Ralf Schumacher engagiert sich seit Jahren aktiv in der Motorsport-Nachwuchsförderung. Als ehemaliger Formel-1- und DTM-Pilot arbeitet er nun mit Kartfahrern und seit dieser Saison auch als Teamchef in der ADAC Formel 4. Zusammen mit Gerhard Ungar leitet er den Rennstall US Racing, mit dem Marvin Dienst 2015 die Meisterschaft feierte. 2016 blieben die ganz großen Erfolge jedoch aus. US Racing belegte Rang vier der Teamwertung. Mit Motorsport-Magazin.com sprach Ralf Schumacher über seine Debüt-Saison als Formel-4-Teamchef, die Schere zwischen Talent und Finanzierung im Motorsport und warf einen Blick auf die Formel 1 und Max Verstappen.

Wie fällt Ihre Bilanz nach einem Jahr als Teamchef in der ADAC Formel 4 aus?
Ralf Schumacher: Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden. Die Serie hatte im ersten Jahr noch sehr viele Safety-Car-Phasen, das ist jetzt etwas besser geworden. Für uns wäre es natürlich schöner gewesen, an die Erfolge aus dem letzten Jahr anzuknöpfen. Das war eigentlich auch unser Ziel. Teilweise haben wir das geschafft, aber nicht so, wie wir es uns gewünscht hatten. Wir waren trotzdem immer relativ gut dabei. Ich hätte unseren Fahrern den einen oder anderen Sieg mehr gegönnt, aber es hat halt nicht geklappt.

Ralf Schumacher mit Gerhard Ungar bei der Präsentation des US Racing-Teams, Foto: HTP Juniorteam
Ralf Schumacher mit Gerhard Ungar bei der Präsentation des US Racing-Teams, Foto: HTP Juniorteam

Woran lag es, dass die Siege im Jahr 2016 größtenteils ausblieben?
Ralf Schumacher: Es gibt da viele Gründe. Wir haben mal Pech gehabt, als es wieder eine Safety-Car-Phase oder ein Rennabbruch gab, manchmal hat sich das Wetter anders entwickelt als geglaubt oder es lag am Fahrer. Es ist nun mal eine Nachwuchsserie, da passieren solche Dinge. Die Autos der Top-Teams, die sich jetzt herauskristallisiert haben, sind sehr ähnlich.

Würden Sie von sich behaupten, ein strenger Teamchef zu sein?
Ralf Schumacher: Ich denke schon.

Wie äußert sich das?
Ralf Schumacher: Ich bin für ein klares Miteinander. Wenn jemand einen Fehler macht, dann ist es so. Das habe ich selbst in meiner Karriere erlebt. Ich bin der Meinung, dass man zusammen gewinnt und verliert. Aber wenn ich den Eindruck habe, dass jemand einen schlechten Job macht oder versucht, sich rauszureden, dann kriegen sie von mir schon eine Ansage.

Sind Sie schonungslos ehrlich zu den Eltern der Kinder, in denen sie kein Talent sehen, oder drücken Sie sich freundlicher aus?
Ralf Schumacher: Ich bin schon dafür bekannt, dass ich solche Dinge gerade heraus formuliere. Wenn ich der Meinung bin, das eine Förderung keinen Sinn machen würde, dann sage ich den Eltern das. Ich denke, das gehört auch dazu. Meistens berät man in dem Entwicklungsstadium, in dem wir uns hier noch befinden, noch eher bei den Entscheidungen. In diesem Alter ist es schwer zu sagen, ob jemand das Zeug dazu hat oder nicht. Außer natürlich es ist eine komplette Katastrophe.

Kim-Luis Schramm war der bestplatzierte US Racing-Pilot 2016, Foto: ADAC Formel 4
Kim-Luis Schramm war der bestplatzierte US Racing-Pilot 2016, Foto: ADAC Formel 4

Eine gewisse Tendenz ist aber schon von Beginn an zu merken?
Ralf Schumacher: Man merkt eine Tendenz. Zu unserer Zeit war es einfacher, weil es weniger Leute gab, die diesen Sport professionell betrieben haben. Heutzutage gibt es viel mehr aufstrebende Fahrer, sei es aus Hoffnung, Geld oder Talent. Gleichzeitig wird auch viel mehr Zeit und Geld investiert. Deshalb fällt es schwerer, zwischen dem Talent und dem Lernenden zu unterscheiden. Das merkt man auch jetzt gerade. Es gibt Fahrer, die mit fünf oder sechs Testtagen im Jahr auskommen müssen, andere können sich 20 leisten.

