Mit dem ersten echten Formel-1-Test in Abu Dhabi hat das Abenteuer Ferrari hat für Charles Leclerc jetzt also begonnen. Zum Einstand fuhr der Monegasse gleich einmal eine Bestzeit, vollendete ohne grobe Fehler ein umfangreiches Pensum. Der jüngste Ferrari-Pilot seit Ricardo Rodriguez in den 1960er Jahren scheint bereit für die nächste große Aufgabe.

Der letzte Schritt ist allerdings bekanntlich der schwierigste. Auch für Leclerc. Einen Youngster, für den das Bild des kometenhaften Aufstiegs erst erfunden worden scheint: 2016 als Rookie Champion in der GP3, 2017 dasselbe in der Formel 2, 2018 dann ein beeindruckendes Debütjahr in der Formel 1.

Leclerc bereit für Ferrari? Und Ferrari bereit für Leclerc?

Dennoch stellte sich im Fahrerlager zu Saisonende 2018 noch immer die Frage: Ist Leclerc wirklich bereit? Wirklich bereit für den unfassbar großen Druck bei der Scuderia - ungleich gewaltiger als bei seinem bisherigen Team Alfa Romeo Sauber F1? Immerhin ist seit Jahren nichts ungewohnter als ein junger Pilot in Maranello. Diesen zur Zeit des großen Enzo Ferrari alltäglichen Mut kannte man schon gar nicht mehr von der Scuderia.

Und mutig ist der Schritt. Aller (verdienten) Vorschusslorbeeren für Leclerc zum Trotz sieht das auch Ferrari selbst so. "Wir sind natürlich sehr gespannt. Wir kennen Charles jetzt schon eine ganze Weile. Wir starten also nicht völlig blind und er hat ja ganz klar auch in seinem ersten Jahr in der F1 großartiges Potential gezeigt. Er hat tolle Rennen geliefert, also ist jeder sehr gespannt", sagt Ferrari Chefingenieur Jock Clear über den eigenen Junior, Absolvent der Ferrari Driver Academy.

Ferrari-Chefingenieur: Leclerc-Move mutig, müssen jetzt bereit sein

"Aber jeder weiß auch, unter welchen Druck er geraten wird. Und, dass Racing an der Spitze ein ganz andere Aufgabe für ihn wird", ergänzt Clear. "Ferrari hat da einen mutigen Schritt unternommen und wir freuen uns alle selbst darüber, dass wir uns diesen Schritt getraut haben." Genau deshalb stellt sich in Maranello weniger die Frage, ob Leclerc bereit ist. Sondern eher Ferrari selbst.

Vorgeschmack auf die Formel 1 2019 - Abu Dhabi Test (04:19 Min.)

Nachsagen lassen, die Entscheidung Kimi Räikkönen ausgerechnet nach dessen stärkster Saison seiner zweiten Ferrari-Amtszeit gegen den Nachwuchsstar auszutauschen, sei eben doch ein Fehler gewesen, will sich die Scuderia ganz sicher nicht. "Das ist auch für uns die Herausforderung. Ein Kommentar vieler war ja, ob er bereit ist. Aber auch wir müssen bereit sein, Ferrari muss für diesen Schritt bereit sein", sagt Clear deshalb.

Formel 1 2019: Clear als Leclerc-Sonderbeauftragter bei Ferrari

"Wir müssen bereit sein, ihm auch alle Chancen zu geben und ihn auf die richtige Art unterstützen. Hoffentlich kann er dann mit diesen großartigen Dingen weitermachen. Die Beziehung mit Sebastian wird dafür auch wichtig sein. Wir müssen das alles sehr positiv managen und sicherstellen, dass das Team als Gesamtheit wächst, nicht nur Charles' Seite und nicht nur Sebs Seite", schildert der auch als Renningenieur erfahrene Brite.

Und genau hier wird es interessant. Denn: Ferrari will nicht nur versuchen, Leclerc den Druck zu nehmen - Teamchef Maurizio Arrivabene sprach immerhin schon mehrfach von einem reinen Lehrjahr an der Seite Sebastian Vettels -, sondern baut dafür offenbar auch strukturell einiges um. Der Dreh- und Angelpunkt: Jock Clear selbst.

Clear: Ferrari-Feinjustierungen kein Geheimnis

Bisher als Chef(renn)ingenieur in der Hierache über Vettels Ingenieur Riccardo Adami und Räikkönens Carlo Santi angesiedelt, dementsprechend für beide gleichermaßen verantwortlich, soll sich Clears Fokus 2019 verschieben, mehr auf einen Fahrer konzentrieren.

