Auf der Suche nach dem Aufsteiger der Formel-1-Saison 2018 reicht eigentlich ein Blick auf eine Zahl. 860 Prozent. Um so viel hat Alfa Romeo Sauber im Vergleich zur desaströsen Saison 2017 das Punktekonto aufgebessert. Das Schweizer Traditionsteam erlebte 2018 eine wahre Revolution. Nicht nur dank Ferrari-Junior Charles Leclerc.

Als Ex-Renault-Teamchef Frederic Vasseur zur Saisonmitte 2017 die Teamleitung übernahm, war Sauber im letzten Keller-Abteil der Formel 1 gefangen. Auf der Motor-Seite nutzte das Team nur einen Vorjahres-Motor von Ferrari, auf der Chassis-Seite gab es nichts Beeindruckendes zu melden. Und finanziell war das Team angeschlagen.

Ein Jahr später stand Sauber bei manchen Rennen gar an der Spitze des Mittelfeldes, nur die drei Top-Teams waren außer Reichweite. Charles Leclerc beendete vier der letzten fünf Rennen auf Platz sieben, und war im Kampf mit den besten Mittelfeld-Teams von Haas, Renault und Force India immer vorne dabei. In allen Aspekten hat sich Sauber so stark verbessert wie sonst kein Team in der Formel 1.

Alfa Romeo Sauber 2018: Neue Partner, trotzdem langsamer Start

Saubers Start in die Formel-1-Saison 2018 war trotzdem langsam. Zumindest hatte sich das Team an der Motorenfront einmal nach vorne geschoben. Vasseur und das Team bliesen einen geplanten Wechsel zu Honda ab und verhandelte einen neuen Deal mit Ferrari. Alfa Romeo stieg als großer Sponsor ein, und aktuelle Ferrari-Motoren kamen mit diesem Deal mit. Mit Charles Leclerc übernahm ein Ferrari-Nachwuchspilot den Platz von Mercedes-Junior Pascal Wehrlein.

Zusammen mit finanzieller Stabilität aus dem Partnerschafts-Deal mit Alfa versprach das Hoffnung für den Saison-Auftakt. Aber in Australien begann es etwa dort, wo es endete. Am Ende des Feldes, mit acht Zehntel Rückstand auf den 18. Platz im Qualifying. Das Team kämpfte mit einem unruhigen Auto. Der noch unerfahrene Leclerc übertrieb es mehr als einmal, und fabrizierte zum Start seiner Formel-1-Karriere einige Dreher.

Die mechanische Basis des Sauber passte 2018 jedoch. Das stellte sich bald heraus. Das Team schaffte es in den nächsten Rennen, die Grip-Probleme mit Setup-Änderungen in den Griff zu bekommen. Sauber verstand die Basis von Rennen zu Rennen besser. Für Leclerc folgte in Baku der Durchbruch.

"Ich wusste nicht genau, was ich vom Auto wollte, und habe den Ingenieuren eine falsche Richtung vorgegeben", nahm Leclerc am Saisonende gegenüber Motorsport-Magazin.com auch einen Teil der Verantwortung auf sich. In Baku fanden er und seine Ingenieure endlich ein Setup, das funktionierte. Damit wurden sie im Rennen gleich mit Platz sechs belohnt.

Saubers zweite Saisonhälfte: Kampf um Top 10

Bei den folgenden Europarennen präsentierte Sauber dann auch mehr als nur Setup-Durchbrüche. Neue Aero-Teile halfen, die schlechten Fahreigenschaften des Autos Schritt für Schritt loszuwerden. Es zeigte sich, dass das Auto tatsächlich Potential hatte. Die Zeiten am Ende des Feldes waren schnell vorbei. In Silverstone stellte Leclerc nach seinem zweiten Top-10-Ergebnis im Qualifying dann die Frage: War Klassen-Primus Haas an diesem Tag für Sauber sogar schlagbar?

Konstant war das vor der Sommerpause dann doch noch nicht möglich. Ein weiterer Schwung Upgrades ermöglichte jedoch den nächsten Schritt. Nach der Pause kam Sauber so richtig in Schwung. In Sotschi war Leclerc klar der schnellste Fahrer im Mittelfeld, und in den letzten Übersee-Rennen kämpfte er immer um den ersten Platz hinter den Top-Teams. In der Team-Wertung überholte Sauber kurz vor Schluss noch das strauchelnde Toro-Rosso-Team, und holte damit WM-Platz acht.

20172018Verb. in %
Zielankünfte2932+ 10,3 %
Durchschn. Pos.14,111,1- 21,3 %
Punktankünfte216+ 700 %
Punkte548+ 860 %
Bester Platz86-

Nicht nur auf der Strecke kam bei Sauber Schwung in die Sache. Abseits der Strecke profitierten sie von der guten Form. Schon vor der Saison wurde dank der neuen Sponsor-Deals die Belegschaft aufgestockt. Teamchef Vasseur erklärte vor der Saison, dass allein die Verkündung des Alfa-Deals die Bewerbungen hatte nach oben schnellen lassen. Bei den Vorsaison-Tests berichtete er bereits von 80 neuen Mitarbeitern.

Während der Saison wurde die Führungsetage neu aufgestellt: Im April kam Jan Monchaux, zuvor bei Audi Sport, als neuer Chefaerodynamiker an Bord. Im Mai folgte mit Simone Resta ein neuer technischer Direktor. Resta war zuvor Chefdesigner bei Ferrari. Alle diese neuen Gesichter zeigten, wie attraktiv Sauber als Team inzwischen sei, erklärte Vasseur bald.

Sauber 2019: Weiterer Aufstieg wird zäh

Wo es für Sauber in der Formel-1-Saison 2019 noch hingehen kann, ist allerdings schwer zu sagen. Solche Sprünge wie in 2018 werden kaum zu erwarten sein. Jetzt geht es eher darum, die Position im Mittelfeld zu verteidigen.

Genau dafür hat sich Sauber 2018 gut aufgestellt. Am Ende der Saison tauschten sie die Fahrerpaarung noch durch. Leclerc ging zu Ferrari und tauschte den Platz mit Kimi Räikkönen. An seiner Seite wird ein anderer Ferrari-Junior in Antonio Giovinazzi Platz nehmen, während sich Marcus Ericsson in eine Test-Rolle verabschiedet.

Doch die Konkurrenz im Formel-1-Mittelfeld schläft nicht. Haas feiert nach einer Saison, in der sie über weite Strecken das viertschnellste Auto im Feld hatten. Sie setzen für 2019 auf Konstanz. Ohne selbst verschuldete Fehler wären sie wohl in der Team-WM 2018 schon auf Platz vier gelandet. Und Renault stockt weiterhin an allen Fronten auf. Mehr Leute werden eingestellt, und mit Daniel Ricciardo kommt ein erwiesener Top-Fahrer für 2019 an Bord.

2019 wird für Sauber also eine Herausforderung. Trotzdem fühlen sie sich für diese gut vorbereitet. "Wir können erwarten, dass wir an der Spitze dieses Feldes sind", meint Vasseur im Hinblick aufs Mittelfeld. "Nicht unbedingt jedes einzelne Wochenende, aber wir haben das schon dieses Jahr ein paar Mal geschafft und in den vergangenen Rennen gezeigt, dass auch im Quali die Pace da ist, immer um Q3 zu kämpfen. Dieses Ziel müssen wir uns setzen"