Über ein spezielles Lenkrad kann er jetzt beschleunigen, bremsen und schalten. Das System wurde bei seinem Gaststart im Rahmen der DTM in Misano getestet und für gut befunden. Beim zweiten DTM-Rennen kam Zanardi sogar auf Platz fünf ins Ziel.

Zanardi: Daytona als vollwertiger BMW-Werksfahrer

Daher kann Zanardi in Daytona als vollwertiger BMW-Werksfahrer starten. "Es ist fantastisch, aber auch sehr hilfreich, in einem solchen Team zu sein", meint er dazu nach dem letzten Test. "Denn es ist ein großer Vorteil, solche Teamkollegen zu haben."

Zanardi teilt sich den M8 GTE mit den regulären IMSA-Fahrern von BMW. John Edwards ist schon lange dabei, Jesse Krohn seit 2018. Als vierter Pilot kommt dann noch Chaz Mostert an Bord. Mostert ist einer der Top-Piloten der australischen Supercar-Serie, und gewann dort unter anderem das 1000-Kilometer-Rennen von Bathurst.

Für Zanardi ergibt sich daraus natürlich ein gewisser Druck: "Denn man möchte von der Performance her natürlich auf ihrem Niveau sein. Doch zusätzlich zu meinen persönlichen Problemen, meinem Alter und so weiter kommt die Tatsache, wie gut sie das Auto kennen. Ich werde mein Bestes versuchen, aber bisher läuft es ganz gut. Ich liege nicht allzu weit zurück."

Die größte Herausforderung werden die Fahrerwechsel beim Boxenstopp sein. Doch diese glaubt das Team dank viel Übung im Griff zu haben. Teamkollege Edwards meint: "Ich bin überzeugt, dass wir bei Fahrerwechseln mit Alex nicht das kleinste bisschen Zeit verlieren werden. Manchmal glaube ich, er steigt sogar schneller ins Auto ein als ich."

In den Fahrerwechsel wurde viel Trainingszeit investiert, Foto: BMW
In den Fahrerwechsel wurde viel Trainingszeit investiert, Foto: BMW

Und Jesse Krohn fügt hinzu: "Am Anfang haben wir mehr als 30 Sekunden gebraucht, jetzt schaffen wir es unter 20 Sekunden. Es passiert mir sogar manchmal, dass ich mich nach dem Aussteigen umdrehe, um ihm zu helfen, er aber schon hinter dem Steuer sitzt." In Summe soll der Fahrerwechsel durch das Auftanken gedeckt werden. Damit will das Team bei den Stopps keine Zeit verlieren. Siegchancen sind also definitiv gegeben.

Zanardis Star-Power in Daytona ungebrochen

In Daytona gehört Zanardi zu den ganz großen Stars im IMSA-Starterfeld. Sollte Daytona sein Abschied von der großen Bühne sein, dann hätte er sich kaum einen besseren Platz suchen können.

"Es ist schon beeindruckend, wie die Fans die vorbeifahrenden Autos bejubeln - aber immer, wenn ich vorbeigekommen bin, hatte ich das Gefühl, dass die Begeisterung, aus welchen Gründen auch immer, noch größer wird", beschreibt Zanardi schon nach dem "Roar before the 24"-Vortest die Atmosphäre in Daytona.

Alex Zanardi bei 24h Daytona: Der Fahrerwechsel ohne Beine (01:10 Min.)

"Leute haben sich aufrichtig gefreut, mich zu sehen", erklärt Zanardi. "Und all diejenigen, die die Gelegenheit hatten, mich zu treffen und mit mir zu sprechen, haben aus ihrer Freude keinen Hehl gemacht. Sie waren sehr herzlich zu mir, und gleichzeitig waren ihre Kommentare ermutigend und respektvoll."

Zanardi trifft in Daytona alte Bekannte

Für Zanardi ist die Beziehung mit den Vereinigten Staaten schon lange eine Liebesaffäre. Nach erfolglosen Formel-1-Versuchen kam er 1996 in die amerikanische Champcar-Serie. Prompt holte er 1997 und 1998 mit Chip Ganassi Racing den Fahrertitel, und wurde durch seinen kompromisslosen Fahrstil und auch durch seine "Donuts" zur Feier nach dem Rennen zu einem beliebten Fahrer.

Seinen alten Teamchef Chip Ganassi sieht Zanardi 2019 in Daytona wieder - als Gegner. Ganassi koordiniert den Werks-Einsatz von Ford in der GTLM-Klasse. Die beiden Ford GT mit den Nummern 66 und 67 gewannen das Rennen im Vorjahr, sind für Zanardi und BMW also die erste Konkurrenz und der erste Maßstab.

Und mit seinem BMW-Team hat Zanardi ebenfalls tiefergehende Verbindungen. Der anderen Art aber, denn die BMW-Werksmannschaft in Daytona wird von Bobby Rahal betreut. Der kämpfte in den Neunzigern als Fahrer und Teameigentümer in der Champcar-Serie gegen Zanardi, und musste einige Niederlagen gegen den Italiener einstecken.

Im BMW-Team sieht Zanardi noch einen alten Gegner wieder: Colton Herta, einer seiner Teamkollegen, ist Sohn vom Ex-Champcar-Piloten Bryan Herta. Dessen Name wurde vor allem durch eines bekannt: 1996 verlor Herta in der letzten Runde des Champcar-Rennens von Laguna Seca die Führung an Zanardi, als dieser sich in der berühmten Corkscrew-Kurve vorbeidrückte. Das Manöver, danach als "The Pass" bekannt, trug viel zu Zanardis Ruf in den USA bei.