105 Tage musste Sebastian Vettel auf seinen nächsten Formel-1-Sieg warten. Beim Brasilien GP in Sao Paulo platzte endlich wieder der Knoten. Vettel gewann den Klassiker im Grand-Prix-Kalender aber denkbar knapp vor Valtteri Bottas. Nach 71 Runden lagen nur 2,8 Sekunden zwischen Ferrari und Mercedes.

Die Motorsport-Magazin.com-Rennanalyse beleuchtet Vettels 47. Karriere-Erfolg. Wo holte Vettel den Sieg in Brasilien? Warum konnte Valtteri Bottas nicht überholen, obwohl der Mercedes - wie Lewis Hamilton mit seiner Aufholjagd zeigte - das schnellere Auto war? Warum wurde es beim Boxenstopp so eng? Vettels vier Sieges-Faktoren in der Analyse.

Sieg-Faktor 1: Der Start

Bottas startete in Sao Paulo von Pole, Vettel von Platz zwei. In der ersten Kurve war die Reihenfolge schon umgekehrt. Dabei dachte Vettel schon, er hätte verloren. "Ich kam erst gut weg, gab dann aber zu viel Gas und hatte durchdrehende Reifen. Dann dachte ich schon, das wäre es gewesen, aber als ich zu Valtteri hinübersah, bemerkte ich, dass er noch mehr Wheeelspin hatte. Ich habe auch auf der zweiten Hälfte noch Meter auf ihn gut gemacht."

Auf der Innenbahn gestartet konnte Vettel die gutgemachten Meter nutzen. Der Ferrari-Pilot stach innen rein und gab die Position an Bottas nicht mehr her. "Das war das entscheidende Manöver", weiß auch Vettel. "Es wäre sehr schwer für mich gewesen, ihn zu überholen. Wenn man die gleiche Pace hat und die gleichen Rundenzeiten fährt, ist es schwierig. Vielleicht hätte es noch eine Chance beim Stopp gegeben, die Valtteri fast bei mir genutzt hat."

Sieg-Faktor 2: Der Restart

Schon nach der ersten Runde hatte Bernd Mayländer seinen ersten und einzigen Auftritt in Sao Paulo 2017. Schlecht für Vettel, der sich schnellstmöglich aus dem DRS-Fenster fahren wollte, ehe die Überholhilfe freigegeben ist. "Gerade hier ist es schwer, den Restart zu timen, weil das Safety-Car relativ spät die Lichter ausmacht", erklärt Vettel. Aufgrund der kurzen Runde bleibt weniger Vorbereitungszeit, dazu kommt ein Problem ähnlich wie in Baku: Das letzte Drittel der Runde besteht lediglich aus Vollgas.

Doch Vettel hatte einen Trick auf Lager: "Es war nicht viel taktieren möglich. Ich habe eine große Lücke aufreißen lassen und dann versucht, zwischen den Gängen zu spielen, um ihn auszutricksen. Das hat besser funktioniert als erwartet." Trotz Windschatten hatte Bottas bei der Überfahrt von Start und Ziel noch knapp eine halbe Sekunde Rückstand auf Vettel.

Sieg-Faktor 3: Der Boxenstopp

Einmal wurde es beim Brasilien GP 2017 richtig eng für Vettel: Beim Boxenstopp. Mercedes wusste, dass es nur einen Stopp geben würde - und den mussten die Silberpfeile mit Bottas vor Vettel absolvieren, um taktisch eine Chance zu haben. Deshalb holte Mercedes Bottas auch als ersten Fahrer überhaupt zum regulären Boxenstopp. In Runde 27 erhielt der Finne neue Soft-Reifen.

FahrerTeamSekunden
L. StrollWilliams2,10
S. VettelFerrari2,19
M. VerstappenRed Bull2,35
S. PerezForce India2,51
V. BottasMercedes2,69
K. RaikkonenFerrari2,69
F. AlonsoMcLaren2,70
L. HamiltonMercedes2,75
D. RicciardoRed Bull2,76
F. MassaWilliams2,83
C. SainzRenault2,93
N.HulkenbergRenault2,96
R. GrosjeanHaas2,96
P. GaslyToro Rosso3,2
M. EricssonSauber3,36
P. WehrleinSauber3,40
B. HartleyToro Rosso3,55

Zu diesem Zeitpunkt lag sein Rückstand auf Vettel bei 1,6 Sekunden. Brasilien ist aufgrund der kurzen Runde nicht die perfekte Strecke für einen Undercut. Doch allein im Mittelsektor holte Bottas in seiner Outlap 1,1 Sekunden auf Vettel auf. Auch im ersten und letzten Sektor holte der Mercedes-Pilot auf Vettel auf.

