Daniel Ricciardo - das personifizierte Lächeln. Seit dieser Saison kennen die Fans auch einen anderen Daniel Ricciardo. Den Dachs ohne Honig. Knapp 100 Rennen hat das gedauert. Motorsport-Magazin sprach mit dem Red Bull-Piloten über seine persönliche Entwicklung, die Märchen-Saison 2014 und die neue Herausforderung an seiner Seite: Max Verstappen.

Du bist in Deutschland deinen 100. Grands Prix gefahren. Was hat sich für dich in dieser Zeit verändert?
Daniel Ricciardo: Ziemlich viel. Wenn ich auf meine Zeit bei HRT und die ersten sechs Monate bei Toro Rosso zurückblicke, dann habe ich da noch versucht, diese Welt zu verstehen. Ich habe versucht, mich hier zurechtzufinden. Seitdem fühle ich mich, als wäre ich jedes Jahr erwachsener geworden. Ich bin gereift und habe mich im Auto, aber auch außerhalb entwickelt. Ich kenne mich jetzt selbst, ich kenne die Ingenieure, ich kenne das Team. Auch Medientermine wie diesen. Man versucht es, so zu managen, dass man seine Energie viel besser nutzt. Die Entwicklung über die 100 Rennen ist wirklich cool.

Ricciardo bestritt in Deutschland sein 100. Formel-1-Rennen, Foto: Red Bull
Ricciardo bestritt in Deutschland sein 100. Formel-1-Rennen, Foto: Red Bull

Ist es das ganze Drumherum in der Formel 1, das viele Reisen, die vielen Medientermine?
Daniel Ricciardo: Ja! Reisen und Medien sind richtig viel. Dabei muss man noch versuchen, zu trainieren. Dann hat man noch Zeitdifferenzen und Jetlag. Man muss eine Menge Dinge managen und herausfinden, wie viel Zeit man für jede Sache aufwendet. Am Ende des Tages will man einfach nur bestmöglich vorbereitet ins Rennen gehen. Man muss seinen Zeitplan richtig managen, um zu wissen, wann das PR-Event richtig ist und wann man ins Fitnessstudio oder so geht.

Und das ist vermutlich etwas, auf das man nicht vorbereitet werden kann...
Daniel Ricciardo: Das ist ein großer Lernprozess. Darauf kann man nicht vorbereitet werden. Das ist die größte Herausforderung der Formel 1. Der Kalender in Nachwuchsserien ist recht schmal und plötzlich platzt er in der Formel 1 aus allen Nähten. Jeden Tag ist etwas.

Sprechen wir über deinen Lernprozess: 2014 war da vermutlich ein ganz besonderes Jahr. Du hast deinen Teamkollegen Sebastian Vettel klar geschlagen. Drei zu null Siege, 238 zu 167 Punkte. Die meisten - um ehrlich zu sein auch ich - hatten das nicht wirklich erwartet. Warst du überrascht?
Daniel Ricciardo: Hmm. Ja. Zum Saisonstart dachte ich, dass ich gegen ihn konkurrenzfähig sein könnte. Ich habe nicht erwartet, ihn jedes Mal zu schlagen, aber ich dachte schon, dass ich ihn bei ein paar Rennen schlagen und dort gut sein kann. Ich hatte aber wirklich nicht erwartet, dass der Abstand so groß sein würde. Ich habe in Kanada gewonnen und auch dann haben manche Leute noch gesagt: Okay, Seb wird das nächste Mal gewinnen. Aber dann habe ich noch ein Rennen gewonnen und dann noch eins. Danach haben die Leute gemerkt, dass ich nicht nur schnell sein kann, sondern auch Erfolg haben und konstant sein kann. Das war ein gutes Jahr für mich.

