Lewis Hamilton ist ein Teufelskerl. Und er inszeniert sich auch gerne als solcher. Als Gladiator. Auch in Singapur gibt der Formel-1-Weltmeister den Held der Nacht. "Es fühlte sich wie das längste Rennen meines Lebens an! Ich bin froh, dass es vorbei ist. Ich bin erledigt", stöhnt der auch durchaus geschlauchte Brite. "Es war lang, aber hat noch immer Spaß gemacht. Auf dieser Strecke zu fahren, ist unglaublich."

Klar hat es Spaß gemacht. Denn nach diesem Rennen war die große Hamilton-Show auch völlig berechtigt. Erneut zeigte der Brite eine tadellose Leistung, siegte nach seiner 'magischen' Pole Position am Samstag so souverän es nur geht. Zum 69. Mal in seiner Karriere, zum siebten Mal in der laufenden F1-Saison 2018. Weil Sebastian Vettel, eigentlich Topfavorit, nur Dritter wurde baute Hamilton seinen WM-Vorsprung um zehn auf nun stolze 40 Punkte aus. Ein echter Big Point.

Lewis Hamilton verwundert: Wo ist Ferraris Pace hin?

Für Hamilton jedoch nie so leicht, wie es von außerhalb ausgesehen haben mag. Nicht nur wegen der in Singapur immer extremen physischen Belastung. "Max hat einen tollen Kampf geliefert", meint Hamilton. "Aber was für ein Tag einfach, was für ein Wochenende!" Ja, was für ein Wochenende. Ein Mercedes-Sieg in Singapur aus eigener Kraft - das kannten die Silberpfeile auf ihrer Angststrecke so noch gar nicht.

"Aber das Team hat seinen Glauben an mich, in Valtteri und unsere Fähigkeiten nie verloren", sagt Hamilton. Erstaunt zeigt er sich dagegen von der Konkurrenz in Rot, Ferrari. "Sie haben dieses Wochenende einen großen Kampf geliefert. Aber er konnte am Ende die Pace nicht mehr mitgehen. Ich bin nicht recht sicher, wohin ihre Pace verschwunden ist", rätselt Hamilton. Im Rennen geschah das vor allem durch eine extrem schwache Strategie seitens Ferrari.

Hamilton: Alles unter Kontrolle - dann kam Grosjean-Überrundung

Bei Hamilton hingegen lief nicht nur das komplett sauber, sondern auch so gut wie alles andere. "Ich hatte einen großartigen Start und war in der Lage, die Jungs hinter mir zu kontrollieren, die Reifen zu managen und zu pushen, wenn ich pushen musste. Max hatte zum Ende hin noch eine starke Pace, da musste ich dann auch nochmal anziehen. Ich war nicht sicher, ob das noch geht. Aber ich war in der Lage dazu und konnte wegziehen", sagt Mr. Kontrolle.

Einzig bei den Überrundungen war es kurz zuvor mal haarig geworden. Hinter den Kampfhähnen Grosjean und Sirotkin verlor Hamilton unfassbar viel Zeit. Plötzlich hing ihm Verstappen direkt im Getriebe. "Ich hatte etwas Pech mit dem Verkehr. Wenn die Jungs da noch kämpfen, ist es dahinter schwer. Max hat da an einer Stelle mehr Glück gehabt. Sie fuhren da etwas raus und es wurde eng. Da habe ich kurz den Atem angehalten", schildert Hamilton.

Verstappen fast mit Chance gegen Hamilton

"Das war unglaublich schwierig. Du konntest bereits die Verwirbelungen der Autos spüren als du noch fünf, sechs Sekunden dahinter warst. Da rutschte das Auto schon mehr", sagt der Brite. Doch einen Vorwurf macht er anders als noch am Funk niemandem mehr. "Die blauen Flaggen kannst du kaum sehen, weil sie sehr dunkelblau sind. Erst wenn die Leuchtsignale kommen kannst du sie sehen, deshalb haben die Fahrer kaum reagiert."

Fast fatal für Hamilton. In der Pressekonferenz wendet er sich dem großen Profiteur direkt zu: "Max - du hattest da echt eine Chance in Kurve zehn. Ich musste da sehr defensiv fahren, und bin fast schon ein Rennen gegen die Überrundungen gefahren. Das war knifflig, danach war es okay. Back to business. Ich konnte mich wieder absetzen."

Hamilton: Das ist ein monumentaler Moment für Mercedes

Den Grundstein für seinen nächsten Coup hatte Hamilton aber tatsächlich nie am Sonntag, sondern schon am Samstag gelegt. Mit der Pole-Runde, die er selbst magisch, Teamchef Toto Wolff als Sternstaub bezeichnet hatte. "Es ist hier so schwer zu überholen. In den Top-4 ist es auf diesem Kurs sehr schwer, weil du einen großen Unterschied brauchst. Track Position ist deshalb alles", weiß Hamilton.

Dass ihm diese Runde so gelang, kann der Brite jedoch noch immer nicht fassen. "Wir kamen hier her und wussten, dass Red Bull eine gute Performance haben kann. Auch Ferrari war hier die letzten Jahre sehr schnell. Wir wussten, dass es dieses Wochenende spektakulär sein würden und wussten, dass es etwas ziemlich Besonderes brauchen würde, um sie zu schlagen", erinnert sich Hamilton. "James (Vowles, Mercedes-Chefstrategie, Anm. d. Red.) und Toto und noch mehr Leute im Team hielten das gestern für unmöglich. Deshalb war es ein ziemlich monumentaler Moment für uns als Team. Das hat uns heute die Chance gegeben."

Formel 1 WM-Stand: Hamilton jetzt 40 Punkte vorne

Fast dieselben Worte wählt Wolff. "Es fühlt sich bedeutend an. Nicht für die Meisterschaft, aber für unser Auto hier in Singapur", so der Österreicher bei Sky UK. Doch ist die Bedeutung auch für den WM-Stand nicht zu bestreiten. 40 Punkte Vorsprung sind ein Pfund. "Ich hätte auf keinen Fall gedacht, dass ich aus Singapur mit zehn Punkten Führung in der WM mehr abreisen würde. Ich bin sehr dankbar dafür", sagt Hamilton.

Von einer Vorentscheidung oder einem Grund, seine Herangehensweise jetzt zu ändern will Hamilton aber nichts wissen. "Für heute ist der Job getan, aber es sind noch viele Punkte zu vergeben. Doch mit dem Fokus und der Performance, die wir als Team bringen gerade, können wir dieses Jahr noch mehr so Wochenenden liefern. Das ist das Ziel", sagt er. Noch muss es das auch. Noch hat Vettel es in eigener Hand. Bei sechs Siegen vor Hamilton würde es sich rechnerisch noch geradeso - um zwei Punkte - aus eigener Kraft ausgehen für den Deutschen.

Weiter Vollgas

Deshalb bleibt Hamilton dabei: "Mein Ansatz funktioniert gut, deshalb sehe ich keinen Grund, ihn zu ändern. Wir nehmen es Rennen für Rennen. Ferrari hatte in den letzten Rennen eine echt gute Pace. Wenn wir einen guten Job machen, sind wir am Ende vielleicht vorne. Und Red Bull war hier schneller als gewöhnlich."