Jock Clear war bei Mercedes Michael Schumachers Renningenieur, Foto: Sutton
Jock Clear war bei Mercedes Michael Schumachers Renningenieur, Foto: Sutton

"Man muss kein Geheimnis daraus machen, dass wir als Team mit einer Veränderung unseres Fahrer-Line-ups auch unsere Kleidung entsprechend schneidern, wie wir auf Englisch zu sagen pflegen", sagt Clear. "Ich bin Teil des Teams, habe mich kürzlich längerfristig diesem Team verschrieben und werde deshalb meine Fähigkeit dort einsetzen, wo immer wir sie am besten aufgehoben sehen."

Clear: Fokus mehr auf Leclerc als Vettel

"Ich habe viel Erfahrung mit jungen Piloten, aber auch mit erfahrenen Fahrern. Jetzt, da Charles kommt, werde ich helfen wie ich nur kann, um ihm das Leben leichter zu machen, ihm etwas Druck zu nehmen und um zu gewährleisten, dass wir in den nächsten Jahren das Beste von Charles und von unserem Team insgesamt sehen."

Möglich ist, dass das sogar direkt als Renningenieur geschieht. Damit wäre der ehemals auf dieser Position schon mit Größen und Weltmeistern wie Michael Schumacher, Lewis Hamilton, Jacques Villeneuve und Nico Rosberg betraute Clear sogar einzig und allein für Leclerc verantwortlich. "Das ist momentan aber noch nicht final entschieden", winkt Clear jedoch ab.

Jock Clear – Renningenieur der Weltmeister

Doch eine Schlüsselrolle für Leclerc würde er selbst dann einnehmen, sollte er nicht der Renningenieur des Nachwuchsstars werden. "Ja, ich werde mit Sicherheit einen wichtigen Einfluss auf seiner Seite der Garage nehmen. Ob das (Renningenieur, Anm. d. Red.) dann die Berufsbezeichnung ist oder nicht, werden wir noch final entscheiden. Aber ich werde ihm sicherlich nähere Aufmerksamkeit schenken als wir es mit jedem anderen, den wir hier bisher hatten - ob Seb oder Kimi -, gepflegt haben."

Neben Clear selbst eine ganz heiße Aktie auf diese Funktion: Rob Smedley. Der ehemalige Renningenieur von Felipe Massa - schon zu den Ferrari-Zeiten des Brasilianers - nimmt zu Saisonende seinen Hut als Performance-Ingenieur bei Williams. Erst einmal will Smedley eine Auszeit von der Formel 1 nehmen, doch ließ er offen wie lang diese währen soll.

Rob Smedley: Rückkehr zur Ferrari?

Eine Rückkehr nach Maranello jedenfalls scheint denkbar. Abgeneigt scheint der Brite jedenfalls nicht, nach Massa gleich den nächsten Fahrer bei seinem Schritt von Sauber zu Ferrari zu begleiten. "Ich fahre im Januar in den Urlaub dorthin (Italien, Anm. d. Red), wenn das hilft! Ich würde sagen, dass ich gerade keine Option ausschließe. Ich bin in der sehr glücklichen Lage, dass die Leute mit mir sprechen wollen und ich mit ihnen - es gibt sicherlich keine versperrten Wege", so Smedley.

'Felipe Baby, stay cool!' Als Massa-Renningenieur machte sich Smedley einen Namen, Foto: Sutton
'Felipe Baby, stay cool!' Als Massa-Renningenieur machte sich Smedley einen Namen, Foto: Sutton

Die Situation für Leclerc würde Smedley also genau kennen, könnte Ferrari helfen, manchen Fehler im Umgang mit Massa damals mit Leclerc nun nicht zu wiederholen. "Damals 2006 mit Felipe war es einfach … wir haben ihn regelrecht durch die Tür geschubst und gesagt, kommt klar damit. Dann haben wir gemerkt, dass das so nicht funktioniert. Die Erwartungen sind enorm wenn du von Sauber zu Ferrari gehst, wie auch bei Felipe. Der Druck wird immer größer je weiter nach vorne im Grid du kommst. Gerade bei Ferrari, in Italien ist das ja eine Religion und bringt seine ganz eigenen Probleme und Herausforderungen, wenn man so will", weiß Smedley.

"Aber heute sind wir uns dem alle sehr viel bewusster. Da haben sich die Zeiten verändert und ich kann mir vorstellen, dass Ferrari schon jede Menge Pläne hat, wie sie das mit Charles Einstieg ins Team proaktiv angehen, wie sie ihn sich ins Team integrieren lassen und dass seien Zukunft sich nicht komplett 2019 entscheidet", so Smedley weiter.

Wird der Brite Teil dessen? Lust scheint er offenbar zu haben, einen Antrieb auf jeden Fall: Mit einer vielleicht kommenden Legende zu arbeiten. Smedley: "Er hat großes Talent, hat eine große Zukunft vor sich und ist definitiv das vielleicht größte Talent, das seit einer ganzen Weile in diesen Sport gekommen ist. Und solange Ferrari das richtig managt wird es auch ein großer Erfolg."