Ricciardo feierte 2014 in Kanada seinen ersten Sieg in der Formel 1, Foto: Sutton
Ricciardo feierte 2014 in Kanada seinen ersten Sieg in der Formel 1, Foto: Sutton

Gab es etwas Besonderes in diesem Jahr? Es gab natürlich die Regeländerung, die Motoren hatten viel mehr Drehmoment, die Autos weniger Abtrieb. Ist dir das entgegengekommen?
Daniel Ricciardo: Ich weiß nicht genau. Vielleicht war es für Seb eine größere Änderung, weil er zuvor ganz vorne war und so extrem viel Abtrieb hatte und dann etwas bekam, woran er nicht gewohnt war, wie zum Beispiel die Motorbremse oder diese Dinge. Mit den V6-Motoren war das schon etwas anders. Er war an etwas gewöhnt, das wirklich gut war - und dann haben wir etwas bekommen, das... Durchschnitt war. Wahrscheinlich war es auch frustrierend für ihn, weil er mehr aus dem Auto herausholen wollte, das nicht da war. Das hatte wahrscheinlich auch einen Einfluss.

Von außen sah es so aus, als wäre Sebastian auch nicht ganz glücklich mit der Situation, mit dem Team gewesen. Hast du so etwas im Team gespürt?
Daniel Ricciardo: Schwierig, ich hab es vielleicht ein bisschen gemerkt. Wenn man nicht die Ergebnisse holt, die man will, dann ist es glaube ich normal, dass man frustriert ist. Das ist wie bei mir in den letzten paar Rennen. Da war ich auch frustriert von den Ergebnissen. Aber seine Beziehung zum Team war noch immer gut. Er hatte nie große Streitigkeiten. Auch wenn ich gewonnen habe, war er sehr respektvoll und hat mir gratuliert. Von außen sah es auf jeden Fall noch sehr gut aus.

Was hat die Saison 2014 für dich persönlich verändert?
Daniel Ricciardo: Das hat eine Menge geändert. Mir persönlich hat es all das Selbstvertrauen gebracht, das ich benötigt habe, um so weiterzumachen und mich für eine Weltmeisterschaft zu pushen. Von außen hat das aber auch viel geändert. Teamchefs und andere Fahrer respektieren mich seither.

Welche Teamchefs speziell?
Daniel Ricciardo: Wenn man sich im Paddock über den Weg gelaufen ist, haben zum Beispiel Toto Wolff oder Stefano Domenicali 'Hallo' gesagt und mir zu den Rennen gratuliert.

Verträge hatten sie keine im Gepäck?
Daniel Ricciardo: Nein, nicht [lacht]. Aber es sind kleine Dinge. Zuvor ist man einfach nur aneinander vorbeigelaufen, aber wegen der guten Ergebnisse habe ich Anerkennung bekommen. Man fühlt sich mehr in die Formel 1 involviert. Man ist nicht nur eine andere Zahl, man ist wirklich Teil davon. Die Leute werden auf dich aufmerksam. Es ist cool, wenn man an eine Strecke kommt und weiß, dass man hier schnell sein wird. Es war schön, einer dieser Jungs zu sein.

Seit der Saison 2014 scheint es, dass die Dinge nicht mehr so sehr in deine Richtung laufen. Stimmst du dem zu?
Daniel Ricciardo: In dieser Saison ist ungefähr alles gut gegangen. Ich hatte nur einen Ausfall und die Disqualifikation in Australien. Aber sonst sind alle Rennen für mich gut gelaufen. 2015 gegen Daniil [Kvyat] hatte ich das Gefühl, ein paar Punkte wegen Pech und einiger technischer Probleme am Auto verloren zu haben. Und auch in diesem Jahr war es ein bisschen so, speziell in Barcelona und Monaco. Aber so ist es, auch im Leben. Manchmal hat man einen guten Monat, dann wieder eine schlechte Woche... Ob in der Arbeit, oder in der Beziehung - so ist es eben. Man muss den Sturm überstehen. Seb hatte dieses schlimme Jahr eben 2014. 2015 war er wieder zurück auf dem Höhepunkt.

