Traditionell bringen die Teams zum Europa-Auftakt der Saison beim Großen Preis von Spanien die ersten umfangreicheren Weiterentwicklungen an ihren Boliden. Auch bei Haas gibt es für das fünfte Saisonrennen ein erstes Upate am VF-17. Allerdings steht das Paket zunächst nur einem der beiden Piloten zur Verfügung - und der heißt nicht Romain Grosjean. Statt der inoffiziellen Speerspitze von Haas erhielt Stallgefährte Kevin Magnussen den Vorzug. Allerdings nur vorübergehend - und auch nur, weil ihm das Glück hold war.

"Leider werde ich es erst am Samstag erhalten", klagt Grosjean am Donnerstag vor dem Auftakt ins Rennwochenende von Barcelona, dass er am ersten Trainingstag ohne die neuesten Weiterentwicklungen an seinem Dienstfahrzeug auskommen muss. Haas hat für den Freitag schlichtweg nur ein Upate-Paket fertigstellen können und dieses bekommt zuerst der Teamkollege des Franzosen: "Kevin bekommt es am Freitag und ich erst am Samstag."

Doch wie kam es dazu, dass der Neuzugang im Team zuerst ran darf? Nach Grosjeans durchwachsenem Sochi-Wochenende könnte manch einer glauben, dass Magnussen aufgrund des kürzlichen Formtiefs des Stallgefährten den Zuschlag erhielt. Laut Grosjean steckt dahhinter aber etwas ganz anderes: "Es gab einen Münzwurf... und dabei hatte ich einfach noch nie Glück", erklärt er die Entscheidungsfindung von Teamchef Günther Steiner.

Steiner entschied per Münzwurf über das Update und Grosjean ging leer aus, Foto: Sutton
Steiner entschied per Münzwurf über das Update und Grosjean ging leer aus, Foto: Sutton

Steiner: In der Formel 1 ist nicht alles eine Wissenschaft

Steiner selbst ist verwundert darüber, wie ungläubig auf seine Methode reagiert wird. "Hier wollen immer alles aus jeder noch so kleinen Sache eine Wissenschaft machen. Aber da steckt in dem Fall weiter nichts dahinter", so der Österreicher. "Wir wurden vor ein paar Tagen informiert, dass für Freitag nur ein Unterboden zur Verfügung steht und das kam dann dabei heraus. Es war kein Weg den ich gerne gehe, aber manchmal ist es halt so. Wir waren spät mit der Fertigstellung der Teile dran und irgendeine Entscheidung muss man dann treffen."

Der Unterboden für Grosjean wird erst am Samstagmorgen geliefert, sodass er damit im 3. Freien Training auf die Strecke gehen kann. Bitter für ihn, erhielt sein Vertrauen in den VF-17 in Russland doch einen herben Dämpfer. "Es ist nicht ideal, denn es sind große Änderungen am Auto und ich weiß nicht, wie es am Freitag für uns sein wird", fürchtet er einen Erfahrungsrückstand für den Rest des Wochenendes. Am ersten Trainingstag wird Abstimmungsarbeit für ihn damit nur begrenzt möglich sein: "Der Punkt ist, dass wir das Setup schon um das neue Paket herum ausarbeiten sollten."

Der Teamchef hingegen möchte aus der Not eine Tugend machen. "Wir können auf diese Weise die beiden Autos vergleichen, was eine gute Sache ist. Wir haben zwei Fahrzeuge mit unterschiedlichen Spezifikationen und können sehen, ob das was wir jetzt gemacht haben, funktioniert oder nicht", erklärt Steiner seinen Ansatz für den ersten Trainingstag.

Wissenswertes über den Spanien GP in Barcelona: (01:06 Min.)

Größtes Update der Teamgeschichte

Das Update für das kommende Rennen ist laut dem Teamchef das umfangreichste in der Geschichte einer Mannschaft, nachdem sowohl am Vorgänger als auch am VF-17 bisher jeweils nur einzelne Elemente weiterentwickelt wurden: "Nach den Barcelona-Testfahrten hatten wir für Australien einen neuen Frontflügel. Wir hatten also schon ein Update. Aber während einer Saison ist das jetzt das größte, das wir je gemacht haben." Für Haas, deren Boliden mehr oder weniger nach dem Baukastenprinzip aus bei Dallara und Ferrari hergestellten Komponenten bestehen, ist die Weiterentwicklung während der Saison absolutes Neuland.

Nur bedingt wissenschaftlich, dafür allerdings umso pragmatischer, klingt der Ansatz mit dem die Ingenieure bei Haas die Weiterentwicklung vorantreiben. "Vor allem die Aerodynamiker schauen sich genau an, was die anderen Teams machen, denn das ist manchmal der Start deiner nächsten Entwicklung. Du siehst die Richtung in die andere Teams gehen und sagst okay, das checken wir besser mal aus", so Steiner, der diese Methoden allerdings nicht nur bei seinem Team sieht: "Hier schaut jeder auf jeden. Jemanden zu kopieren ist der einfachste Weg, Fortschritte zu machen."

