Sebastian Vettel und Ferrari stehen sechs Rennen vor dem Ende der Formel-1-Saison 2018 mit dem Rücken zur Wand: Obwohl das rote Gespann das gesamte Jahr über ein Paket hat, das Mercedes mindestens ebenbürtig ist, liegt Vettel in der Fahrer-Weltmeisterschaft 40 Punkte hinter seinem großen Rivalen Lewis Hamilton.

Die mangelnde Punktausbeute hat verschiedene Gründe. Sebastian Vettel selbst ist einer davon. Seine Fehlerquote ist ungleich größer als die von Hamilton.

In Baku verbremste sich Vettel beim Safety-Car-Restart um den Sieg, in Frankreich schoss er am Start Valtteri Bottas ab und beeinträchtige dadurch auch sein eigenes Rennen. In Österreich handelte er sich - zusammen mit seinem Team - eine Strafversetzung um drei Plätze ein, weil er Carlos Sainz in der Qualifikation behindert hatte. In Deutschland crashte Vettel in der Sachskurve in Führung liegend, in Monza musste er sich nach einem Dreher in der erste Runde vom letzten Platz nach vorne kämpfen.

Vettels Fehlerliste ist lang. Geht der deutsche Ferrari-Star im WM-Kampf zu viel Risiko? "Gewisse Dinge, wie der harte Zweikampf mit Lewis in Monza, gehören zum Rennnfahren dazu", verteidigt sich Vettel im Interview mit Sportbild. "Ich gehe jedenfalls bei keinem Rennen an den Start und denke, ich will Fünfter werden oder unter meinen Möglichkeiten bleiben. Wenn man sich zu sehr zurückhält, weil man nur an die WM denkt, ist man - davon bin ich überzeugt - nicht erfolgreich."

Vettel wie Senna: Kein Risiko, kein Rennfahrer

Vettel weiter: "Mein Fahrstil hat mir schon vier WM-Titel und 52 Siege gebracht." Zwei seiner WM-Titel holte der Deutsche im überlegenen Red Bull, doch 2010 und 2012 musste er bis zum letzten Rennen kämpfen.

Auch damals machte er Fehler, doch auf der anderen Seite zahlte sich das Risiko auch aus. "Hätte ich in Abu Dhabi 2012 Jenson Button nicht mit viel Risiko überholt, wäre ich nicht Weltmeister geworden, weil mir später genau diese Punkte gefehlt hätten", erinnert er sich.

Nach der Disqualifikation im Qualifying musste Vettel in Abu Dhabi aus der Boxengasse starten und legte - mit viel Risiko - eine sehenswerte Ausholjagd hin. Frontflügel-Flaps und Styropor-Schilder gingen zu Bruch, doch Vettel bahnte sich seinen Weg nach vorne. Kurz vor Rennende überholte er mit einem riskanten Manöver Jenson Button und sicherte sich Platz drei. Zwei Rennen später sicherte sich Vettel mit drei Punkten Vorsprung seinen dritten WM-Titel.

"Natürlich ist mir bewusst, dass bei einer gewissen Portion Risiko auch mal was in die Hose gehen kann", so Vettel. "Aber wenn man sich zu sehr von der Angst den Weg diktieren lässt, führt das zu Lähmung und macht auch keinen Spaß. Ayrton Senna sagte mal: 'Wenn ich nicht mehr in die Lücke stoße, die da ist, bin ich kein Rennfahrer mehr.' Dem kann ich nur zustimmen."

Vorbild Michael Schumacher: Vettel würde Rat einholen

Doch das Risiko ist nur ein Teil des Problems. Ferrari und Vettel lassen derzeit nicht nur auf der Strecke federn. Teilweise scheinen die Probleme hausgemacht, Ferraris Teamführung gibt nicht immer die beste Figur ab. Nach außen bleibt Vettel ruhig, nimmt sein Team in Schutz.

Am Boxenfunk oder zwischen den Zeilen kann man aber oftmals herauslesen, dass sich Vettel derzeit nicht rundum wohl bei Ferrari fühlt. "Wenn er gesund wäre, würde ich ihn nach vielen Dingen fragen", sagte Vettel auf sein großes Vorbild Michael Schumacher angesprochen. "Nicht unbedingt, wie ich zu fahren habe. Sondern nach Dingen, die sich hinter den Kulissen abspielen. Nach der Zusammenarbeit im Team, der Politik in der Formel 1. Da hat er ja sehr viel Erfahrung aus seiner Zeit mit Ferrari."