Wie wichtig ist Glück in der Formel 1?
Daniel Ricciardo: Glück ist etwas, das nicht wirklich existiert. Aber es existiert. Man braucht es. Aber Pech kann mit der richtigen Vorbereitung auch verhindert werden. Wenn ich mich bestmöglich vorbereite und das Team auch, dann sollten wir uns nicht auf Glück verlassen müssen. Ich glaube, man kann Glück erzwingen.

Ich frage, weil es nach Barcelona und Monaco so aussah, als wäre dir das Glück abhandengekommen. Wir haben dann einen Daniel Ricciardo gesehen, den wir zuvor noch nicht kannten. Kanntest du diesen Daniel Ricciardo?
Daniel Ricciardo: Ja, ich kannte ihn. Ich wusste aber auch, dass ihn nicht viele Leute kannten. Ich glaube, es war gut, dass die Leute ihn gesehen haben. Und auch, dass das Team ihn gesehen hat. Das Team kennt mich, ich mache viele Späße, aber ich kann auch sehr ernst sein. Ich nehme den Sport sehr ernst. Aber ich glaube, man hat gesehen, wie sehr ich es wirklich wollte. Ich will Spaß haben, wenn ich hier bin - ganz klar. Aber ich will auch erfolgreich sein. Ich würde es hassen, die Formel 1 ohne Weltmeisterschaft zu verlassen. Aber ich habe das Gefühl, dass ich mache, was ich machen muss. Ich stecke viel Arbeit rein. Viele Emotionen sind aus mir rausgekommen. Das Gute war, dass jeder mein Verlangen gesehen hat. Das ist wichtig.

Ist das der Daniel Ricciardo, den wir normalerweise nicht sehen, weil er in diesen Momenten den Helm auf und das Visier runtergeklappt hat?
Daniel Ricciardo: Ja. Absolut.

Eine tickende Zeitbombe

Nachdem er in Monaco und Spanien das Nachsehen hatte, gelang Ricciardo in Malaysia der Sieg, Foto: Sutton
Nachdem er in Monaco und Spanien das Nachsehen hatte, gelang Ricciardo in Malaysia der Sieg, Foto: Sutton

Es scheint, als hätte sich im Team etwas geändert, seit Max Verstappen gekommen ist. Wie siehst du die Situation und wie siehst du deinen neuen Teamkollegen?
Daniel Ricciardo: Als die Änderungen kamen, war das vielleicht für manche Leute ein Schock. Aber um ehrlich zu sein, passieren eine Menge positiver Dinge im Team, seit Max hier ist. Es sieht so aus, als könnten wir viel mehr um Podiumsplatzierungen mitfahren. Wir pushen uns beide gegenseitig auf ein anderes Level. Max ist offensichtlich richtig schnell. Er ist jung, aber er ist nicht jung im Motorsport. Er weiß eine Menge über Racing. Sowohl im Qualifying, als auch im Rennen. Wenn es zum Beispiel darum geht, Reifen zu managen. Er ist ziemlich erfahren für sein Alter und er hat auch eine Menge Verlangen. Das schafft für uns eine wirklich gute Umgebung und das Team ist glücklich. Das motiviert sie.

Wir hatten in unserer Ausgabe 49 von Motorsport-Magazin eine Geschichte über Max: Wunderkind oder Bad Boy. Was sagst du?
Daniel Ricciardo: Im Moment Wunderkind. Er ist der jüngste Sieger in der Geschichte der Formel 1. Das ist eine große Geschichte. Aber ich glaube, es wird interessant sein zu sehen, was mit der Zeit passiert. Er ist mit jungen Jahren sehr erfolgreich. Man muss dann sehen, wie reif der Kopf ist, um damit umzugehen. Ich glaube aber, dass er es bislang hinbekommt.

Das hat Max gesagt: Bad Boy!
Daniel Ricciardo: Eine tickende Zeitbombe [lacht]

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