Ein Ablauf, der ihn und sein Team in jedem Fall weiterbringt. "Wir müssen lernen und ich denke, das tun wir. Dazu gehört dann auch die verspätete Fertigstellung der Teile. Ich glaube aber trotzdem, dass wir bisher einen guten Job gemacht haben. Wir gut er wirklich war, sehen wir dann aber erst am Freitag", so Steiner weiter, der gegenüber Motorsport-Magazin.com noch Vorsicht walten lässt, was etwaige Fortschritte anbelangt: "Der Windkanal ist eine Geschichte und das eigentlich Rennauto eine andere. Für uns ist es letztendlich eine gute Möglichkeit um zu validieren, was wir entwickelt haben. Ich bin zuversichtlich, dass es sich als richtig herausstellen wird. Aber die Details müssen wir noch ausarbeiten."

Momentan befindet sich Haas mit acht WM-Zählern auf dem siebten Rang in der Konstrukteurswertung. Durch die Weiterentwicklung soll es zweifelsohne weiter nach vorne gehen, doch ein neues Kräfteverhältnis erwartet Steiner dennoch nicht: "Ich hoffe zwar, dass wir einen großen Sprung machen - aber realistisch betrachtet denke ich, dass es gleich bleiben wird. Jeder bringt Updates, aber die sind nicht so groß, dass sie irgendwem eine Sekunde bringen. Niemand ist so gut, dass er in vier Wochen so viel Zeit findet."

Haas glaubt nicht, dass die Gegner große Sprünge machen werden, Foto: Sutton
Haas glaubt nicht, dass die Gegner große Sprünge machen werden, Foto: Sutton

Grosjean: Williams und Force India uneinholbar

Auch Grosjean bleibt gegenüber Motorsport-Magazin.com bei seiner bisherigen Einschätzung des Kräfteverhältnisses im Mittelfeld: "Williams, Force India und dann kommen Renault, Toro Rosso und wir, aber da ändert sich die Reihenfolge ständig", so der Franzose, der genau wie sein Teamchef nicht daran glaubt, dass die Updates daran großartig etwas ändern werden. "Ein paar Dinge könnten sich geringfügig ändern, aber ich denke, das Kräfteverhältnis bleibt mehr oder weniger gleich. Williams und Force India sind auf jeden Fall schneller", so seine Prognose.

Völlig für die Katz sind die Anstrengungen für die Upates damit aber noch lange nicht. Der Teamchef weiß, dass auch kleine Schritte in der Formel 1 schon einen großen Unterschied machen können: "In meinen Augen sind echte ein oder zwei Zehntel signifikant. Das ist schon ein großer Faktor. So eng wie es zugeht, bringt dir ein Zehntel sehr viel. Im Qualifying in Russland hätte es uns vom 14. auf den 11. Platz gebracht. Alles was man herausholen kann, zählt."

Bremsen-Frage bei Haas immer noch ungelöst

Ein Bereich auf den sich Haas dafür seit seinem Formel-1-Einstieg 2016 fokussiert, sind die Bremsen. Immer wieder sorgen diese bei den Fahrern für Balance-Probleme und bei den Ingenieuren zu Kopfzerbrechen. Auch im zweiten Jahr ist das Thema Bremsen beim US-amerikanischen Rennstall allgegenwärtig. Zuletzt experimentierte Haas mit Bremsanlagen von Carbon Industries (CI), da die Teile vom bisherigen Zulieferer Brembo offenbar immer noch nicht perfekt mit dem Boliden harmonieren. In Barcelona haben die Piloten aber trotzdem wieder Brembo an Bord.

"Zuletzt liefen sie gut", erklärt Grosjean. Die Entscheidung ist allerdings auch darauf zurückzuführen, dass seine Ingenieure mit dem System des Alternativ-Lieferanten bisher ebenfalls auf keinen grünen Zweig kommen konnten. "Wir wussten sehr früh, dass wir die Bremsen von Carbon Industries nicht fahren können, da wir ein Problem mit der Kühlung haben. Dafür hatten wir von Brembo das China-Update und seitdem funktionieren diese Bremsen ziemlich gut. Solange wir diese Spezifikation haben, sind wir gut aufgestellt", fügt er an.

Grosjean und Magnussen werden auch bei den nächsten Rennen mit Brembo-Bremsanlagen unterwegs sein, Foto: Sutton
Grosjean und Magnussen werden auch bei den nächsten Rennen mit Brembo-Bremsanlagen unterwegs sein, Foto: Sutton

Insgesamt geben ihm die Bremsen von Carbon Industries allerdings ein besseres Gefühl: "Die Unterschiede sind winzig. Die Anlage von CI hat bei hohem Bremsdruck eine bessere Verzögerung, die von Brembo dafür bei mittlerem Druck. Dafür vermittelt die Bremse von CI am Ende des Bremsvorgangs ein besseres Gefühl, wenn um es um das Kontrollieren des Blockierens geht."

Laut dem Teamchef werden seine Piloten bis auf weiteres dennoch mit Komponenten vom Brembo Vorlieb nehmen müssen. "Als wir aus Russland zurückkamen, haben wir uns mit CI sofort an die Arbeit gemacht", so Steiner bezüglich der Kühlungs-Problematik. "Bisher hat uns der Hersteller aber noch nicht geantwortet, wie lange es dauert. Sie arbeiten daran, aber es gibt dafür keine schnelle Lösung. Für die nächsten paar Rennen bleiben wir bei Brembo."