Das neunte Rennen der Formel-1-Saison 2018 in Österreich wurde von zwei Faktoren dominiert: Max Verstappen und - nein, nicht Red Bull - Blistering. Während der Niederländer die auffallend massive Blasenbildung auf Pirellis Soft-Reifenmischung erfolgreich meisterte und zu seinem ersten Saisonsieg fuhr, gehörten sein Teamkollege Daniel Ricciardo und Mercedes-Pilot Lewis Hamilton zu den Verlierern des Reifen-Massakers in Spielberg.

"Diese Reifen sind nicht gut genug um damit wirklich Rennen zu fahren", kritisierte Hamilton die Performance der Reifen auf dem Red Bull Ring. Dem Briten war es wie einigen seiner Fahrerkollegen nicht gelungen, die Soft-Mischung am Leben zu halten. Während Verstappen 56 Runden auf dem Compound fuhr und sich als wahrerer Reifenflüsterer erwies, mussten andere Piloten sich dem wie ein Hefekuchen aufgegangenen Reifen irgendwann entledigen und einen zweiten Stopp einlegen.

"Ich konnte auf den Geraden nichts mehr sehen, weil die Reifen so starke Vibrationen ausgelöst haben", erklärte Renault-Pilot Carlos Sainz sein Dilemma. Bei ihm und Hamilton warf nicht nur der Soft- sondern auch der Supersoft-Reifen Blasen ohne Ende. Doch wie kam es überhaupt zu dem Blistering-Phänomen, mit dem nach den Trainings eigentlich niemand gerechnet hatte. Pirelli-Motorsportchef Mario Isola erklärte den Sachverhalt im Exklusiv-Interview.

Interview geführt von Christian Menath

Motorsport-Magazin.com: Das Rennen war eine ziemliche Überraschung, denn es wurde ein klarer Einstopper erwartet. Letztendlich sahen wir Teams die Probleme mit der Soft-Mischung hatten, die am Freitag noch mit Abstand der beste Reifen war, als der Ultrasoft der schlechtere war...
Mario Isola: Das Graining war am Freitag das Hauptproblem, weil es viel kälter als am Sonntag war. Graining ist ein Effekt, der hauptsächlich auftritt wenn es kalt ist. Er entsteht durch einen Abrieb der Oberfläche des Reifens. Wir sahen am Freitag, dass die Teams am Setup arbeiteten um das Graining zu reduzieren. Denn im Training kam das Graining beim Ultrasoft, sowohl vorne als auch hinten, vom Setup.

Lag es im Rennen dann hauptsächlich an der Temperatur oder was glauben Sie war der Grund für die Probleme?
Mario Isola: Am Sonntag war es eine völlig andere Situation. Wir hatten 15 Grad Celsius mehr Asphalttemperatur. Das hat natürlich einen Einfluss auf das Verhalten der Mischungen. Der Ultrasoft zeigte gar kein Graining. Das war etwas, das wir erwartet hatten. Auf der anderen Seite hatten wir den Soft. Aufgrund des geringeren Verschleißes wurde lange auf dem Reifen gefahren, was Hitze im Kern der Mischung generierte und zu Blistering führte. Das ist es, was im Rennen passiert ist.

Wenn wir auf die unterschiedlichen Autos schauten, konnten wir Blasenbildung hinten und auch vorne sehen. Nicht alle Autos zeigten dieselbe Art oder Intensität des Blisterings. Manche Autos schienen gar kein Bilstering zu haben. Es waren letztendlich ganz andere Bedingungen. Ob wir das hätten absehen können, ist schwer zu sagen. Wir wussten, dass es in Österreich letztes Jahr Blistering gab und die Temperaturen ähnlich waren. Dadurch war es keine komplette Überraschung. Aber natürlich, all die Daten vom Freitag sagten etwas anderes aus.

Sie haben erklärt, dass die Teams ihre Autos am Freitag so abgestimmt haben, dass Graining auf dem Ultrasoft vermieden wird. Denken Sie, dass das schlecht für das Rennen war?
Mario Isola: Ehrlich gesagt weiß ich das nicht, denn es ist ein anderer Effekt. Die Teams müssen vielleicht anders arbeiten, denn das Graining wird von den kalten Temperaturen verursacht, wenn der Reifen nicht richtig aufgewärmt wird. Das Blistering hingegen entsteht, weil der Reifen überhitzt wurde. Aber es kann sein, dass bei einem Setup des Autos zur Vermeidung von Graining das Blistering möglicherweise drastischer ausfällt.

Könnte das der Grund sein, weshalb der Red Bull am Freitag auf dem Longrun gar nicht lief und am Sonntag hingegen schon?
Mario Isola: Ja, wir haben gesehen, dass Red Bull sehr stark war. Ich glaube aber auch, dass Max ein fantastisches Rennen gefahren ist, genau wie die beiden Ferrari. Sie waren in der Lage den Reifen zu managen, selbst mit etwas Blistering vorne und hinten, wie man sehen konnte. Und letztendlich wissen wir auch, dass Blistering die Performance bis zu einem gewissen Grad nicht beeinflusst.

Würden Sie sagen, dass es Sinn gemacht hätte hier auch den dünneren Reifen einzusetzen?
Mario Isola: Ja, absolut. Der dünne Reifen, das haben wir beim Barcelona-Test deutlich gesehen, weil dieser am repräsentativsten war, ändert an der Balance, der Performance und dem Verhalten des Reifens nichts. Aber er hält die Temperaturen niedrig und beugt Blistering vor. So lange es keine Probleme mit dem Aufwärmen des Reifens gibt, funktioniert die dünnere Lauffläche besser als die normale.

Ziehen Sie in Erwägung, den dünneren Reifen nach Silverstone für weitere Rennen zu nominieren?
Mario Isola: Nein. Die Einführung des dünneren Reifens hing mit den Asphalttypen zusammen. Ein neuer Asphalt bedeutet ein höheres Griplevel und weniger Abnutzung. Aber wir wollen während der Saison nichts mehr ändern. Wir werden für die nächste Saison einige Tests durchführen, um zu verstehen welche die beste Richtung ist. Natürlich entwickeln wir für 2019 auch neue Mischungen, also wird es vielleicht gar nicht notwendig sein den dünnen Reifen einzusetzen. Aber es ist trotzdem eine Lösung, auf die wir zurückgreifen können.

In Ungarn könnte es sehr heiß werden und der Asphalt dort ist sehr neu. Würde der dünnere Reifen sich dort nicht anbieten?
Mario Isola: Ungarn ist ganz anders was die Arbeitsweise des Reifens angeht. In Spielberg geht es viel um das Bremsen und die Traktion. In Budapest kühlt sich der Reifen außerdem nicht ab, weil du keine Geraden hast. Der Reifen arbeitet die ganze Zeit mit lateralen Kräften. Vielleicht verteilt sich die Temperatur gleichmäßiger und wir können das Blistering reduzieren, weil du dadurch einen größeren Teil der Lauffläche nutzt.