Was können Sie den jungen Fahrern konkret beibringen?
Ralf Schumacher: Als Teamchef sorgt man für die Basis: Dass das Fahrzeug da ist und man kümmert sich um die Mechaniker. Unser Job ist es, die Leute auszusuchen, die mit den Fahrern arbeiten. Man steht darüber und versucht zu vermeiden, dass irgendwelche Fehler entstehen. Ansonsten haben wir mit dem Fahrer selbst relativ wenige Verbindungspunkte, außer in den Meetings abends.

Ralf Schumacher bei seinem letzten Formel-1-Rennen 2007 in Brasilien, Foto: Sutton
Ralf Schumacher bei seinem letzten Formel-1-Rennen 2007 in Brasilien, Foto: Sutton

Was ist der Reiz daran, den Nachwuchs zu fördern?
Ralf Schumacher: Ich muss sagen, für mich beginnt die Förderung schon beim Kart fahren. Für mich ist das die noch schönere Phase. Dort sind die Bambinis von 8 bis 15. Die Entwicklung der Piloten zu unterstützen, ihnen ehrliche Einschätzungen und Tipps zu geben und ihnen das Leben einfach ein bisschen leichter zu machen, das ist eigentlich die Förderung, die ich mag. Wenn es klappt, ist es schön, aber wenn nicht, dann ist es eben mal so.

Was ist die Zielsetzung in der Förderung?
Ralf Schumacher: Ich denke nicht soweit, dass ich einen bestimmten Piloten irgendwann einmal in der Formel 1 sehen will. Es ist einfach ein Lebensabschnitt, in dem man versucht, die Eltern und das Kind selbst so seriös und ehrlich wie möglich zu beraten, um sie ihren persönlichen Zielen ein Stück näher zu bringen. Egal, was es ist.

Hat der Name Ralf Schumacher im Team Einfluss darauf gehabt, wie viele oder welche Fahrer sich beworben haben?
Ralf Schumacher: Die Entscheidung für einen Fahrer treffen wir gemeinsam, die technische Seite obliegt ganz Gerhard Unger. Mein Beisein hat sicher das ein oder andere geändert in der Außenwirkung. Im Kart ermöglichen wir jetzt einen nahtlosen Übergang in die Formel 4. Ich würde auch behaupten, dass wir eines der besseren Kart-Teams in Deutschland sind. Das hat natürlich schon einen gewissen Einfluss, aber das Ziel von Gerhard und mir ist wie gesagt, so ehrlich wie möglich eine perfekte Basis zu bilden. Am Ende muss der Fahrer es selbst machen. Wenn man sich im Fahrerlager umsieht, stellt man fest, dass es ein rein eigenfinanzierter Sport ist. Es gibt keine Werke, das Umfeld ist doch sehr seriös. Das ist in vielen Bereichen unseres Sports leider nicht so. Wir wollen diese Seriosität garantieren, um die Kinder weiter zu bringen. Das ist das Wichtigste und ich denke, das erkennen die Leute. Vor allem, wenn sie bereits im Vorfeld mit uns zusammengearbeitet haben.

Wie viel Talent-Scout und wie viel Business-Man steckt dann in Ihnen?
Ralf Schumacher: Man wird hier sicher nicht reich, aber wir wollen auch kein zusätzliches Geld ausgeben. Wir haben eine ganz offene und faire Kalkulation mit unseren Talenten. Das ist im Kartsport so, genauso wie hier. Die Preise geben wir leider nicht vor, es ergibt sich halt einfach aus dem Programm. Natürlich gibt es fixe Kosten für die Saison, dazu kommt noch das Testen und Schäden, die individuell entstehen.

Ist es nicht beunruhigend zu sehen, dass statt Talent immer mehr das Geld entscheidet?
Ralf Schumacher: Wir haben jetzt eine Generation, die ihr Talent mit sehr viel Eigenkapital fördert. Das ist so, aber es wird sich auch wieder beruhigen. Ein Teil ist ja jetzt schon weitergezogen in die höheren Klassen. Das hat es schon immer gegeben, auch zu meiner Zeit. Wir hatten vielleicht das Glück, dass der Motorsport zu dieser Zeit noch nicht so professionell war. Aber das Problem ist, dass alles teurer wird. Das Catering kostet, genauso wie die LKWs für den Transport. Die Fahrzeuge sind deutlich komplizierter geworden und brauchen Ingenieure und einen Haupt-Mechaniker. Wenn ich an meine Zeit in der Formel Junior zurückdenke, hatte ich dort gar keine Daten-Mechaniker. Da hatte ich einen Mechaniker und einen Hilfsmechaniker im Zelt, der die anderen noch bedient hat, falls Arbeit anfiel. Es gab eine Bierbank, abends wurde gegrillt und das war's. Heutzutage ist es anders und das bringt mit sich, dass alles teurer wird. Selbst wenn man wollte, kann man gegen diese großen Teams gar nicht bestehen, wenn man nicht das gleiche System hat.

