Daniil Kvyat erlebte 2016 wohl das schwierigste Jahr seiner Karriere. Der junge Russe musste sein Red-Bull-Cockpit für Max Verstappen räumen und hat die Degradierung monatelang nicht verdaut. Nun steht er sportlich wieder auf beiden Beinen, doch mental beschäftigt ihn 2016 offensichtlich noch immer. Gemäß dem Motto "die Hand die dich füttert, beißt man nicht" muss er vorsichtig sein, was er über die Vorgänge sagt. Motorsport-Magazin.com versuchte trotzdem, mit dem Toro-Rosso-Piloten über die Geschehnisse des Frühjahrs 2016 zu sprechen. Der sonst sympathische Kvyat wurde zum schwierigen Gesprächspartner.

Daniil, ich weiß, das ist nicht dein Lieblingsthema, aber lass uns über deine Saison 2016 sprechen. Okay für dich?
Daniil Kvyat: Nein, das ist nicht okay. Aber gut, leg los...

Dann fangen wir locker an: Wie lief der Winter für dich?
Daniil Kvyat: Ah, Winter! Das passt erst mal. Im Winter habe ich viel trainiert, um vorbereitet zu sein für das Jahr. Dafür gingen 95 Prozent meiner Zeit drauf. Man könnte also sagen: Es war ein sehr professionell geführter Winter.

Hast du im Vergleich zu den früheren Jahren etwas geändert?
Daniil Kvyat: Nicht so viel. Die Trainings-Routine hat sich etwas verändert mit mehr Stunden und größerem Umfang. Insgesamt lief es aber ähnlich, allerdings mit einem größeren Fokus auf die wichtigen Dinge. Der Plan ist aufgegangen, denn physisch fühle ich mich sehr wohl, wenn ich ins Auto steige.

Du wirkst jetzt zufriedener als während eines Großteils der Saison 2016. Kann man das so sagen?
Daniil Kvyat: Ja, schon. Wenn ich in mich lausche, dann ist da nichts, was mir Sorgen bereitet. Im Moment bin ich sehr ruhig. Da ist nichts, was mich aus der Bahn wirft und das macht mich natürlich zufrieden.

Kvyat: Habe nicht über 2016 nachgedacht

Rückblickend: War 2016 das schwierigste Jahr deiner bisherigen Karriere?
Daniil Kvyat: Ich habe nicht allzu viel darüber reflektiert. Das letzte Jahr habe ich quasi in einen Safe gepackt und nicht mehr dran gedacht. Jetzt zählt für mich dieses Jahr.

Kvyat stand nach seinem Heim-GP 2016 im Fokus, Foto: Sutton
Kvyat stand nach seinem Heim-GP 2016 im Fokus, Foto: Sutton

Nachdem du 2016 von Red Bull zu Toro Rosso gewechselt bist: Hast du daraus auch Positives mitgenommen oder nur Negatives?
Daniil Kvyat: Was auch immer passiert ist, liegt in der Vergangenheit. Einfach war es nicht. Aber es ist vorbei, vergangen und ich bin darüber hinweg. Ich habe es hinter mir gelassen.

Du hast dich vermutlich oft nach dem 'Wieso' gefragt. Denkst du, dass das eher eine Beförderung für Max Verstappen war?
Daniil Kvyat: Um ehrlich zu sein, ist mir das egal. Ich möchte da nicht mehr drüber sprechen. Ich mache meine Arbeit auf der Strecke und gebe mein Bestes für das Team, für das ich fahre. Das ist jetzt Toro Rosso. Was auch immer passiert ist, ist jetzt egal.

Kvyat: Mit Verstappen nie darüber gesprochen

Hast du mit Verstappen später mal drüber gesprochen?
Daniil Kvyat: Nein, habe ich nicht.

Daniil Kvyat musste für Max Verstappen Platz machen, Foto: Sutton
Daniil Kvyat musste für Max Verstappen Platz machen, Foto: Sutton

Hast du auch mal über das Leben nach der Formel 1 nachgedacht?
Daniil Kvyat: Ja, aber das behalte ich für mich.

Okay, zurück zum Angenehmen: Kommen wir zu 2017. Liegen dir die neuen Autos?
Daniil Kvyat: Das ist schwierig zu beurteilen, welcher Fahrstil zu diesen Autos passt. Die Autos sind schnell und verfügen über viel Downforce. Ich als Fahrer habe so etwas vorher noch nicht erlebt - wirklich beeindruckend! Sie sind cool und es macht Spaß, sie zu fahren. Wir müssen abwarten, wie die Show und das Racing damit sein werden. Aber allein ihr Aussehen in den Kurven ist beeindruckend.

Glaubst du, dass sich durch die neuen Pirelli-Reifen viel verändern wird? Sie folgen ja einer ganz neuen Philosophie.
Daniil Kvyat: Sagen wir mal so: Man kann noch immer fühlen, dass es Pirelli-Reifen sind. Aber sie haben schon viel verändert. Der Reifen scheint jetzt etwas länger zu halten. Schauen wir mal, wie das in den Rennen aussieht. Uns Fahrern helfen die Reifen, um etwas länger Gas geben zu können. Es ist jedenfalls ein interessanter Reifen mit einer eigenen Charakteristik, auf die man achten muss.

