Mercedes-Teamchef Ross Brawn stand am Donnerstagnachmittag dem Internationalen FIA-Tribunal zum Pirelli-Reifentest in Spanien Rede und Antwort. Dabei wurde der Mercedes-Teamchef von FIA-Ankläger Mark Howard ordentlich in die Mangel genommen. Howard wollte beweisen, dass sich Mercedes durch den Test einen Vorteil erschlich. Auch wenn das Team nicht gewusst habe, welche Reifen Pirelli einsetzte, so hätte Mercedes Erkenntnisse zu Sicherheit, Technik und Verlässlichkeit des Autos gezogen. "Das ist unvermeidbar", gestand Brawn auch ein.

Daher habe er auch die Erlaubnis der FIA eingeholt. Dass Charlie Whiting nicht die Befugnis dazu habe, ließ Brawn nicht gelten. "Charlie ist nach meiner Meinung nach die Autorität, die einen solchen Test bewilligen darf. Charlie hat während eines Rennwochenendes oft noch viel schwerwiegendere Entscheidungen zu treffen. Wir alle verlassen uns auf seine Meinung, er ist der Referenzpunkt", stellte Brawn klar. Doch der FIA-Ankläger ließ nicht locker und zog aufgrund von Material, das Red Bull der FIA zu Verfügung stellte, den Schluss, dass Mercedes zumindest in punkto Zuverlässigkeit einen Lerneffekt hatte.

Diesen Vorwurf wollte Brawn so nicht stehen lassen: "Heute stehen Testkilometer nicht mehr in Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit. Die Topteams haben Verfahren entwickelt, die Standfestigkeit anderweitig sicherzustellen. Wenn das Argument von Red Bull richtig wäre, dann muss man ihnen die Frage stellen, warum ihr Auto in der zweiten Saisonhälfte 2012 drei Mal liegengeblieben ist. Zu dem Zeitpunkt waren bereits viel mehr Kilometer zurückgelegt."

Außerdem stellte der Brite einmal mehr klar, dass Pirelli dem Team nicht verriet, welche Reifen getestet wurden. Genau diese Tatsache mache ohnehin jede Form von Daten unnütz. "Wir arbeiten immer nach dem Prinzip, dass keine Information besser ist, als schlechte Information. Ich wüsste nicht, wie wir auch nur in irgendeiner Form Daten aus dem Test hätten verwenden können." Gleichzeitig betonte der Mercedes-Teamchef, dass es bei dem Test vorwiegend darum ginge, die Sicherheit der Reifen zu verbessern.

Um diesem Punkt Nachdruck zu verleihen, ließ der Mercedes-Anwalt Brawn eine Liste mit Fahrern vorlesen, die aufgrund der aufgetretenen Reifenschäden in den Rennen Bedenken äußerten - darunter befand sich auch Champion Sebastian Vettel. Dass die Teams erst im Nachhinein vom Test erfuhren, sei kein Fehler von Mercedes gewesen. "Es war ein Pirelli-Test und somit lag die Verantwortung, den Test zu kommunizieren bei Pirelli", erklärte Brawn, der wie Toto Wolff auf das Tribunal bestanden hat.

Das verriet Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda gegenüber dem Blick. Der Österreicher selbst wollte einen Prozess verhindern. "Ich habe das ganze Montreal-Wochenende versucht, den Prozess noch zu verhindern. Red Bull, das mit Ferrari gegen uns den Protest eingelegt hat, war wie Bernie Ecclestone mit einem außergerichtlichen Deal einverstanden. Dazu hätte es einen Brief von Mercedes an Fia-Boss Todt gebraucht. Doch unsere Chefs Toto Wolff und Ross Brawn lehnten ihn ab! Jetzt müssen sie eben damit leben", so die Meinung von Lauda.