Marvin Dienst, der ADAC Formel 4-Meister von 2015, ist heute im GT-Sport aktiv, Foto: ADAC GT Masters
Marvin Dienst, der ADAC Formel 4-Meister von 2015, ist heute im GT-Sport aktiv, Foto: ADAC GT Masters

Sind sie auch der Meinung, dass der Trend für junge Piloten eher weg von der Formel 1 hin beispielsweise zum GT-Sport geht?
Ralf Schumacher: Ich glaube nicht, das der Trend davon weggeht. Ich glaube eher, das die Fahrer, wenn sie in der Formel 1 ankommen, relativ lange dort bleiben und die Cockpits einfach begrenzt sind. Wenn ich Richtung Formel 1 oder auch DTM möchte, geht es ohne die Formel 3 nicht. Dort schauen sich die Werke um, allerdings muss ich da mittlerweile auch schon 800.000 Euro investieren. Danach kommt die GP2, da sind wir bei 1,8 oder bei manchen Teams sogar zwei Millionen Euro. Wenn mich Eltern nach einer Kalkulation fragen, sage ich meistens, dass sie das Geld für ihr Kind lieber auf ein Konto legen und es studieren lassen sollen, wenn sie das Geld haben. Damit spreche ich zwar gegen unsere Passion, aber es ist wirklich schwierig geworden, dem Kunden eine Perspektive für die Zukunft zu bieten. Der GT-Sport bietet eine große Plattform, wie das GT Masters, die VLN, 24h-Rennen, Blancpain und die WEC. Es gibt schon einiges, was realistisch ist, vor allem weil die Autos doppelt besetzt sind. Deshalb geht der Trend vermutlich in diese Richtung. Aber wenn man fragen würde, würden die Kinder sicher in die Formel 1 gehen wollen.

Die ADAC Formel 4 hat in den ersten beiden Jahren einen wahren Boom erlebt. Wieviel daran liegt an der Formel 4 und wieviel an Ihrem Neffen Mick?
Ralf Schumacher: Ich denke, dass man im Moment schon von 70 Prozent Interesse an Mick sprechen muss. Für die Serie ist das schade, aber es ist halt so. Alles wird immer mit ihm in Verbindung gebracht. Speziell im ersten Jahr war es übertrieben, dieses Jahr war es besser dosiert. Er hat aber auch einen tollen Job gemacht, da war die Berichterstattung gerechtfertigt. Wenn er im nächsten Jahr dann aber in die nächste Kategorie wechselt, wird es hier sicher wieder etwas ruhiger. Der Formel 4 hat es sicher geholfen, aber ob es am Ende viele Sponsoren gebracht hat, bin ich mir nicht sicher.

Fraglich ist auch, wie weit SPORT1 die Live-Übertragungen im Free-TV in diesem Maße aufrechterhält.
Ralf Schumacher: Sie haben gesagt, sie machen weiter. Wir hatten in unserem Team jetzt den Sohn von Bertrand Gachot, es werden also immer wieder Fahrer kommen, die interessant sind. Ob es dann gerade so passt wie im Fall von Mick sei dahingestellt. Er war ein Ausnahmefall in jeder Hinsicht, gerade im deutschen Motorsport. Man kann nur hoffen, dass die Leute von SPORT1 clever genug sind, im Sinne des Sports so weiter zu verfahren.

Max Verstappen ist der neue Shooting-Star der Formel 1, Foto: Red Bull
Max Verstappen ist der neue Shooting-Star der Formel 1, Foto: Red Bull

Sie sind selbst seit Jahren in der Nachwuchsförderung im Motorsport aktiv. Wie denken Sie über den schnellen Aufstieg von Max Verstappen in der Formel 1 und sein Verhalten in dieser Saison?
Ralf Schumacher: Er ist sicher ein großes Talent und einer der wenigen, der alles umsetzen konnte. Das Problem ist jedoch, dass die Jungs das in der Regel nicht können. Das ist kein ungefährlicher Wegweiser für Eltern mit den finanziellen Mitteln, die ihr Kind unbedingt schon in der Formel 1 sehen wollen. Bis auf die eine oder andere kleine Situation hat er es sicher gut gemeistert. Das einzige, was mich gestört hat, waren die Diskussionen, die er öffentlich geführt hat. Sonst macht der Kleine einen guten Job.