Was bedeutet es genau, wenn du sagst, dass man immer noch spürt, dass es ein Pirelli-Reifen ist?
Daniil Kvyat: Das ist so ein allgemeines Gefühl. Das Gefühl, das vom Reifen ausgeht, hat sich vom vergangenen Jahr bis zu diesem nicht so sehr verändert. Sie sind recht ähnlich. Gleichzeitig gibt es einige Unterschiede. Ich bin ja nie einen Michelin- oder Bridgestone-Reifen gefahren, deshalb kann ich das nicht so richtig beurteilen.

Steht der Fahrer dieses Jahr mehr im Fokus, wie es gewollt war?
Daniil Kvyat: Die Autos sind schneller, deshalb ändert sich etwas für uns. Ales passiert in einem kürzeren Zeitraum, also brauchst du mehr Präzision.

Viele sagen, mit mehr Abtrieb ist das Fahren einfacher. Ist das Fahrfehler-Potenzial höher oder niedriger geworden?
Daniil Kvyat: Von außen betrachtet mag es einfacher aussehen, weil die Autos stabiler liegen. Aber immer, wenn du ans Limit gehst, besteht das Risiko eines Fehlers. Mit diesen Autos ist es sicherlich nicht geringer geworden. Für uns ist das Fahren auf jeden Fall anspruchsvoller geworden.

Du giltst als Fahrer, der sehr schnell reagieren kann und über eine gute Fahrzeugbeherrschung verfügt. Wir denken an Monza 2015, als dir eine Bremsscheibe explodierte und du das Auto noch auf der Strecke halten konntest. Kommt dir das jetzt besonders zu Gute?
Daniil Kvyat: Kontrolle und Reaktionsvermögen sind in jedem Rennauto wichtig. Selbst, wenn ich etwas wie einen Formel Ford fahren würde.

Ihr habt jetzt auch einen Renault-Motor und von außen wirkt es, als ob bei euch im Team ein frischer Wind herrsche. Ist das wirklich so?
Daniil Kvyat: Klar, mit dem neuen Motor sind die Erwartungen etwas angestiegen. Wir erhalten eine ordentliche Entwicklung und können dabei nichts verlieren. Ganz im Gegenteil: Es wird nur besser. Wir müssen schauen, wie es im Rennen läuft. Aber wir vertrauen auf unseren neuen Motor.

Eure Auto-Präsentation war ein Highlight, aber bei den Tests lief nicht alles rund. Wie ordnest du das ein?
Daniil Kvyat: Nur bei zwei Teams lief alles wie am Schnürchen: Mercedes und Ferrari. Jeder, auch wir, hatte irgendwo kleinere Probleme. Das hat uns natürlich Zeit gekostet. Vor allem der letzte Tag der ersten Testfahrten kam bei uns einem kleinen Desaster gleich, weil wir keine einzige Runde gefahren sind. Das war nicht cool, gehört aber dazu. In der zweiten Woche konnten wir dann einige Kilometer machen, um daraus zu lernen und für Melbourne bereit zu sein.

Denkst, du, dass Toro Rosso bereit ist für den Saisonstart?
Daniil Kvyat: Ja, wir sind bereit für den Kampf. Das gilt auch für unsere Ingenieure. Wir hatten ausreichend Runden, damit sie alle Informationen sammeln konnten. In dieser kurzen Zeitspanne hatten wir viele große Tests, das war eine gute Sache.

Und du persönlich?
Daniil Kvyat: Ich denke schon. Und eine Wahl habe ich ja eh nicht! Als ich beim Test zum letzten Mal im Auto gesessen habe, fühlte ich mich jedenfalls ziemlich wohl.

Toro Rosso jetzt echtes Formel-1-Team

Toro Rosso ist eigentlich Red Bulls Junior-Team. Aber mit dir und Carlos Sainz sitzen nicht unbedingt Nachwuchspiloten am Steuer. Hast du dir schon mal Gedanken gemacht, wie es nach 2017 weitergeht?
Daniil Kvyat: Stimmt, als Junior-Team kann man uns nicht mehr bezeichnen.

Sondern?
Daniil Kvyat: Als Formel-1-Team! Wir haben unser eigenes Chassis und einen eigenen Motor - und eigene Fahrer. Ich denke nicht, dass man uns im Vergleich zu den Fahrern von Red Bull als Junioren bezeichnen kann. 2015 stand ich immerhin vor einem ihrer 'Senior-Fahrer'... Wie es weitergeht, weiß ich nicht. Jetzt fahre ich für Toro Rosso und gebe mein Bestes. Das Team ist erwachsen geworden aus organisatorischer und technischer Sicht. Ich sehe jetzt ein Auto auf einem sehr hohen Level. Hoffentlich können wir uns in der Weltmeisterschaft verbessern, das wäre ein wichtiger Schritt fürs Team.