Als uns am Montagmorgen Gary Paffett vor dem Haupteingang des HWA-Quartiers in Affalterbach per Handschlag begrüßte, war das keine Überraschung. Die DTM-Ikone hat trotz des für einen Rennfahrer stolzen Alters von 37 Jahren noch lange nicht genug. Paffett bleibt HWA auch nach dem DTM-Ausstieg zum Saisonende treu und wechselt gemeinsam mit der Mannschaft in die Formel E.

Und das am liebsten mit dem zweiten DTM-Titel im Gepäck, den er am kommenden Wochenende in Hockenheim beim großen Finale noch gewinnen kann. HWA-Vorstand und Mercedes-Teamchef Uli Fritz schätzt Paffetts Fähigkeiten, ein Auto zu entwickeln, den Ingenieuren Feedback zu geben und für teaminterne Motivation zu sorgen, seit vielen Jahren.

So war es kein großes Geheimnis, dass Paffett auch nach dem DTM-Abschied prominent weiterbeschäftigt wird. Er ist wohl der einzige Fahrer aus dem aktuellen Sechserkader im DTM-Aufgebot, der mit HWA in die Formel E wechselt, wo das Unternehmen die Vorhut für den Mercedes-Werkseinstieg zur 6. Saison bildet.

Uli Fritz und Gary Paffett arbeiten weiter zusammen, Foto: HWA AG
Uli Fritz und Gary Paffett arbeiten weiter zusammen, Foto: HWA AG

Vandoorne: Aus der Formel 1 in die Formel E?

Spannender ist die Frage nach Paffetts neuem Teamkollegen. Der zweite HWA-Fahrer wird offiziell am Montag nach dem DTM-Finale vorgestellt. Die Anzeichen verdichten sich, dass Uli Fritz einen echten Coup gelandet hat: Stoffel Vandoorne könnte das HWA-Aufgebot komplettieren. Der Belgier, der zum Saisonende sein Cockpit bei Formel-1-Team McLaren verliert, steht auf der Gerüchte-Liste ganz weit oben.

Fritz wollte Vandoorne nicht bestätigen, ließ aber durchblicken, dass an Paffetts Seite kein Pilot mit großer Formel-E-Erfahrung an den Start gehen wird. Auch Paffett selbst sprach beim Launch in Affalterbach von einem "Rookie", was für ihn aber kein Problem darstelle.

Fritz: Gut, neue Ideen einzubringen

Fritz: "Ich bin da offen. Wir gehen als neues Team hin und möchten gemeinsam lernen. Manchmal ist es gut, neue Ideen reinzubringen. Wenn ich jetzt einen super-erfahrenen Piloten hole, der nach jedem zweiten Rennen sagt, dass man das früher anders gemacht habe, dann leidet die Kreativität darunter. Deshalb bin ich ein Freund davon, dass möglichst jeder unbefangen und mit frischer Energie reinkommt."

Vandoorne selbst hatte vor gut einer Woche bereits bestätigt, dass die Formel E nach dem McLaren-Aus und dem damit verbundenen Abschied aus der Formel 1 eine Option darstelle. Nach Felipe Massa wäre er nun der zweite Fahrer mit F1-Wurzeln, der sich der Elektro-Rennserie zuwendet und das allgemeine Interesse dadurch verstärkt.

Formel E 2018/19: Das Starterfeld

TeamFahrer 1Fahrer 2
Audi Daniel AbtLucas di Grassi
BMWAntonio Felix da CostaAlexander Sims
HWAGary PaffettStoffel Vandoorne ?
Nissan e.damsSebastien BuemiAlex Albon
JaguarNelson PiquetMitch Evans
MahindraPascal Wehrlein ?Jerome D'Ambrosio ?
VenturiFelipe MassaEdoardo Mortara
DS TecheetahAndre LottererJean-Eric Vergne
NIOOliver TurveyTom Dillmann
Dragon??????
Virgin RacingSam BirdRobin Frijns

HWA: Nicht um die goldene Ananas kämpfen

Paffett und Vandoorne, das wäre ein Duo mit großem Talent und wenig Formel-E-Erfahrung. Es würde zum HWA-Ansatz passen: möglichst viel zu lernen und vereinzelt Highlights zu setzen, um später Mercedes den Einstieg zu erleichtern. "Wir wollen nicht um die goldene Ananas fahren, aber wir müssen realistisch sein", mahnte Fritz vor dem Saisonauftakt am 15. Dezember in Saudi-Arabien.

Erleichtert wird das Debüt durch die Partnerschaft mit Venturi. Der monegassische Rennstall stellt HWA zwei komplette Kundenautos zur Verfügung. Paffett verbrachte in den vergangenen Monaten etwa drei Tage mit Venturi bei Testfahrten, um sich selbst an das brandneue Generation-2-Rennauto zu gewöhnen und gleichzeitig neuen Input zu liefern.

HWA ist gerüstet für das Abenteuer Formel E, Foto: HWA AG
HWA ist gerüstet für das Abenteuer Formel E, Foto: HWA AG

Paffett: Es wird ein echter Kampf

"Die Stadtkurse sind ziemlich kompliziert, da kannst du leicht Fehler machen", sagte der Brite. "Während du in der DTM voll ans Limit gehst, musst du in der Formel E eine kleine Lücke lassen. Es ist schwierig, diese Autos zu fahren. Sie haben nur wenig Grip und die Lenkung ist hart. Es wird ein echter Kampf, das Auto über eine Renndistanz zu bewegen."

HWA ist neu in der Formel E, aber nicht unvorbereitet. In Affalterbach fand die Präsentation in einer eigens eingerichteten Fahrzeughalle für das Formel-E-Projekt statt. Auffällig: Der weiß glänzende Boden ist aus speziellem Material gefertigt, um elektrische Überspannung zu vermeiden.

Rund 50 der insgesamt 300 HWA-Mitarbeiter bilden das Kernteam beim Formel-E-Programm. Neben Teamchef Fritz kommt vor allem Franco Chiocchetti eine wichtige Bedeutung bei. Der Südafrikaner führte einst Audi-Pilot Lucas di Grassi zur Meisterschaft in der Formel E, bevor er im März 2018 zu HWA wechselte. Chiocchetti begleitete in der vergangenen Saison Venturi an der Strecke und wird nun Head of Formula E Operations bei HWA. Director of Track Operations ist der aus der DTM bekannte Martin Marx.