Und trotzdem blieb der Deutsche am Ende knapp vorne. Der entscheidende Faktor war der Boxenstopp selbst. Obwohl Mercedes in dieser Saison die schnellsten Reifenwechsel aller Teams macht, gab es in Sao Paulo Probleme. Bottas stand bei seinem Stopp 2,69 Sekunden. Ferrari fertigte Vettel in exakt 2,19 Sekunden ab. Diese 0,5 Sekunden sicherten Vettel am Ende die Führung.

Sieg-Faktor 4: Der Mittelsektor

Tatsächlich sah es immer wieder so aus, als könnte Valtteri Bottas etwas schneller. Doch der Finne durfte im ganzen Rennen kein einziges Mal den Flügel hinter Vettel öffnen, weil er sich nie im DRS-Fenster befand. Genau da musste Vettel Bottas auch raushalten, weil es sonst gefährlich geworden wäre. Mercedes war in Brasilien beim Topspeed deutlich überlegen.

FahrerTeamMotorkm/h
PerezForce IndiaMercedes350,3
HamiltonMercedesMercedes345,8
StrollWilliamsMercedes341,7
BottasMercedesMercedes341,6
RicciardoRed BullRenault341,5
RäikkönenFerrariFerrari338,4
VerstappenRed BullRenault337,5
HülkenbergRenaultRenault336,6
GrosjeanHaasFerrari336,1
EricssonSauberFerrari '16334,6
HartleyToro RossoRenault334,4
VettelFerrariFerrari333,2
GaslyToro RossoRenault332,3
SainzRenaultRenault331,4
AlonsoMcLarenHonda329,7
WehrleinSauberFerrari '16327,5
MassaWilliamsMercedes323,9

Vettels Topspeed wurde mit lediglich 333,2 Stundenkilometer gemessen. Valtteri Bottas hingegen kam auf 341,6 km/h. "Auf den Geraden hat es uns an diesem Wochenende ein bisschen gefehlt", gesteht Vettel. Schon im Qualifying zeigte sich, dass Vettel auf der langen Bergauf-Vollgas-Passage viel Zeit verlor.

Vettels Joker: Der Mittelsektor. "Es war wichtig, dass ich den Mittelsektor jede Runde nutze, das ist mir gelungen", so der GP-Sieger. Selbst wenn Bottas nach dem ersten Sektor kurzzeitig im DRS-Fenster war, Vettel vergrößerte den Vorsprung im kurvenreichen Mittelsektor jedes Mal so, dass Bottas an der Messstelle mehr als eine Sekunde hinten lag.

Über das gesamte Rennen betrachtet gibt sich so ein beeindruckendes Bild: Fast in jeder einzelnen Runde fuhr Vettel im Mittelsektor deutlich schneller als Bottas. Im Durchschnitt gewann Vettel 0,354 Sekunden im zweiten der drei Sektoren. Bottas hingegen knabberte jeden Umlauf durchschnittlich 0,116 Sekunden im ersten und 0,208 Sekunden im letzten Sektor ab.

"Ich habe ihn immer im Spiegel gesehen und gesehen, wie er im ersten und letzten Sektor näher kam. Ich musste deshalb den Mittelsektor jedes einzelne Mal hinschmettern", verrät Vettel. Dass er den Vorsprung ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch kontrollierte, verneint Vettel. "Es war mit den Reifen am Limit. Ich habe zwar versucht, den Vorsprung zu verwalten, aber um ehrlich zu sein, bin ich die ganze Zeit über Vollgas gefahren. Ich musste pushen, um vorne zu bleiben und die ein bis drei Sekunden am Ende zu halten."

Übrigens: Obwohl sich Lewis Hamilton - aus der Boxengasse gestartet - das gesamte Rennen über durchs Feld arbeiten musste, war er im Mittelsektor durchschnittlich sogar schneller als Bottas. Und das, obwohl Verkehr in den Kurven am meisten Zeit kostet.